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Selbst der Staatsanwalt fordert vier Freisprüche

Ein Ausserschwyzer zog vier Schwyzer Polizisten wegen Amtsanmassung vor das Strafgericht.

RUGGERO VERCELLONE

Ende August 2016 rückten vier Schwyzer Polizisten nach Reichenburg aus. Sie hatten erfahren, dass ein Einheimischer gegenüber einem Mann, der auf dem Grundstück des Reichenburgers illegal Fahrzeuge abgestellt hatte, Morddrohungen ausgesprochen hatte. Zudem soll der Reichenburger gedroht haben, eine Kinderkrippe abzufackeln.

Die Polizisten trafen den Gesuchten in seinem Wagen sitzend auf einem Parkplatz neben dem Zubringer zur Autobahn A3 an, wo dieser telefonierte. Dabei weigerte sich der Mann zuerst auszusteigen. Als er Minuten später doch aus dem Wagen stieg, tasteten die Polizisten ihn ab und entschieden, ihn auf den Polizeiposten nach Siebnen zu bringen. Sie legten ihm für den Transport Handschellen an. Auf dem Polizeiposten wurde er zudem nackt einer Leibesvisitation unterzogen.

Später wurde er zu seinem Hausarzt geführt, der sich gegen eine fürsorgerische Unterbringung in eine psychiatrische Klinik entschied, seinem Patienten aber Beruhigungstabletten verschrieb. Danach entliessen die Polizisten den Reichenburger wieder.

«Ich fühlte mich wie im falschen Film» Der Reichenburger klagte die Polizisten wegen Amtsanmassung an. Er könne verstehen, dass die Polizei wegen ihm ausrückte und ihn kontrollierte. Aber wie man mit ihm umgegangen sei, verstehe er nicht. «Ich fühlte mich wie im falschen Film.» Er habe sich ja nie gewehrt. Dass er trotzdem in Handschellen gelegt wurde, vollkommen nackt eine erniedrigende und schikanöse Leibesvisitation über sich ergehen lassen musste, und dass ihm vom Einsatzleiter der Polizei gedroht wurde, er werde in die Psychiatrie eingeliefert, wenn er die ausgesprochene Drohung nicht zurücknehme, fand der Reichenburger als unverhältnismässig und gesetzeswidrig. Zudem sei ihm von der Polizei verweigert worden, einen Anwalt beizuziehen.

Er forderte deshalb nebst einer Bestrafung der vier Polizisten Genugtuung und Schadenersatz von über 106’000 Franken. Er leide heute noch gesundheitlich an den Folgen des Polizeieinsatzes und habe auch sein Geschäft aufgeben müssen.

Die vier Polizisten, die sich vor dem Strafgericht an Details nicht mehr erinnerten oder teilweise keine Aussagen machten, verteidigten ihr Vorgehen. Sie hätten es schliesslich mit einem Mann zu tun gehabt, der beträchtliche Drohungen ausgesprochen hatte, sich während der Befragung nervös verhalten habe und nur vage aussagte. Sie hätten ihn «einfrieren» wollen und müssen, um ihn unter Kontrolle zu halten und so eine Umsetzung der Drohungen verhindern zu können. Aus der damaligen Situation heraus zu beurteilen Selbst der Staatsanwalt, der nach einer Beschwerde des Reichenburgers gegen die Einstellungsverfügung den Fall auf Geheiss des Kantonsgerichts vors Strafgericht bringen musste, plädierte für Freisprüche, da kein Missbrauch der Amtsgewalt vorliege.

Das Vorgehen der Polizisten sei nicht in einer Rückblende, sondern aus der damals vorliegenden polizeilichen Notsituation zu beurteilen. Die Polizisten hätten aufgrund der damaligen Informationen, die sie hatten (Morddrohung und Drohung einer Brandstiftung), handeln und von einer unmittelbaren Gefahr für Personen und Sachen ausgehen müssen. «Sie haben bei ihren Handlungen nie eine rote Linie überschritten » und hätten immer verhältnismässig und gesetzeskonform gehandelt. Dass sich nachträglich herausgestellt habe, dass der Reichenburger nicht so gefährlich war, wie befürchtet werden musste, sei in diesem Fall nicht relevant.

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