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«Auf einer Velo-Fernfahrt wird man gelassen»

«Auf einer Velo-Fernfahrt  wird man gelassen» «Auf einer Velo-Fernfahrt  wird man gelassen»

Mit dem Trekking-Velo von Gross quer durch ganz Deutschland hinauf nach Hamburg: Nick Schönbächler hat diese Tour gemacht. Freiwillig.

VICTOR KÄLIN

Wie kommt man auf die Idee, 1100 Kilometer hinauf nach Hamburg zu strampeln? Wegen Corona verzichtete ich generell auf Flugreisen. Und da ich ohnehin gerne auf dem Velo sitze, kam das einem schon länger gehegten Wunsch entgegen: mit dem Velo ans Meer. Mir standen 17 Ferientage zur Verfügung. Da stiess ich auf den Rhein-Radweg. Das gab dann zwar 1743 Kilometer bis nach Hamburg. Aber das sollte in dieser Zeit zu bewältigen sein.

Warum Hamburg?

Viele Kollegen schwärmten von der Stadt. Doch ich war noch nie dort. Ich sah nicht nur die Stadt, sondern fuhr mit dem Schiff sogar raus auf eine Insel. Waren Sie alleine unterwegs?

Zuerst war die Reise zu zweit geplant, die Termine waren aber nicht kompatibel. Letztlich war es auch gut, sich alleine auf den Weg zu machen. Erzählen Sie doch ein wenig von Ihrer Reise … Unterwegs war ich vom 11. bis 28. September. Ab Karlsruhe gings durch abwechslungsreise Landschaften und durch Industriestädte immer dem Rhein entlang bis nach Rotterdam. Als ich dann einen Tag später erstmals das Meer sah, realisierte ich: Stimmt, ich fahre mit der Absicht, das Meer zu sehen. Danach blieb ich in Küstennähe und kam via Amsterdam nach Ostfriesland und letztlich nach Hamburg. Spätestens beim Dauer- Gegenwind in Holland wusste ich, dass ich mit 40 Kilogramm Gepäck viel zu viel mitgenommen hatte …

Wussten Sie am Morgen jeweils, wo sie übernachten?

Ich hatte schon einen ungefähren Streckenplan. Manchmal gings weiter, manchmal weniger. Da ich Zelt und Kocher mitführte, übernachtete ich meistens auf Campingplätzen. Einmal allerdings auch ganz alleine im Wald. Umso mehr schätzte ich die raren Hotelnächte. Schon wegen der Waschmöglichkeit. War das Glück auf Ihrer Seite?

Definitiv! Erst auf den letzten fünf Kilometern vor Hamburg gab es erstmals Regen. Ich hatte keine Panne, keinen Unfall, keine Probleme. Im Gegenteil: Ich spielte Pannendienst für andere Veloreisende.

Bereichernd sind die vielen Kontakte mit Velofahrern: Ich traf ein Paar aus Estland und zwei Tage war ich mit einem altledigen Holländer unterwegs, der schon die ganze Welt abgefahren ist. Der wusste vielleicht zu erzählen. Überhaupt die Holländer: Die sind sehr freundlich und zuvorkommend. Auf den Campingplätzen wirst du umgehend zu einem Bier eingeladen. Einfach so.

Wie war es alleine?

Am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig. Mit der Zeit sucht man ganz automatisch Kontakt – was ja kein Problem ist, da viele andere auch alleine unterwegs sind. Englisch-Kenntnisse sind hingegen von Vorteil. Nach Hamburg sind Sie jetzt gefahren. Lust auf mehr? Ja. Meine Schwester Jana lebt in Stockholm. Von Hamburg aus sind das dann nochmals 1100 Kilometer. Ein Fernziel bleibt das Nordkap.

Was ist der Reiz dieser Langstrecken- Velofahrten? Was nimmt man mit von solchen Reisen? Die Gelassenheit. Man sieht Land und Leute auf ganz andere Weise. Man erfährt viel vom Alltag. Ich finde es grundsätzlich sehr interessant, so nahe dabei sein zu können. Und das Naturerlebnis ist definitiv intensiver als mit Flugzeug, Auto oder Bahn. Zurück gings trotzdem mit dem Nachtzug von Hamburg nach Zürich … Foto: Victor Kälin

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