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Noch nie so wenige Schwangerschaftsabbrüche

Seit dem Jahr 2004 wurden noch nie so wenige Schwyzerinnen gezählt, die eine Abtreibung vornehmen liessen, wie 2019. Schweizweit ist das Bild um 180 Grad gedreht: Nachdem die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche jahrelang sank, steigt sie nun wieder.

ANOUK ARBENZ

Vor allem Städterinnen entscheiden sich eher für eine Abtreibung, wie ein Blick auf die Statistik der Schwangerschaftsabbrüche in der Schweiz zeigt. Oder aber sie werden einfach eher mal ungewollt schwanger. Die Zürcherinnen weisen in der traurigen Statistik fürs vergangene Jahr die grösste Anzahl Abtreibungen auf, es folgen die Waadtländerinnen, die Genferinnen und danach die Aargauerinnen und St. Gallerinnen.

«Vorne» liegen würden wahrscheinlich auch die Bernerinnen, doch der Kanton führt keine Statistik darüber, so auch nicht der Kanton Glarus. Im Vergleich mit den 23 anderen Kantonen liegt der Kanton Schwyz im hinteren dritten Viertel auf Platz 17.

So haben sich im letzten Jahr 83 Schwyzerinnen für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden. Vergleicht man die Schwangerschaftsabbrüche mit den Geburten im Jahr 2019, so lässt sich für die Schwyzerinnen sagen, dass ungefähr jedes 19. Kind nicht ausgetragen wird.

Der Kanton Schwyz ist in dieser Statistik damit ganz am Schluss zu finden. Zum Vergleich: Bei den Genferinnen, welche die grösste Rate aufweisen, kommt rund jedes fünfte Kind nicht auf die Welt. Eine erschreckende Zahl.

Trend weg von der Pille Hormonelle Verhütungsmittel sind out. In den letzten Jahren ist der Absatz der Antibabypille um einen Fünftel eingebrochen. Verhütungs-Apps wie Clue, Flo oder Ovy schiessen dafür wie Pilze aus dem Boden.

«Eine gewisse Hormonmüdigkeit ist feststellbar», beobachtet auch der Wollerauer Frauenarzt Daniel Burger. Und Bea Hung, Frauenärztin in Altendorf, bestätigt: «Zunehmend werde ich bei der Jahreskontrolle nach Alternativen zur Pille gefragt.» Davon gebe es aber nicht viele, die so sicher seien wie die Pille: «Man kann konsequent mit Kondom verhüten oder sich eine Kupferspirale einsetzen lassen », erklärt Hung.

Gerade die Spirale werde immer beliebter, habe gegenüber der Pille jedoch den Nachteil, dass die Mens und die damit verbundenen Schmerzen stärker seien. Und: Es handelt sich um einen Fremdkörper, weshalb Komplikationen nicht ausgeschlossen werden könnten. «Die Pille wird heute zu unrecht verteufelt », findet Burger.

Von Zyklus-Apps halten beide wenig. «Es braucht eine unglaubliche Selbstdisziplin, um jeden Morgen immer zur selben Zeit die Temperatur zu messen, und funktioniert nur bei Frauen, die einen regelmässigen Zyklus haben», so Bea Hung. «Die Apps sind nie so sicher wie die Pille oder das Kondom – richtig angewendet », findet auch Burger. Er ist überzeugt: «Je mehr Frauen sich auf solche Apps verlassen, desto eher hat man eine unerwünschte Schwangerschaft.» Zwischen zwei Übeln entscheiden Der Vergleich der Schwyzer Zahlen von 2004 bis 2019 zeigt, dass es nie so wenige Abtreibungen gab wie im letzten Jahr. Dass die Zahl der Aborte im Kanton Schwyz immer mehr abnimmt, ist Bea Hung und Daniel Burger nicht aufgefallen.

Burger führe pro Jahr sechs medikamentöse und ein bis zwei chirurgische Schwangerschaftsabbrüche durch. Diese Zahl sei relativ stabil gewesen über die letzten Jahre. Bea Hung führt Abtreibungen nicht selber durch. Durchschnittlich sind es vier bis sechs Frauen pro Jahr, welche sie für einen Schwangerschaftsabbruch beim Spital Lachen anmeldet.

88 Prozent der Schwyzerinnen, die im letzten Jahr abgetrieben haben, liessen den Abbruch vor oder in der achten Schwangerschaftswoche durchführen, sieben Prozent in den Wochen neun bis zwölf und zwei Prozent in den Wochen elf bis zwölf. Zwei Personen entschieden sich erst nach der dreizehnten Schwangerschaftswoche für einen Abbruch. Das können körperliche oder psychische Gründe sein.

«Keine Frau nimmt diese Entscheidung auf die leichte Schulter », ist Bea Hung überzeugt. «Für mich gilt es jeweils herauszufinden, ob sie zum Beispiel unter Druck ihres Mannes oder der Verwandtschaft handelt oder das wirklich selber will.» Die Entscheidung müsse gut überlegt sein, aber es sei auch klar, dass die Frau in dieser Situation zwischen zwei Übeln entscheiden müsse. Daniel Burger beobachtet, dass sich Mann und Frau häufig nicht einig sind. In solchen Fällen könne aber meist die Schwangerschaftsberatungsstelle helfen.

Die Jungen habens im Griff Die meisten Schwyzerinnen, die im letzten Jahr eine Abtreibung vornehmen liessen, waren zwischen 25 und 29 Jahre alt (24). «Vielleicht, weil man in diesem Alter nicht mehr so konsequent verhütet», vermutet Bea Hung. «Wenn man sehr jung ist, hat man wirklich Angst vor einer Schwangerschaft. » Tatsächlich scheinen es die Jugendlichen mit dem Verhüten erfreulicherweise gut im Griff zu haben. Nur gerade zwei Schwyzerinnen waren im letzten Jahr unter 20 Jahre alt, als sie einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen liessen. Schweizweit beträgt die Abbruchrate pro 1000 Frauen bei den unter 20-Jährigen 3,5 Prozent. «Sie nehmen das Thema sehr ernst. Es wird auch in der Schule zweimal behandelt », erklärt die Frauenärztin.

Zwischen 30 und 34 respektive 35 bis 39 Jahre alt waren im letzten Jahr je 19 Schwyzerinnen, in der Gruppe der 20- bis 24-Jährigen sind es 15 Frauen. Vier Schwyzerinnen waren älter als 40. Daniel Burger beobachtet, dass Schwangerschaften ab 40 Jahren zunehmen, auch wenn die Chance, in diesem Alter schwanger zu werden, bei nur fünf bis acht Prozent liegt. Zum Vergleich: mit 25 liegt diese Chance bei 25 Prozent.

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