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Keine Sachbeweise – das Gericht spricht eine «schlagende» Mutter frei

Das Bezirksgericht Höfe sprach eine Mutter frei, die ihre zwei Kinder mehrfach geschlagen haben soll. Dabei spielen auch juristische Feinheiten und die familiäre Situation eine wesentliche Rolle.

ANDREAS KNOBEL

Die Erziehungsmethoden haben sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert. Die Kinder körperlich zu züchtigen ist heute nicht nur verpönt, sondern schlicht verboten. Zwar gibt es ein sogenanntes Züchtigungsrecht, das den Eltern erlaubt, den Nachwuchs zumindest masszuregeln. Doch Ohrfeigen, an den Haaren ziehen, schlagen oder gar prügeln – wie es früher gang und gäbe war – liegt nicht mehr drin.

Wie weit gingen die Bestrafungen?

Dies bekam eine Mutter aus den Höfen zu spüren, die vor dem Bezirksgericht Höfe stand. Sie soll ihre damals drei- und fünfjährigen Kinder zur Strafe kalt abgeduscht, an den Schläfenhaaren gezogen, mit der flachen Hand auf den Hinterkopf und auf die Hand sowie mit dem Teppichklopfer geschlagen haben.

Sichtbare Spuren hat dies zwar nicht hinterlassen, dennoch musste sie sich wegen «mehrfachen wiederholten Tätlichkeiten » verantworten und sollte dafür gemäss Staatsanwaltschaft Höfe Einsiedeln eine Busse von 1500 Franken kassieren.

Bei der Einvernahme versicherte die Mutter – die mit einem Anwalt erschien –, dass sie dies alles nicht getan habe. Sie wolle ihre Kinder doch schützen und nicht schlagen. Klar sei sie manchmal wütend und laut geworden, aber Gewalt habe sie nie angewendet.

Auf der Gegenseite standen als Zeugen der damalige Partner, der der Vater der Kinder ist, dessen Mutter sowie eine gemeinsame Freundin. Sie alle schilderten die Vorkommnisse mehr oder weniger identisch. Sie dramatisierten zwar nicht, machten aber auf die deutliche Überforderung der Mutter – «es war kaum auszuhalten» – aufmerksam.

Klage bloss eine Retourkutsche?

Da stellt sich die Frage, warum diese offensichtlich nicht schweren Verfehlungen überhaupt bis ans Gericht getragen wurden. Dabei wurde im Laufe der Verhandlung klar, dass eine zerrüttete Situation dahinter steckt. Die Partnerin und Mutter sei nämlich «abgehauen», wie es ihr Ex ausdrückt.

Heute lebt sie in der Innerschweiz, die Kinder sind alle zwei Wochen beim Vater in den Höfen. Pikant bei der zeitlichen Abfolge ist, dass der Vater die Mutter wegen der Tätlichkeiten anklagte, nachdem er gerade mal zwei Tage zuvor selber von ihr wegen häuslicher Gewalt verklagt wurde. Dieser Fall wird dann Ende Monat verhandelt.

Die Aufgabe der Einzelrichterin war es nun, herauszufinden, was an den geäusserten Vorwürfen wirklich dran ist – denn nur dies stand zur Debatte. Der Anwalt der Angeklagten wies in seinem Plädoyer aber unmissverständlich darauf hin, dass es sich hier um ein «Wie du mir, so ich dir» handle, also eine klassische «Retourkutsche».

Nicht wiederholt und systematisch An der anschliessenden Urteilsverkündung würdigte dies die Einzelrichterin zwar nicht, sie wies aber auf andere menschliche und juristische Feinheiten hin.

So sei der Partner/Vater als Zeuge wenig glaubwürdig gewesen, seine Mutter und die Kollegin hingegen schon. In deren Aussagen sei jedoch zum Ausdruck gekommen, dass es sich nicht um wiederholtes und systematisches Vorgehen gehandelt habe, und die Szene mit dem Teppichklopfer lasse sich überhaupt nicht nachvollziehen.

Wären es schwere Misshandlungen gewesen, so die Richterin, hätten diese von Amtes wegen verfolgt werden müssen. Ein Strafantrag allerdings müsse drei Monate nach den Vorfällen eingehen, was hier zu spät der Fall gewesen sei.

Die Mutter wird deshalb freigesprochen, zumal es keine Sachbeweise wie Spuren oder Arztberichte gibt. Sie erhält knapp 5200 Franken Entschädigung, die Kosten trägt der Staat. Natürlich kann das Urteil vom Kläger und vom Staatsanwalt weitergezogen werden – die unschöne Familiengeschichte wird allerdings so oder so noch kein Ende finden.

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