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«Die Leute haben Angst vor etwas Diffusem, Unfassbarem»

«Die Leute haben Angst vor etwas Diffusem, Unfassbarem» «Die Leute haben Angst vor etwas Diffusem, Unfassbarem»

Die Corona-Pandemie beeinträchtigt die psychische Gesundheit von Menschen. Freddy Businger, Leiter Prävention und Gesundheitsförderung bei Gesundheit Schwyz, gibt Auskunft, wie sich die Leute seelisch schützen können.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Wie geht es Ihnen in diesen bewegten Zeiten?

Mir geht es gut – so wie vielen anderen Menschen: Die Mehrheit der Bevölkerung in der Schweiz hat die Krise bisher gut bewältigt. Die Lebenszufriedenheit ist weiterhin hoch. Ein grosser Teil der Menschen fühlt sich wohl und sicher. Was brennt den Menschen in diesen Zeiten besonders unter den Nägeln? Auf vieles, was Lust und Freude bereitet, müssen die Leute derzeit verzichten: Reisen, das Zusammensein mit anderen, Sachen aus dem Alltag. Hinzu kommen existenzielle Ängste, wenn etwa der Job, die Arbeitsstelle verloren geht. Oder wenn soziale Isolation und Einsamkeit drohen. Welche Ängste stehen im Vordergrund, die durch das Coronavirus ausgelöst werden? Das ist schwierig zu benennen. Die Menschen gehen ganz unterschiedlich damit um. Oftmals steht gar nicht eine Angst vor der Krankheit selber im Fokus: Die Leute haben Angst vor etwas Diffusem, nicht Fassbarem. Klar ist, dass einige mit dem Schwinden der Freiheit eine Verlustangst erleiden. Andere leiden eher am Alleinsein oder fürchten sich vor finanziellen Schwierigkeiten, wenn die Arbeitssituation unsicher wird.

Haben die Leute Angst vor dem Virus oder vielmehr eher vor den Massnahmen? Wir haben zu dieser Frage keine konkreten Rückmeldungen. Es ist davon auszugehen, dass eine grosse Mehrheit die Massnahmen des Bundes versteht und nachvollziehen kann, auch wenn die Wirtschaft darunter leiden mag. Naturgemäss ist auch eine Menge Konfusion entstanden: Bei den Leuten, die gegen eine Maskenpflicht demonstrieren, handelt es sich aber klar um eine Minderheit.

Haben sich die Sorgen und Ängste der Menschen in der zweiten Welle noch akzentuiert?

Durch die lange Dauer der Pandemie ermüden viele Menschen daran. Die Einschränkungen zermürben mehr als am Anfang. Die Angst, dass es noch lange andauern wird, bis endlich wieder alles in alten und bekannten Bahnen laufen wird, prägt die Sichtweise auf alles. Und die bevorstehenden Weihnachtstage erschweren alles auch noch. Beobachten Sie, dass sich vermehrt Leute an Gesundheit Schwyz wenden, um Hilfe zu erhalten?

Wir erleben bei uns derzeit keinen Ansturm von Menschen in Not. Es ist so, dass die Leute vermehrt nationale Angebote wie Pro Mente Sana in Anspruch nehmen, vor allem auf Online-Ebene. Führen die Verschärfungen der Massnahmen zu einer Verschlimmerung der Situation, weil sie die Isolation der Menschen verstärken? Naturgemäss haben die Massnahmen einen Einfluss darauf, wie die Leute heuer zum Beispiel Weihnachten feiern werden: Es wird in diesem Jahr wohl mehr Menschen geben, die an Weihnachten alleine bleiben. Jüngere Leute werden auf ein Familienfest verzichten wollen, wenn Ältere mit dabei sind. Oder ältere Menschen werden nicht eingeladen.

Wie sehen die Perspektiven aus für das kommende Jahr? Virologen rechnen nicht vor April/ Mai mit einer rigorosen Entspannung der Situation. Aber es bleibt ein Kaffeesatzlesen, wenn es um die weiteren Aussichten geht, wie sich dieses Virus verhalten wird. Wir müssen aber alle lernen damit umzugehen. Wichtig ist, dass wir uns nicht nur vor dem Virus schützen, sondern zu unserer Seele Sorge tragen und auf das Wohl der Nächsten achten. Dazu gibt es ja die Tipps, und dazu dient der Aktionstag.

Wohin bewegt sich die Welt in diesen Zeiten?

Wir werden uns wieder zurück in eine Normalität bewegen. Die Menschheit kann mit Kreativität und Flexibilität auf derlei Krisen reagieren. Alleine die Verlagerung des kommunikativen Lebens in den virtuellen Raum hat Wege aufgezeigt, wie man mit einem solchen Virus umgehen kann. Interessant ist, dass in diesem Jahr wieder Jassen online und andere Gesellschaftsspiele aufgekommen sind. Und dass Menschen Nachbarschaftshilfe zu leisten imstande sind, ohne dass man sich über den Weg läuft: Indem man etwa das Essen vor die Türe des Nachbarn hinstellt oder indem man wichtelt. Wesentlich ist, dass man zueinander schaut, miteinander redet, das Gespräch sucht – unter dem Motto «Körperlich distanziert, sozial nah».

Freddy Businger ist Leiter Prävention und Gesundheitsförderung bei Gesundheit Schwyz.

Foto: zvg

«Durch die lange Dauer der Corona-Pandemie ermüden viele Menschen daran.» «Wesentlich ist, dass man zueinander schaut, miteinander redet, das Gespräch sucht.»

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