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«Wir haben das Schlimmste bereits hinter uns»

«Wir haben das Schlimmste  bereits hinter uns» «Wir haben das Schlimmste  bereits hinter uns»

Die Wirtschaft wird von der zweiten Corona-Welle getroffen. Andreas Barraud, Volkswirtschaftsdirektor des Kantons Schwyz, gibt Auskunft zur Entwicklung der Wirtschaft: «Ich bin vorsichtig optimistisch, was die Aussichten betrifft.» Es gebe keine Anzeichen, dass es im Kanton zu einer Konkurswelle kommen könnte.

MAGNUS LEIBUNDGUT

SVP-Nationalrat Pirmin Schwander wirft der Schwyzer Regierung vor, die Maskenpflicht sei verfassungs- und rechtswidrig. Wie kommt das bei Ihnen an? Es ist legitimes Recht von Pirmin Schwander – auch gut drei Wochen nach Inkrafttreten der vom Regierungsrat beschlossenen Massnahmen – eine Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzureichen. Allerdings muss festgestellt werden, dass das Verwaltungsgericht nicht auf die Beschwerde eingetreten ist und diese in Anwendung von Art.18 Abs.3 BGG ans Bundesgericht übermittelt hat. Inhaltlich äussere ich mich nicht zur Beschwerde, schliesslich handelt es sich hier um ein laufendes Verfahren. Die Massnahme der 30er-Grenze bei Veranstaltungen finden Künstler unverhältnismässig. War das eine Panikreaktion des Schwyzer Regierungsrates? Der Kanton Schwyz wurde durch seine sehr stark steigenden Fallzahlen landes- und gar europaweit zum Corona-Hotspot. Darauf hat der Regierungsrat reagiert und weiterführende Massnahmen – insbesondere eine Beschränkung von öffentlichen Veranstaltungen auf 30 Personen – beschlossen: Mit dem Ziel, die Fallzahlen rasch wieder zu senken sowie das Gesundheitswesen nicht zu überlasten. Der Bundesrat hat fast gleichzeitig eine Beschränkung bei Anlässen auf 50 Personen erlassen, dabei den Kantonen jedoch den Handlungsspielraum, strengere Massnahmen zu beschliessen, offen gelassen. Andererseits machen sich Ökonomen für einen zweiten Lockdown stark: Fährt die Regierung mit dem eingeschlagenen Weg eine Hochrisikostrategie? Im März hat der Bundesrat eine «ausserordentliche Lage» ausgerufen. Als Folge davon kam es zum landesweiten Lockdown. Im Sommer hat der Bundesrat die ausserordentliche in eine besondere Lage zurückgestuft. Wir befinden uns nach wie vor in dieser besonderen Lage. Die Kantone haben damit wieder mehr Rechte und Kompetenzen, Massnahmen zu beschliessen, anzupassen oder sie wieder aufzuheben. Je nachdem, ob Kantone urban, periurban oder ländlich orientiert sind und damit mal mehr oder weniger von Covid-19 betroffen werden können, machen von den Kantonen unterschiedlich beschlossene Massnahmen auch Sinn. Der Regierungsrat des Kantons Schwyz hat seit dem März nie eine Hochrisikostrategie verfolgt, sondern stets pragmatische Lösungen mit Augenmass, immer im Sinne eines vernünftigen Mittelwegs, angestrebt und entsprechend Massnahmen beschlossen. Einen weiteren Lockdown halten wir zurzeit aber für nicht angebracht. Mit dem eingeschlagenen Weg wollen wir beiderseits – sowohl der Gesundheit unserer Bevölkerung wie auch unserer Wirtschaft – weiterhin einen guten Boden bereiten. Die Wirtschaft braucht Hilfe. Aber wer bezahlt die Rechnung für die zweite Welle? Seit Beginn der Covid-19-Krise im März haben der Bundesrat und der Regierungsrat umfangreiche Hilfsmassnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie beschlossen. Der Bund stellte für die Wirtschaft zinslose, rückzahlbare Überbrückungskredite in der Höhe von vierzig Milliarden zur Verfügung, der Kanton Schwyz zusammen mit den Geschäftsbanken 150 Millionen (Kanton 50 Millionen, Banken 100 Millionen). Des Weiteren hat der Regierungsrat im Mai beschlossen, sich am Bürgschaftsprogramm des Bundes zur Gewährung von Start-up-Bürgschaften in der Höhe von 7,5 Millionen (Kanton 2,5 Millionen, Bund 5 Millionen) zu beteiligen. Zudem bewilligte der Kantonsrat an seiner Sitzung im Mai eine vom Regierungsrat vorgelegte Ausgabenbewilligung im Umfang von 2,5 Millionen für das kantonale Impulsprogramm zugunsten der Schwyzer Wirtschaft sowie des Tourismus und der Gastronomie. Mit welcher weiteren Hilfe ist zu rechnen? Zurzeit schnüren Bund und Kantone mit Hochdruck ein neues Hilfspaket – weitere Unterstützungsmassnahmen für Härtefälle bei Unternehmen: Damit sollen Härtefälle abgefedert werden, die direkt oder indirekt auf behördliche, gesundheitspolizeiliche Massnahmen zurückzuführen sind. Der Bund hat bereits 200 Millionen zugesichert, wird aber aufgrund der Vernehmlassungen noch prüfen, ob er diesen Betrag erhöhen wird. Insbesondere regelt der Gesetzgeber, dass der Bund auf Antrag eines Kantons Unternehmen, die aufgrund der Natur und ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit von den Folgen von Covid-19 besonders betroffen sind (insbesondere Unternehmer in der Wertschöpfungskette der Eventbranche, Schausteller, die Reisebranche und touristische Betriebe), in Härtefällen finanziell unterstützen kann, sofern sich der Kanton ebenfalls zur Hälfte an der Finanzierung beteiligt.

Die Arbeitslosenquote im Kanton Schwyz bleibt derweil unverändert tief: Überrascht Sie diese Entwicklung?

Die Schwyzer Wirtschaft ist mehrheitlich strukturiert in kleine bis mittelgrosse Unternehmen in der Industrie, der Produktion, im Handel, im Dienstleistungs- und Finanzmarkt, im Tourismus, der Gastronomie und Hotellerie sowie der Landwirtschaft. Unsere doch starke und breit abgestützte KMU-Landschaft bleibt – und das ist meine Einschätzung – trotz Pandemie gut aufgestellt und wird die Krise besser bewältigen können als zum Beispiel Unternehmen, die sehr stark exportorientiert sind. Hingegen trifft die Corona-Pandemie die Event-, Reise- und Tourismusbranche sowie unsere Gastrobetriebe und die Hotellerie hart. Just für eben diese Branchen soll das Härtefall-Programm zur Anwendung kommen. Wie ist es um die Beschäftigungsaussichten in der Zukunft bestellt? Ich bin vorsichtig optimistisch, was die Aussichten betrifft, und durchaus guten Mutes, dass wir in diesen schwierigen Zeiten das Schlimmste bereits hinter uns haben. Die tiefe Arbeitslosenquote per Ende Oktober von 1,5 Prozent ist ein positives Zeichen dafür, dass die Schwyzer Wirtschaft trotz Corona nach wie vor pulsiert. Von Wichtigkeit für eine wirtschaftlich positive Entwicklung sind naturgemäss ein rasches Sinken der Fallzahlen sowie die baldige Verfügbarkeit eines wirksamen Impfstoffs. Diese und weitere Faktoren werden nachhaltig dazu beitragen, dass Menschen, die kurzarbeiten mussten oder sogar ihren Arbeitsplatz in dieser Krisenzeit verloren haben, in einer sich erholenden wirtschaftlichen Lage wieder schneller Fuss fassen können. Welche Branchen müssen am ehesten mit einem Stellenabbau rechnen?

Gefährdet werden wohl weiterhin Angestellte in der Reise- und Gastroszene, wie auch Personen in der Event- und Kulturbranche sein. In den Fokus könnten allenfalls auch Mitarbeiter in Zulieferer- Unternehmen, die vorwiegend im Export-Geschäft engagiert sind, geraten. Unser Ziel ist es nach wie vor, diesen Branchen und damit den betroffenen Mitarbeitern weiterhin schnelle, unbürokratische Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen. Dafür stehen wir auch in regem und permanentem Austausch und Kontakt mit den betreffenden Branchenvertretern.

Rechnen Sie mit einer Konkurswelle im Kanton Schwyz?

Im Handelsregister des Kantons Schwyz sind derzeit rund 18’500 Firmen registriert. Überraschenderweise ist in diesem Jahr die Zahl an neu gegründeten Betrieben leicht angestiegen. Es gibt bis dato noch keine Anzeichen, dass es im Kanton Schwyz zu einer Konkurswelle kommen könnte. Ob sich dieser Trend im 1. Semester 2021 so weiterentwickeln wird, hängt unter anderem von der wirtschaftlichen Entwicklung, dem weiteren Verlauf von Covid-19 und der Verfügbarkeit eines Impfstoffs ab. Falls die Wirtschaft wider Erwarten in eine Konkurswelle oder erneute Phase der Kurzarbeit rutschen sollte, wären wir im Volkswirtschaftsdepartement – primär mit personellen Ressourcen aus dem Amt für Arbeit und dem Amt für Wirtschaft – in der Lage, die Abwicklung der Anträge rasch und unbürokratisch zu bewältigen. Ist das Härtefallprogramm des Bundes ausreichend oder müsste mehr Hilfe für die Wirtschaft geleistet werden? Mit dem Schnüren eines neuen Hilfspakets seitens Bund und Kanton sind wir auf gutem Wege, die Wirtschaft ausreichend unterstützen zu können. Der Regierungsrat will «Bericht und Vorlage zu den kantonalen Massnahmen im Rahmen der Covid-19-Härtefälle » dem Kantonsrat anlässlich seiner Sitzung vom 16. Dezember zur Beschlussfassung vorlegen. Lässt der Bund Kantone und Unternehmen in der jetzigen Lage im Stich? Das würde ich in Abrede stellen: Das vom Bundesrat im Frühling beschlossene, umfangreiche Massnahmenpaket sowie die zwischenzeitlich weiteren vom Bund beschlossenen Massnahmen sprechen eine andere Sprache. Bund und Kantone stellen grosse finanzielle Mittel zur Verfügung, die den in Not geratenen Unternehmen und damit auch den Mitarbeitern unter die Arme greifen. Wären besser eher kantonale Lösungen anzustreben?

Auch wenn die Gefahr besteht, dass über die Schweiz ein sogenannter «Flickenteppich» entsteht: Ich bin ein Befürworter des Föderalismus, ihm verdanken die Kantone Freiheit und Autonomie. Selbstredend stehe ich dafür ein, dass da wo es Sinn macht und zielführend wirkt, kantonale Lösungen – mit Vorteil in der Zentralschweiz abgesprochen – anzustreben sind. Für wie gross halten Sie das Risiko, dass sich als Folge von kantonalen Lösungen Ungleichheiten zwischen den Kantonen weiter vergrössern würden? Ich bin überzeugt, dass wegen dem hier zur Anwendung gelangenden Föderalismus keine Kluft zwischen den Kantonen entsteht. Die Regierungen handeln und entscheiden aufgrund ihrer Analysen und Erfahrungen, wählen situativ ein Vorgehen und treffen just diejenigen Massnahmen,die für eine spezifische Lage passend sind. Eine breite Allianz fordert neue Corona-Kredite. Schliessen Sie sich dieser Allianz an? Ich bin der Meinung, dass die von Bund und Kanton bereits beschlossenen und die sich jetzt in Vorbereitung befindlichen Massnahmen im Moment ausreichend sind. Bereits während des Lockdowns im Frühling hat sich gezeigt, dass die Überbrückungskredite nicht vollends ausgeschöpft worden sind und bis auf weiteres kein Bedarf seitens Unternehmen da war, noch mehr Hilfe und Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Trifft die zweite Welle die Wirtschaft noch härter?

Die erste Welle traf uns im März überraschend: Wir waren schlecht darauf vorbereitet. Die Auswirkungen auf die Wirtschaft waren dementsprechend massiv. Die jetzige Situation mit der sogenannten zweiten Welle gestaltet sich etwas anders: Wir können medizinisch betrachtet besser auf das Coronavirus reagieren, haben mehr Tests zur Verfügung, sind in der Lage, die Fallzahlen zu stabilisieren und jetzt zwingend wieder zu senken. Der entscheidende Unterschied zum Frühling liegt darin, dass kein weiterer, landesweiter Lockdown verhängt wird: Diesem, so hoffe ich, bleibenden Umstand verdanken wir, dass die zweite Welle die Wirtschaft nicht härter trifft. Natürlich werden wir auch mit der Frage konfrontiert, ob mit einschneidenderen Massnahmen im Sommer die jetztige zweite Welle hätte verhindert werden können. Corona stiftet politische Verwirrung und weicht die Fronten von links und rechts auf. Welche Meinung vertreten Sie im Umgang mit dem Coronavirus? Ich plädiere für einen möglichst pragmatischen Umgang mit dem Virus. Möglicherweise wurde das Virus, als es im Januar ausgebrochen war, falsch eingeschätzt und man hat es damals verpasst, nur die notwendigen Massnahmen zu treffen. Fakt ist, dass das Coronavirus eine unerhörte Medienpräsenz und die kontroversesten Diskussionen – auch unter Fachleuten – ausgelöst hat. Es gibt Stimmen, die behaupten, dass alles gesteuert ist, um einerseits die Wirtschaft in Europa und damit auch die Wirtschaft in der Schweiz massiv zu schwächen oder anderseits, um unsere Mobilität bewusst einzuschränken und damit einer grünen Welle Vorschub zu leisten. Belegt sind alle Theorien oder Behauptungen nicht. Wie dem auch sei: Ich hoffe, dass wir so rasch wie möglich wieder zu einem «courant normal» für unsere Gesellschaft und für unsere Wirtschaft zurückfinden, einen Weg zurück in die so wichtige Normalität einschlagen können. Wohin bewegt sich die Welt?

Wenn es nach mir ginge, könnte man das Jahr 2020 aus dem Kalender streichen (lacht). Das Virus hat nicht nur der Schweiz und Europa, sondern der ganzen Welt viel Ungemach beschert. Beunruhigend war und ist nach wie vor die grosse, bohrende Ungewissheit, die uns mit dieser Zeit und diesem Virus leider verbindet. Was bleibt zu tun? Wir sollten die richtigen Lehren aus dieser Geschichte ziehen und uns gemeinsam auf einen für unsere Bevölkerung, Gesellschaft und Wirtschaft Erfolg versprechenderen Weg ins Jahr 2021 machen. Ich hoffe, dass wir uns im kommenden Jahr wieder um wichtigere Themen als nur mit dem Coronavirus beschäftigen können.

Regierungsrat Andreas Barraud steht Red und Antwort zur wirtschaftlichen Lage des Kantons Schwyz in Zeiten der Corona-Pandemie: Weil kein zweiter Lockdown verhängt wurde, sei die Wirtschaft nicht härter von der zweiten Welle getroffen worden. Foto: Magnus Leibundgut

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