«Das war die alte Wendy»
Die 27-jährige Unteribergerin beweist aufstrebende Tendenz in den jüngsten Weltcup-Slaloms, aber …
Rang sechs in Zagreb, Rang fünf in Semmering: Wendy Holdener zeigt stabile Leistungen in den zwei vergangenen Weltcup-Slaloms. Dabei wird eines auch deutlich.
WOLFGANG HOLZ
Der Weltcup-Slalom der Damen am vergangenen Sonntag in Zagreb fand unter schwierigen Bedingungen statt. Im ersten Durchgang hatte es Nebel. Bei Plusgraden war die Piste frühlingshaft weich, holperig und bald schwer gezeichnet. Bedingungen, mit denen die Fahrerinnen sehr zu kämpfen hatten.
Wendy Holdener konnte dieses «Rodeo», wie sie selbst im SRF-Interview lachend feststellte, zwischen den Slalomtoren gut meistern. Sie landete nach dem ersten Durchgang auf Platz fünf – allerdings schon mit einem Rückstand von knapp 1,5 Sekunden auf die Bestzeit von Petra Vlhova. Im zweiten Durchgang kämpfte sich die Unteribergerin ebenfalls bravourös durch den strapaziösen Lauf und kam in der Endabrechnung des Rennens, das Petra Vlhova (Slowakei) vor der Österreicherin Katharina Liensberger und Michelle Gisin gewann, auf den sechsten Platz. Den fünften Rang stibitzte ihr noch auf den letzten Metern die Kanadierin Erin Mielzynski vor der Nase weg. «Ich möchte eigentlich schon mehr», gab Wendy Holdener im Interview zu – und kämpfte mit den Tränen. Nicht zum ersten Mal. Mit dem Turbo in Semmering
Dabei lief es ihr kurz zuvor, im alten Jahr im österreichischen Semmering, noch besser im Slalom: Sie wurde Fünfte. Wer ihre Fahrt im zweiten Durchgang auf dem Zauberberg verfolgte, traute zuerst seinen Augen kaum – so aggressiv, so kompromisslos liess es die 27-jährige Unteribergerin auf dem Slalomhang krachen. Geduckt wie ein Panther zwischen den Toren gab sie richtig Gas – gleichzeitig wirkte sie sehr sicher und stabil. Kein Ausrutscher, keine Unsicherheit. «Das war die alte Wendy», sagte die Skirennfahrerin aus dem Ybrig, sichtlich aufgekratzt im Interview mit dem Schweizer Fernsehen. «Besonders im ersten Teil der Strecke. Unten kann ich es noch besser machen.» Es habe sich richtig gut angefühlt – «ich bin happy hüt».
Angesprochen auf die erste schweizerische Slalomsiegerin seit 19 Jahren, sprich: auf den Erfolg ihrer Teamkollegin Michelle Gisin, beglückwünschte Holdener die Engelbergerin und zeigte sich sehr fair: «Hut ab! Was Michelle heute geleistet hat, ist unglaublich. Ich freue mich sehr für sie.» Sagte es und räumte ein, ihrer Kollegin attestiert zu haben: «Ich probiere das Gleiche schon lange, und bei Dir sieht das so locker aus.» Neue «Vierer-Bande» In der Tat hätte es Wendy Holdener sicherlich verdient, nach 24 Slalom-Podestplätzen in den vergangenen Jahren – 13-mal Zweite, 11-mal Dritte – endlich auch mal ganz oben auf dem Siegertreppchen zu stehen. Wie die Ironie des Schicksals es will, sind es dabei nun nicht mehr nur ihre bis dato übermächtigen Dauerrivalinnen Mikaela Shiffrin (USA) und Petra Vlhova (Slowakei), die sie daran hindern. Nein, jetzt ist Wendy Holdener mit Michelle Gisin auch noch eine Konkurrentin um den Slalom-Thron im eigenen Team erwachsen. Nicht zu vergessen Austria-Senkrechtstarterin Katharina Liensberger, der es immer besser läuft. Das ist irgendwie tragisch für Wendy und scheint ihr nervlich zuzusetzen.
Denn – will Wendy künftig wieder unter die ersten Drei in ihrer Paradedisziplin kommen, muss sie einfach noch schneller fahren. Ihre Zeitabstände zum Podest sind momentan meistens zu gross. Das hat sicher mit dem sechswöchigen Trainingsrückstand wegen ihrer Verletzung zu tun. Aber nicht nur.
Vielleicht kann tatsächlich Michelle Gisin die Unteribergerin mit ihrer lockeren Fahrweise dazu animieren, selbst wieder aufs Podest zurückzukehren. Es wäre ihr zu wünschen. Und da sind ja noch die Speedrennen – in denen Wendy Holdener zusätzliches Selbstvertrauen tanken könnte.