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«Der Wald verändert sich»

«Der Wald verändert sich» «Der Wald verändert sich»

Der Kreisförster Beat Fuchs steht Red und Antwort zum Gedeihen des Waldes vom Ybrig bis Alpthal, von Rothenthurm bis Einsiedeln

Auch im Forstkreis 2 hat der Borkenkäfer gewütet, dass Gott erbarm: Beat Fuchs rechnet mit bisherigen Schäden in der Höhe von 700’000 Franken. Dem 50-jährigen Kreisförster macht vor allem aber auch der vielerorts untragbare Wildverbiss grosse Sorgen.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Wie geht es dem Wald im Einsiedler Forstkreis 2?

Im Allgemeinen gut. Überzeugt euch selbst draussen im farbenreichen Herbstwald. Sturmereignisse, lange warme Trockenperioden und der stattfindende Klimawandel generell setzen den Wald jedoch stark unter Druck. Dazu kommt, dass sich in diesem speziellen Jahr nochmals deutlich mehr Menschen entschieden haben, Outdooraktivitäten jeder Art auszuführen. Phasenweise wurde der Wald regelrecht überschwemmt. Viele kennen keine Grenzen mehr: Sie befahren verbotenerweise Waldstrassen und stören – meist unbewusst – Wildtiere am Tag und vermehrt auch in der Nacht. Hier braucht es in Zukunft verstärkte Sensibilisierung und Aufklärung. Die Tiere brauchen besonders auch nachts ihre Ruhe. Sonst werden wohl Einschränkungen und Verbote in Betracht gezogen werden müssen.

Dann sind die Menschen die grösste Gefahr, die dem Wald drohen? Der Mensch beeinflusst nebst dem Klima auch das Verhalten der Wildtiere. Permanente Störungen führen zu viel Energieverbrauch, was wiederum mit Fressen kompensiert werden muss. Die ohnehin seit Jahrzehnten vielerorts zu hohen Wildbestände verhindern somit das Aufkommen der wichtigen Waldverjüngung. Viele Baum- und Straucharten, die für den Schutzwald, aber auch für die Biodiversität wichtig sind, können nicht mehr natürlich aufwachsen. Und sie über Jahrzehnte zu schützen, ist zu teuer und kaum möglich. Hier kann in erster Linie nur eine deutliche Bestandesreduktion der Hirsche und Rehe helfen. Ebenfalls förderlich ist, wenn in sensiblen Gebieten Störungen deutlich verringert werden können.

Führt auch die Flora zu Beeinträchtigungen des Waldes? Nicht vergessen werden sollte das stetig zunehmende Problem der Neophyten: Täglich reissen Waldarbeiter und Förster Amerikanische Goldruten und Sommerflieder aus, die sie zufällig entdecken. Haben sich solche invasive Neophyten einmal etabliert, vermehren sie sich derart, dass sie heimische Arten völlig verdrängen. Der Riesenbärenklau führt zudem bei Hautkontakt zu Verbrennungen. Es wäre wichtig, dass diese Pflanzen konsequent entfernt werden und gar nicht mehr in den Verkauf gelangen. Hat sich der Borkenkäfer in diesem Sommer stark ausgebreitet?

Eine nasskalte Wetterperiode im Frühling hat die Vermehrung des Buchdruckers (Borkenkäfer, Ips typographus) zwar etwas verzögert. Dann aber profitierte er wiederum von schönem, warmem Wetter. Die Schäden, die der Borkenkäfer angerichtet hat, sind beträchtlich aber nicht katastrophal. Als Folge haben die Waldeigentümer mit tiefen Holzpreisen zu kämpfen. Oft werden die gefällten Stämme als Totholz für die Biodiversität und die Baumverjüngung im Wald belassen.

Wie viele Bäume mussten wegen Käferbefalls gefällt werden?

Alleine in unserem mittleren Kantonsteil wurden bisher rund 12'000 Kubikmeter Fichten wegen des Borkenkäfers gefällt. Damit könnten wohl 150 bis 200 Einfamilienhäuser gebaut werden. Diese Menge entspricht etwa einem Viertel der normalen jährlichen Holznutzung. Es ist also wichtig, beim Bauen und Heizen Schwyzer Holz zu berücksichtigen.

Wie sind Sie bei den Fällarbeiten vorgegangen?

Befallene Fichten werden von vielen Waldarbeitern und Förstern konsequent gesucht, gefällt und – solange der Käfer sich noch im Baum befindet – abtransportiert oder entrindet. Das ist sehr aufwendig und beim heutigen tiefen Holzpreis bei Weitem nicht kostendeckend. Deshalb wurden die Eigentümer von Bund und Kanton mit bisher 700'000 Franken unterstützt. Dank diesen Arbeiten sieht man den Wäldern auf den ersten Blick auch nicht viel an. Ohne Massnahmen sähe dies ganz anders aus. Für die Biodiversität gibt es je nach Ort aber durchaus auch viele Vorteile (offene Strukturen mit Licht für viele Pflanzen- und Tierarten). Leider verblieb kaum mehr Zeit, geplante Pflege- und Holzereiarbeiten zu erledigen. Diese sind aber auch weiterhin wichtig, insbesondere um die Schutzfunktion langfristig zu erhalten oder zu verbessern.

Erhalten Sie vom Amt für Wald und Natur mehr Manpower, um die anfallenden Fällaktionen in Angriff nehmen zu können? Nein. Vielmehr werden andere Arbeiten zurückgestellt. Welche Folgen hat der Klimawandel für den Wald im Forstkreis 2?

Der Wald verändert sich weiter, jedoch nicht überall gleich. Die Fichte leidet unter der trockenen, heissen Witterung. Sie wird in tieferen Lagen deutlich zurückgedrängt. Das schafft mehr Raum für Laubbäume wie Ahorn und weitere Edellaubhölzer. Die Buche wiederum mag je nach Standort auch nicht unbedingt wärmeres trockenes Wetter.

Ersetzen Sie die Fichte im Forstkreis 2 bereits mit der Douglasie, die besser gerüstet zu sein scheint für trockenere und wärmere Verhältnisse? Die Douglasie stammt aus dem Westen Nordamerikas und ist eine schnell wachsende Baumart mit guten Qualitäten. Sie wird seit dem Jahr 1827 in Europa angebaut, war jedoch vor der Eiszeit bereits in Europa heimisch. Momentan wird die Douglasie in unserer Gegend nur ausnahmsweise gepflanzt. Auch diese Baumart leidet stark unter Wildverbiss und müsste im Jugendalter 20 bis 30 Jahre aktiv geschützt werden. Gibt es Unterschiede beziehungsweise Spezialitäten bei den drei Revieren, was den Wald und die Baumarten betrifft?

Die Grenzen sind sehr fliessend. In Einsiedeln haben wir einen Tannen-Buchen-Wald, der geografisch/ geologisch eher noch zum Mittelland gehört. In Alpthal und im Ybrig treffen wir vermehrt Tannen-Fichten-Wälder der Voralpenzone an. Im Klosterwald rund um den Siedlungsraum Einsiedeln haben wir eher stationäres Rehwild. Im Ybrig und in Alpthal ist Rotwild vorherrschend, das weite Strecken zurücklegt.

Wieso hat Wildverbiss derart zugenommen in den letzten Jahren?

Unsere Wälder sind in den letzten Jahrzehnten offener, lichter und artenreicher geworden. Das wirkt sich positiv auf die Wildbestände aus: Dieses gedeiht bestens in diesem Lebensraum, was den Wildverbiss automatisch erhöht. Es ist unrealistisch, jeden einzelnen jungen Baum mit Einzäunen vor dem Wild schützen zu können. Der Schutz müsste über dreissig Jahre lang aufrecht erhalten werden: Ein enormer Aufwand!

Was ist mit den Jägern los? Treffen die nicht mehr richtig? Die treffen schon! Das beweisen sie uns auch mit der momentanen Jagd eindrücklich; gute und motivierte Jäger sind enorm wichtig für den gesamten Lebensraum. Dank einer angepassten Jagdplanung, gezielten Abschüssen in entsprechenden Altersklassen und einer vertieften Zusammenarbeit zwischen Wald und Wild im gemeinsamen Amt für Wald und Natur dürfen wir optimistisch in die Zukunft blicken. Begrüssen Sie als Förster das Aufkommen des Wolfes, weil es dank dieses Raubtiers zu weniger Wildverbiss in den Wäldern kommt? Wölfe fressen Wild, was einerseits automatisch eine Reduktion des Wildbestandes bedeutet. Allerdings ist es illusorisch anzunehmen, dass dank drei oder vier Wölfen der Wildverbiss entscheidend zurückgehen würde. Da müssten schon ganze Wolfsrudel Arbeit leisten. Und wenn ein ganzes Rudel da ist, gibt es wiederum Probleme für die Landwirtschaft. Ich bin gespalten in der Wolfsfrage: Einerseits ist der Wolf ein einheimisches Tier, das viel zur Artenvielfalt beiträgt. Andererseits sehe ich die Probleme, die auch Herdenschutzhunde mit sich bringen: Diese Hunde beängstigen und und gefährden mitunter Wanderer, die auf den Weiden unterwegs sind. War es Ihr Bubentraum, Kreisförster zu werden? Eigentlich bin ich da ganz natürlich in dieses Metier hineingewachsen bin: Mein Vater war bereits Kreisförster in derselben Gegend. Und im erweiterten Familienkreis hat es weitere «Hölzige». Unsere Familie ist von Grund auf mit dem Waldwesen verbunden. So bin ich nah mit dem Wald aufgewachsen, habe mich immer sehr wohl gefühlt im Wald und finde auch heute noch Zeit, in ihm Erholung zu finden und Sport zu treiben. In diesem Sinne bedeutet mir der Wald sehr viel. Förster im Forstkreis 2 sein zu dürfen, ist wunderbar: Denn dieser Kreis ist der schönste von allen (lacht).

Im Wald drohen aber auch Gefahren: Sind Sie bereits einmal von Zeckenstichen heimgesucht worden?

Oh ja, das kommt hin und wieder vor. Es kommt womöglich auf das Blut drauf an: Die Zecken haben ihre Vorlieben und beissen unterschiedlich zu. Gegen FSME kann man sich impfen, gegen Borreliose ist kein Kraut gewachsen. Auch bei den Zecken zeigt sich der Klimawandel eindrücklich: In früheren Zeiten gab es auf einer Höhenlage von Einsiedeln keine Zecken, weil es denen damals auf tausend Meter über Meer zu kalt war.

«Phasenweise wurde der Wald regelrecht überschwemmt. Viele kennen keine Grenzen mehr.» «Es wurden bisher rund 12’000 Kubikmeter Fichten wegen des Borkenkäfers gefällt.» «Es ist wichtig, beim Bauen und Heizen Schwyzer Holz zu berücksichtigen.» «Wölfe fressen Wild, was automatisch eine Reduktion des Wildbestandes bedeutet.» «Ich bin nah mit dem Wald aufgewachsen und habe mich immer sehr wohl gefühlt im Wald.»

Waldbiodiversität im Fokus: Der Kreisförster Beat Fuchs zeigt auf eine Hecke mit verschiedenen Straucharten hin. In der Region Einsiedeln gibt es zahlreiche artenreiche Waldränder.

Foto: zvg

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