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Der Feusisgarten in Feusisberg und seine berühmten Gäste

Der Feusisgarten in Feusisberg  und seine berühmten Gäste Der Feusisgarten in Feusisberg  und seine berühmten Gäste

Der Feusisgarten blickt hoch oben am Waldrand in die Weite – und das seit bald 200 Jahren. Ein Rückblick auf bekannte Gäste, die im ehemaligen Kurhaus in Feusisberg verweilten.

CLARA LUISA DEMAR*

Der Feusisgarten liegt über dem Zürichsee, hoch über der Insel Ufnau, dem Grab des Ulrich von Hutten. In der Nacht kann man sein Leuchten weithin sehen. Immer war es die Aufgabe des Feusisgartens, Menschen zu helfen, in Krankheit, in Trauer, in menschlicher Not.

Luft- und Molkenkurort Pfarrer Joseph Franz Kümi von Wollerau besuchte bereits 1784 das damals nur über schlechte Wege erreichbare Bauerndorf Feusisberg und äusserte sich begeistert zur guten Aussicht. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erhielt Feusisberg dann eine bessere Strassenverbindung und entwickelte sich schnell zu einem beliebten Luft- und Molkenkurort. Und der Feusisgarten war eines der Kurhäuser. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Feusisgarten ein Erholungsheim für gesundheitlich Angegriffene und Erholungsbedürftige.

Komponist, Lehrer und Maler Artur Beul (1915 bis 2010) hat den Blick von der Terrasse des Feusisgartens gemalt. Er mag wohl oft dort gesessen haben und über das weite Land geschaut haben.

Kuraufenthalt für deutsche Künstler

Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen auch die deutschen Dichter Oda Schaefer und Horst Lange zum Erholungsurlaub in die Schweiz. Sie kamen erschöpft und ausgehöhlt. Horst Lange war schwer kriegsversehrt. Er hatte sein linkes Auge verloren und zudem eine Hirnverletzung.

Max Frisch war beauftragt worden, für die beiden Dichter einen Ort zu finden, wo sie ungestört arbeiten konnten. Frisch fand den Feusisgarten. Oda Schaefer hat den Aufenthalt im Feusisgarten, der acht Monate dauerte, im zweiten Teil ihrer Autobiografie «Die leuchtenden Feste über der Trauer» beschrieben.

Eines Tages fuhren Oda Schaefer und Max Frisch mit dem Zug den See hinauf. Sie stiegen an der sanften Anhöhe des Etzels empor. Frisch voran, im Pfadfinderschritt, sodass Schaefer kaum folgen konnte. Plötzlich wies Frisch mit der Hand auf die gut getarnten Kriegsbunker im Wald und sagte: «Für jeden von diesen Bunkern hätte sich eine Schweizer Familie ein Häuschen bauen können.» Dann stiefelte er weiter, Oda Schaefer ratlos und verletzt hinterher.

Im Feusisgarten mietete sie sofort zwei Mansardenzimmer, für sich und für Horst Lange. Der Pensionspreis betrug 7 Franken pro Tag. Oda Schaefer schreibt: «… dann liefen wir über die Wiesen bergab, deren reiche Flora mich entzückte. Ich liebte dieses Stück Land vom ersten Augenblick an, es war von üppiger Fruchtbarkeit und zarter Lieblichkeit. Max Frisch setzte zuletzt in grossen Sprüngen über Blumen und Gras, ohne sich nach mir umzusehen. Hatte ich etwas falsch gemacht? … Müde fuhren wir nach Zürich zurück … und ich dankte Frisch, dass er uns geholfen hatte.» Sie schreibt weiter: «Horsts Zimmer lag neben dem meinen, von ihm aus konnte man über den See bis hin nach Zürich sehen. Nachts war der Anblick der Lichterkette am anderen Ufer von besonders grossem Zauber, alles schien zu schweben wie eine funkelnde Illusion. Doch die Tage waren hart und voller Sorgen. Wir lebten still dahin, arbeiteten und durften die Schreibmaschine des Kurhauses benutzen (die Langes hatten ihre Schreibmaschine in Konstanz, an der Schweizer Grenze, zurücklassen müssen. Sie hatten in der Schweiz Arbeitsverbot). Diesen Menschen, den Besitzern, hatten wir zu danken.» Die Langes hatten freundlichen Kontakt mit den anderen Gästen im Feusisgarten. Man schenkte ihnen sogar Stoffreste, aus denen sie sich Kleidungsstücke machen konnten. Damals war es nicht selbstverständlich, dass man zu Stoff kommen konnte. Auch Nähnadeln, mit denen man sich hätte ein Kleid nähen können, waren in Deutschland praktisch nicht aufzutreiben.

«Verlöschende Feuer» Und Horst Lange sollte dort an seinem neuen Roman «Verlöschende Feuer» arbeiten, der von den letzten Kriegsjahren in Berlin handelt. Die Feder stockte, als Horst die Bombenangriffe hätte beschreiben sollen. Horst mag sich, umgeben vom Frieden des oberen Zürichsees, gefühlt haben wie auf einem fremden Planeten. Der Feusisgarten beschützte den geschlagenen und zutiefst verletzten Dichter. Was Horst schliesslich schrieb, ist heute von grösster Bedeutung. Es kann uns ein Stück weit miterleben lassen, was auf diesem Planeten möglich sein kann.

Die Langes kehrten 1948 nach Deutschland zurück und gerieten in die Währungsreform. Mit 40 Mark begannen sie von Neuem den «Kampf ums Dasein ».

* Die Zürcher Künstlerin Clara Luisa Demar war mit Oda Schaefer und Horst Lange befreundet. Im Januar 2021 ist eine Lesung mit Musik mit der Künstlerin im Feusisgarten geplant.

Postkarte von der Kur im Feusisgarten. Oda Schaefer und Horst Lange (kleine Bilder) erholten sich hoch über dem Zürichsee vom Krieg. Fotos: zvg

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