Veröffentlicht am

Europäer zweiter Klasse

Europäer zweiter Klasse Europäer zweiter Klasse

ZWISCHENLUEGETEN 3

LAURA KÄLIN

Die Schweizer! Früher waren wir im Ausland sehr beliebt. Überall, wo man mit seinem roten Pass mit dem kleinen weissen Kreuz drauf auftauchte, jubilierten die Einheimischen förmlich. Zudem gab es fast kein Land auf der Welt, in das man nicht ohne Visum einreisen konnte.

Das ist jetzt anders. Wir sind auf der Risikoland-Liste. Zu Recht. Trotzdem ist es ungewohnt, dass man nicht einfach ins Auto oder in den Flieger steigen kann und die Qual der Wahl hat, welches Ziel man auswählen möchte.

Uns stand wirklich die Welt offen – auch wenn mir das damals gar nicht immer bewusst war. Auch wenn Switzerland häufig mit Sweden verwechselt wurde, zauberte der Name unseres Landes ein Lächeln auf das Gesicht des Gegenübers. Denn wir reservieren nicht schon vor dem Morgengrauen die Sonnenliege und am Buffet bemühen wir uns, den Teller nicht zu stark zu überladen – oder ihn dann mindestens auszuessen. Schweizer Schokolade ist immer ein beliebtes Präsent und sogar die Nachbarn aus dem grossen Kanton finden unseren Akzent «herzig».

Im Moment können wir nicht einfach so ins Ausland abhauen, wenn es uns danach ist. Zuerst muss abgeklärt und ein geeignetes Transportmittel gefunden, eventuell sogar ein negativer Corona- Test vorgelegt werden. Fertig also mit Kurztrips an Silvester oder übers Wochenende in eine Metropole – auch wenn dies wohl nicht die beste oder umweltschonendste Art des Zeitvertreibs war. Ich bin gespannt, wie sich das Reisen für uns Rote-Pass-Besitzer entwickeln wird.

* Die 20-Jährige träumt vor sich hin, als sie die leeren Stempelseiten in ihrem Pass durchblättert. Einzig das Kloster Einsiedeln auf Seite zwölf zaubert ihr ein Lächeln auf die Lippen.

Share
LATEST NEWS