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SCHWIMMRING UND FLÜGELI

SZKB Standpunkt

Die Aufarbeitung der Corona-Krise wird dereinst auf verschiedenen Ebenen erfolgen. Man wird etwa beurteilen wollen, ob die getroffenen Massnahmen zur Eindämmung der Virusausbreitung angemessen waren. War es richtig, das öffentliche Leben staatlich verordnet weitgehend stillzulegen, oder war der liberalere, auf Eigenverantwortung basierende schwedische Weg der bessere? Hätte man mehr testen und die Grenzen früher schliessen müssen? Wäre eine Schutzmaskenpflicht zweckmässig gewesen?

Eine weitere Frage wird sich mit dem wirtschaftlichen Schaden auseinandersetzen müssen bzw. den eingesetzten Mitteln, um diesen zu reparieren oder zu mindern. Hat man zu wenig getan oder zu viel? Versuchen wir, das aus heutiger Sicht einzuordnen. Zunächst der Schaden: Gemäss Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) dürfte die globale Wertschöpfung (BIP) in diesem Jahr um 3 Prozent schrumpfen. Anfang Jahr hatte der IWF noch mit einem Wachstum von über 3 Prozent gerechnet. In absoluten Zahlen beläuft sich die Differenz zwischen den beiden Schätzungen auf rund USD 5500 Milliarden. Trotz kräftiger Erholung werden im kommenden Jahr nicht die ganzen Einbussen wettgemacht. Kumuliert könnte 2020 und 2021 ein BIP-Verlust von USD 9000 – 10 000 Milliarden entstehen.

Was stellt die Politik dem entgegen? Wie umfangreich sind die Massnahmen der Notenbanken? Auf wie viel belaufen sich die von den Regierungen gesprochenen Kredite, Bürgschaften, Subventionen, … auf internationaler, nationaler und regionaler Ebene? Ein Ökonom der Columbia University hat auf Basis des «Policy Tracker COVID-19» des IWF Berechnungen zur Wirkung all dieser Massnahmen angestellt. Die Ergebnisse sind bemerkenswert. Allein die nach der Wirtschaftsleistung 15 grössten Länder – sie repräsentieren drei Viertel des globalen BIP – haben gemäss diesen Berechnungen Stimuli von mehr als USD 10 000 Milliarden initiiert. Das ist mehr als das jährliche BIP von Japan und Deutschland zusammen. Und mehr als der geschätzte BIP-Verlust in diesem und im nächsten Jahr. Diese Berechnungen sind nicht genau und somit angreifbar. Und über die Notwendigkeit von Paketen dieser Dimension sowie über deren Effizienz und Effektivität ist damit auch nichts gesagt. Was sich aber auf jeden Fall sagen lässt: Was Regierungen und Notenbanken der Corona-Krise entgegenstellen, ist enorm. Von zu wenig kann vermutlich nicht die Rede sein. Vor drei Monaten wurden an dieser Stelle von der Politik rasche Massnahmen gefordert. Zumindest quantitativ hat sie geliefert. Sie wirft dem Ertrinkenden nicht nur einen Schwimmring zu, sondern gleich auch noch Flügeli.

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