Veröffentlicht am

Wespeninvasion im Klosterdorf

Wespeninvasion im Klosterdorf Wespeninvasion im Klosterdorf

Jetzt haben Imker Hochsaison – in diesm Sommer sind die gefrässigen Tierchen besonders häufig und aggressiv unterwegs

Achtung, Wespen! Die kleinen Stechbiester mögen das Gleiche wie wir: Bier, Grillfleisch und süsse Desserts. Dieses Jahr sind besonders viele unterwegs – wegen des warmen Wetters Anfang April. Die Einsätze von Imkern, die Wespennester entfernen, haben sich im Klosterdorf vervierfacht, im Ybrig verdoppelt.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Es geschah im Zug von Arth-Goldau nach Biberbrugg: Eine Wespe stach zu – ausgerechnet eine Frau mit einer Wespenstichallergie war das Opfer. Nun war guter Rat teuer, denn die Symptome setzen wenige Sekunden bis Minuten nach dem Stich ein. Die Passagierin erlitt die typischen Symptome, die sich nach einem Wespenstich bei Allergikern einstellen: Atemnot, Kreislaufkollaps bis zur Bewusstlosigkeit.

Das ist ein Notfall! Der Rettungsdienst des Ameos Spitals Einsiedeln war schnell an Ort und Stelle beim Bahnhof Rothenthurm. Mit dabei an diesem Einsatz im Ambulanzwagen war Patrick Krauer, Leiter des Rettungsdienstes im Ameos Spital Einsiedeln: «Einen Wespenstich bei Allergikern nehmen wir nicht auf die leichte Schulter. Im schlimmsten Fall kann er den Tod bedeuten.» Notfallset immer dabei haben

Bei einem anaphylaktischen Schock müsse dem Patienten sofort Adrenalin verabreicht werden, um ihn zu retten, schildert Krauer: «Das Problem ist, dass viele gar nicht wissen, dass sie gegen Wespen oder Bienengift allergisch sind.» Denn eine Allergie gegen das Gift könne auch erst im Laufe des Lebens auftreten oder sich mit jedem Stich verstärken.

«Allergiker sollten immer ein Notfallset dabeihaben, um bei einem Stich mit Antihistamin und Adrenalin einen allergischen Schock sofort verhindern zu können », führt Krauer aus: Das Notfallset enthält einen Autoinjektor mit Adrenalin, den sich die Betroffenen selbst verabreichen können, um etwa eine drohende Erstickung zu verhindern.

In Rothenthurm ist alles gut gegangen: «Die Patientin konnte gerettet werden, weil sie Adrenlin, Tafenyl und Cortison erhalten hat», konstatiert Krauer: «Wichtig ist, dass der Rettungswagen rechtzeitig am Ort ist.» In abgelegenen Gegenden empfehle es sich, die Rega zu alarmieren, weil der Helikopter naturgemäss schneller am Ort ist als ein Auto.

Nicht weniger gefährlich sei die Situation, wenn eine Wespe verschluckt werde: «Bei einem Stich im Innenraum des Mundes können Rachen und Zunge sekundenschnell anschwellen, was zur Atemnot führen und tödlich enden kann», sagt Krauer: Auch in diesem Fall muss der Rettungsdienst möglichst schnell am Unglücksort eintreffen. Zahl an Allergien nimmt zu

Krauer beobachtet, dass generell immer mehr Leute unter Allergien leiden. Hierbei stehen vor allem Pollen-, Atemwegs- und Nahrungsmittelallergien im Fokus. «Das hat gesellschaftliche Gründe: Unser Abwehrsystem wird heute kaum mehr durch Parasiten und Bakterien herausgefordert. Dies fördert die Entwicklung von Allergien», erklärt der Leiter des Rettungsdienstes.

Wespen hinterlassen keinen Stachel: «Daher reicht es, den Stich zu kühlen und ein Antihistaminikum aufzutragen, das den Juckreiz lindert», erläutert Krauer. Bei Insektenstichen sollte an der Einstichstelle auf keinen Fall gekratzt werden, denn dadurch könnten Krankheitserreger in die Haut gelangen und eine Entzündung hervorrufen.

Kommt es zu einem Insektenstich, schwillt die Haut oftmals an, juckt und brennt. «Hier kann ein kühlendes Gel wie Fenistil- Gel schnelle Linderung verschaffen », weiss Krauer.

Was rät der Leiter des Rettungsdienstes des Ameos Spitals Einsiedeln, wie man sich die Wespen vom Leibe halten und die Insekten davon abhalten kann, sich gleichsam am Esstisch draussen im Garten zu bedienen? Es nütze viel, wenn man viele Zitronenstücke in ein Glas oder einen Joghurtbecher fülle, diesen dann mit Wasser auffülle, ein Teelicht obendrauf lege und danach zwischen das Teelicht und den Glasrand Rosmarinzweige stecke, rät Krauer. Plage in Gartenwirtschaften

Josef Kälin ist Präsident des Imkervereins Einsiedeln und für die Region Ybrig zuständig, wenn in dieser Wespennester entfernt werden müssen: «Die Wesen sind heuer sehr invasiv und überaus aggressiv. Sie schwirren nicht nur um Gartenwirtschaften herum, dass Gott erbarm, sondern fliegen auch in Häuser und Wohnungen hinein, was sonst in anderen Jahren kaum der Fall ist.» Kälin weiss, wieso einem im Sommer 2020 die Wespen derart aggressiv um den Kopf fliegen: «Es fehlt an Nektar. Das ist naturgemäss auch für die Bienen ein grosses Problem. Deswegen sind heuer auch Bienen ausserordentlich aggressiv.» Der Grund für die Nektarknappheit liege im sehr frühen Beginn des Frühlings und im Umstand, dass just jetzt alle Wiesen gemäht worden seien. Kälin rechnet mit einer Beruhigung der Lage, wenn es auf den September zugeht: «Denn dann blühen die Herbstblumen.» Der Präsident rechnet mit bis zu zwölf Einsätzen in diesem Jahr, in denen der Imker Wespennester zu entfernen hat. Das bedeutet eine Verdoppelung der Einsätze im Vergleich zum Vorjahr: 2019 musste Kälin sechs Mal ausrücken.

«Wespen sind Nützlinge» Der Imker versucht in der Regel, die Nester umzusiedeln: «Wespen sind geschützt und Nützlinge, keine Schädlinge. Deswegen vernichten wir die Nester nur dann, wenn es die Lage des Nests an einem Haus nicht anders zulässt.»

Dass heuer die Insekten besonders aggressiv auftreten würden, komme auch dadurch zum Ausdruck, dass viele Wespenstiche zu beobachten seien. «Ein Wespenstich ist weiss Gott an sich kein Weltuntergang.

Gefährlich wird es nur dann, wenn Atemnot und eine Schwellung auftreten», konstatiert Kälin: Dann müsse sofort die Ambulanz gerufen werden, weil es sich in diesem Fall um eine Wespenstichallergie handeln könne.

Kälin rät, eine Zitrone in der Mitte durchzuschneiden, um sich auf diese Weise die Wespen vom Leib halten zu können. Für einen Einsatz erhält Josef Kälin hundert Franken. Wer einen Kammerjäger zu Diensten ruft, um einem Wespennest den Garaus zu machen, muss bedeutend tiefer in die Taschen greifen. Feuerwehr vermittelt Imker

«Sicherlich ist es niemandem entgangen, dass wir dieses Jahr viele Insekten haben», sagt Andreas Senn, Imker im Klosterdorf: Es habe viele Fliegen, Hummeln und natürlich Wespen.

«Ganz klar ist der milde Winter und der schöne Frühling mit gutem Futterangebot die logische Ursache für diese Population », erklärt Senn: Doch hätten auch die Wespen ihren Platz in der Biodiversität. «Wir hacken in der Landwirtschaft alles zusammen, was kriecht und fliegt», konstatiert der Imker: «Sind wir doch froh, wenn die Wespen angefaulte Früchte vernichten und als Fischfutter enden.» Die Feuerwehr Einsiedeln vermittelt auf ihrer Homepage regionale Imker, um störende Wespennester kostenpflichtig zu entfernen. «Wir Imker werden dabei nicht selten auch mit einem Stich belohnt», schildert Senn: «Da wir aber beim Arbeiten mit den Bienen regelmässig unsere Stiche kassieren, sind wir im Vorteil.» Oft würden aber auch Hummelnester oder Wildbienen als Störenfriede gemeldet, welche die Imker sehr gerne an Ort und Stelle belassen, führt Senn aus: «Sicherlich sind wir heuer vier bis fünf Mal mehr unterwegs als in anderen Jahren.» Der Einsatz mit handelsüblichem Insektizid solle in jedem Fall vorsichtig dosiert und körpergeschützt durchgeführt werden, moniert Senn: Auch das Hantieren auf der Leiter und am Dach sei oft nicht ungefährlich.

«Das Problem ist, dass viele gar nicht wissen, dass sie gegen Wespen allergisch sind.»

Patrick Krauer, Leiter des Rettungsdienstes

«Die Wespen sind in diesem Jahr sehr aggressiv. Es fehlt den Insekten an Nektar.»

Josef Kälin, Imker im Ybrig

«Sicherlich sind wir heuer vier bis fünf Mal mehr unterwegs als in anderen Jahren.»

Andreas Senn, Imker im Klosterdorf

Neben der Gemeinen und der Deutschen Wespe ist heuer auch die Feldwespe in der Region anzutreffen. Foto: Lukas Schumacher

Josef Kälin ist Präsident des Imkervereins Einsiedeln und wird gerufen, wenn im Ybrig ein Wespennest entfernt werden muss.

Foto: Konrad Schuler

Patrick Krauer, Leiter des Rettungsdienstes im Ameos Spital Einsiedeln, im Einsatz. Foto: Magnus Leibundgut

Share
LATEST NEWS