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«Es liegt wohl im mentalen Bereich»

«Es liegt wohl im mentalen Bereich» «Es liegt wohl im mentalen Bereich»

Interview mit Einsiedelns Skispringer Killian Peier zur Leistung der Schweizer Skispringer bei der WM in Oberstdorf

Wegen seiner Knieverletzung konnte Skispringer Killian Peier aus Einsiedeln bei der nordischen Ski-WM in Oberstdorf nicht dabei sein. Dafür war er nun per Skype als SRF-Fernsehkommentator im Einsatz. Wie beurteilt der 25-Jährige im Rückblick die Ski-WM?

WOLFGANG HOLZ

Herr Peier, haben Sie in den vergangenen zwei Wochen öfters mal Ihre Bronzemedaille, die Sie bei der Ski-WM 2019 gewonnen haben, sehnsüchtig angeschaut?

Nein. Ich brauche sie im Augenblick ja nicht wirklich. Sie liegt im Schrank. Ich bin natürlich sehr stolz auf die Bronzemedaille, und sie besitzt für mich einen grossen Wert. Ich werde sie sicher nach meiner Karriere rückblickend gerne immer wieder anschauen. Aber derzeit ist für mich vor allem das Vorausschauen angesagt. Wie gerne wären Sie denn in Oberstdorf mit von der Partie gewesen? Natürlich wäre Oberstdorf das Saisonhighlight für mich gewesen. Ich habe aber nach meiner Knieverletzung vergangenen Oktober in Einsiedeln schnell versucht, die Saison abzuhaken und die Situation so zu akzeptieren, wie sie ist. Wie gehts Ihrem Knie inzwischen? Wann können Sie wieder auf die Schanze? Meinem Knie geht es sehr gut. Es ist alles im grünen Bereich. Die Heilung ist allerdings ein längerer Prozess, der Zeit braucht. Deshalb wird es wohl noch eine Weile dauern, bis ich wieder von der Schanze springen kann. Als Skispringer ist es eben anders als bei einem alpinen Skifahrer, der nach einer ähnlichen Verletzung nach sechs Monaten mal kurz auf die Skier stehen und schauen kann, ob das Knie hält. Beim Skispringen ist man sowohl beim Absprung als auch bei der Landung solchen Kräften ausgesetzt, dass man wirklich nur auf die Schanze zurückkehren kann, wenn das Knie gesund ist. Ich rechne, dass es wohl bis August dauern wird, bis ich wieder auf der Schanze trainieren werde. Ich mache mir aber keinen Druck. Sie waren zwar nicht physisch an der Ski-WM in Oberstdorf anwesend, dafür kommentierten Sie die Springen fürs Schweizer Fernsehen. Hat Ihnen das Spass gemacht? Ja, total. Das war ein cooles Erlebnis für mich. Ich habe das zum ersten Mal gemacht, und ich könnte mir durchaus vorstellen, so etwas auch nach meiner Karriere zu machen. Als Skispringer konnte ich den Fernsehzuschauern dabei so manche Details erklären, die für Laien nicht unbedingt ersichtlich sind – weil beim Skispringen eben alles so schnell und so komplex abläuft. Gerade beim Absprung. Die Tätigkeit fürs Fernsehen hat mir aber auch persönlich viel gegeben – vor allem das Gefühl, nach wie vor zum Team zu gehören, nicht vergessen zu werden. Das hat mir viel Kraft verliehen. Kommen wir mal zum Eingemachten. Wie beurteilen Sie die Leistung Ihrer Teamkameraden im Rückblick?

In den Einzelspringen haben die Schweizer Skispringer sicher nicht so ganz gezeigt, über welches Potenzial sie verfügen. Im Teamwettbewerb haben sie diesen Eindruck korrigiert und unter Beweis gestellt, was wirklich in ihnen steckt. Da haben sie wirklich gefightet bis zum Schluss. Es war ein toller Wettkampf. Ich habe allerdings auch im Fernsehen gesagt, dass Platz 7 im Teamwettbewerb das absolute Minimum für die Schweiz ist, und es das Ziel sein muss, irgendwann wieder unter die Top fünf zu kommen. Das ist durchaus möglich – denn der Punkteabstand betrug dieses Mal nur 40 Punkte. Und das ist im Grunde genommen wenig, wenn man diese Zahl auf die Anzahl der Durchgänge und Sprünge herunterbricht.

Was war denn für Sie der positivste Moment, was war für Sie der enttäuschendste? Der schönste Moment war sicher, wie gesagt, die Leistung des Schweizer Teams im Mannschaftswettbewerb, bei dem offensichtlich ein guter Teamgeist unter den Kollegen geherrscht hat, und alle locker gesprungen sind. Enttäuschend war sicherlich, dass es kein Schweizer Springer weder auf der Normal- noch auf der Grossschanze unter die Top Ten geschafft hat. Sie sagen es: Im Teamspringen hat die Schweiz am Samstag sehr gute Sprünge hingelegt und ein solides Ergebnis gezeigt. Warum gelingen solche Ergebnisse nicht in den Einzelspringen? Ist die nervliche Belastung zu gross? Das ist schwer zu sagen. Auf der Grossschanze waren die Wettbewerbsbedingungen einerseits sicherlich nicht immer fair für alle Springer. Andererseits hat sich so mancher vielleicht auch zu sehr persönlich unter Druck gesetzt. Dabei sollte es nicht sein, dass der nervliche Druck so anwächst, dass die Leistung dermassen beeinträchtigt wird – denn das Potenzial ist ja bei unseren Springern vorhanden. Vielleicht hat auch die Klarheit im Ablauf beim Absprung etwas gefehlt. Für mich als Zuschauer war es auf jeden Fall sensationell zu sehen, welche Leistungen der deutsche Karl Geiger abzurufen vermochte. Er hat als Lokalmatador in jedem Wettbewerb eine Medaille geholt: Das waren Energieleistungen auf höchstem Niveau. Chapeau! Kann man sagen, dass die Schweiz auf der Schanze derzeit zweitklassig ist, weil sich so gut wie keiner unter den ersten Zehn klassiert? Ganz vorne dabei sind die Schweizer Skispringer bei den Skispringen derzeit tatsächlich nicht. Das muss man so nüchtern feststellen. Dabei ist, wie gesagt, das Potenzial bei den einzelnen Springern vorhanden. Die Schweizer Skispringer haben auch im Vergleich zum letzten Jahr, als wirklich nicht viel lief, und als auch ich zahlreiche Täler durchschreiten musste, grosse Fortschritte gemacht. So muss es weitergehen. Man sollte besonnen Schritt für Schritt analysieren, und dann weiter daran arbeiten, um sich auf diese Weise wieder langsam ans Top-Niveau annähern zu können. Was muss konkret passieren, damit die Schweiz wieder ganz vorne mitspringt? Jeder Athlet hat seine Stärken und Schwächen. Die Stärken muss man so pflegen, dass ein gesundes Selbstvertrauen zur eigenen Leistung entsteht. Die Schwächen sollte man dringend verbessern. Wobei jeder Springer bei uns definitiv über eine grosse technische Qualität verfügt. Vielleicht liegt es tatsächlich an den Abläufen im Kopf, die optimaler koordiniert werden müssen, um künftig noch erfolgreicher springen zu können – um die gute Technik bei Wettkämpfen auch wirklich abrufen zu können. Also liegt es unterm Strich im mentalen Bereich, in dem man sich verbessern muss?

Ich würde sagen: ja.

Was sind Ihre nächsten persönlichen Ziele?

Ich möchte mich auf jeden Fall weiterentwickeln. Zum einen im Mentalen. Zum anderen möchte ich natürlich wieder körperlich Schritt für Schritt gesund und fit werden. Das sind meine nächsten beiden Schritte. Es ist sicherlich mein Ziel, im Winter wieder mitspringen zu können. Für den Sommer wird es wohl nicht reichen.

Wird immer wertvoller für die Schweiz: Killian Peiers Bronzemedaille, die er bei der Ski-WM 2019 holte.

Foto: Selfie Killian Peier

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