«Ich bin als junger Mönch zur Insel Ufnau geschwommen»
Ab Montag fährt die Schifffahrtsgesellschaft wieder zur Insel Ufnau. Abt Urban Federer steht Red und Antwort zur Insel, die im Besitz des Klosters Einsiedeln ist und die mit kulturellen und künstlerischen Akzenten bereichert werden soll.
MAGNUS LEIBUNDGUT
Wie fällt Ihre Bilanz der Sanierungsarbeiten auf der Insel Ufnau aus?
Eine Bilanz hat für mich etwas Abschliessendes. Die Sanierungsarbeiten müssen sich hingegen weiter bewähren, was nun von der Corona-Krise unterbrochen wird. Die ersten beiden Sommer weisen jedoch auf eine grosse Akzeptanz bei den Menschen hin, welche die Insel aufsuchen. Seit zwei Jahren ist die Insel für die Öffentlichkeit wieder zugänglich: Was hat sich aus Sicht des Klosters Einsiedeln für die Besucher der Insel und für das Kloster selbst seither geändert? Die Insel ist wieder mehr ins Bewusstsein einer breiteren Bevölkerung gerückt. Es ist ja auch phantastisch: Vor den Türen stark verbauter Seeufer gibt es dieses Kleinod, ein Ort, wo Gastfreundschaft inmitten intakter Natur und eingebettet in eine Sakrallandschaft erfahren werden kann. Als Kloster fühlen wir uns weiterhin privilegiert, diese Insel für die Öffentlichkeit offen zu halten. Die Besucherzahlen seit zwei Jahren zeigen, dass die Menschen in der Region dies ausserordentlich schätzen.
Ist die Ufnau eine Insel der Stille geblieben – trotz des Touristenrummels?
Wenn Sie «Stille» als Zustand auffassen, da kommt es auf den Ort an, an dem Sie sich auf der Insel befinden: Von den beiden Stegen her kommen oft viele Menschen, und im Restaurant kann es hektisch und laut werden. Auf den anderen Wegen der Insel ist es hingegen still. Wer hingegen die Stille zum Ziel hat, wird von der Insel geführt, durch die Weinberge zu den beiden Sakralbauten und weiter in die Natur hinein. Nur schon das Ankommen auf der Insel wirkt entschleunigend. Wer es dann noch unternimmt, sie in ihrer ganzen Schönheit zu entdecken, wird in die Stille geführt. Diese Stille wollen wir künftig auch aktiv gestalten.
Was heisst das?
Es ist seit Längerem ein Anliegen, dass wir die Ufnau kulturell aufwerten. Seit Längerem tragen wir uns mit dem Gedanken, die Insel mit kulturellen und künstlerischen Akzenten zu bereichern. Für das zweite Halbjahr ist eine Skulpturenausstellung geplant – wir werden dazu hoffentlich schon bald mehr sagen können. Welche Erinnerungen an die Insel haben Sie selbst? Welche Erfahrungen und Erlebnisse haben Sie selbst gemacht auf und mit dieser Insel? Ich hatte als junger Mönch die Insel in ihrer ganzen Breite entdecken können, indem ich zuerst zu ihr geschwommen bin, mit den Mitbrüdern dort Gottesdienst gefeiert habe und dann noch im Restaurant eingekehrt bin. Spüren Sie selbst eine Ausstrahlung der Insel in spiritueller Hinsicht? Wer einmal wie ich in diesen romanischen Kirchen Gottesdienst feiern konnte und danach in die Natur hinaustritt, welche diese beiden Gotteshäuser umgibt, kann dies nur bestätigen. Spiritualität verbindet sich bei mir darüber hinaus auch mit dem Körperlichen: Im Restaurant den Wein zu trinken, der vor den eignen Augen wächst, gehört für mich ebenfalls zur Gottesbegegnung auf dieser Insel.
Bereits die Römer bauten im Jahr 200 einen Tempel. Eine erste Kirche wurde im Jahr 500 an der Stelle der heutigen Kapelle St. Martin errichtet. Lag das allein an der Lage der Insel oder ist vielmehr der Insel von Grund eine Spiritualität eigen? Sicher hat die Insel schon immer Menschen fasziniert und be-geistert – also geistig versorgt. Doch auch geografisch liegt die Insel so, dass sie zum kirchlichen Zentrum für die ganze Gegend wurde.
Adalrich, der grosse Heilige der Insel, starb um 973 auf der Insel. Seine Reliquien lagen bis 1712 in einem Schrein in St. Peter. Hat das Kloster jemals daran gedacht, die Reliquien wieder von Einsiedeln zurück auf die Insel zu bringen? Die Insel wurde in verschiedenen Krisenzeiten immer wieder geplündert. Darum liegen die Gebeine des heiligen Adalrich heute in der Abtskapelle unseres Klosters. Wichtiger als seine Reliquien ist die Bewahrung dessen, was der Heilige auf der Insel gesucht hat: die Möglichkeit, dort zu sich selbst und damit zu Gott zu finden. Welche Wunder hat Adalrich auf der Insel vollbracht? Für mich ist es immer wieder ein Wunder, wenn ein Mensch lernt, sein Leben zu akzeptieren und in Freiheit zu lieben. So gefällt mir ein Spruch auf einer Grabplatte auf der Insel, die von einem Mönch, der dort lebte, in einem Wortspiel sagt, dieser habe sich ausgezeichnet durch amore, more, ore, re (durch Liebe, durch gutes Benehmen,durch das Wort und durch die Tatsache). Hoffentlich gibt es dieses Wunder immer wieder: ein Leben in Liebe, das sich in Wort und Tat zeigt. Im Jahr 965 schenkte Kaiser Otto die Insel dem Kloster Einsiedeln: Ist diese Schenkung in der Geschichte des Klosters Einsiedeln beispiellos? Derselbe Kaiser schenkte uns auch die Insel Werd im Thurgau bei Stein am Rhein. Diese Inseln wurden wohl nie überbaut, weil sie das Kloster von Anfang an für die Menschen offen gehalten und damit zugänglich gemacht hat.
Kam für das Kloster jemals in Frage, die Insel wieder zu verkaufen und wäre dies juristisch überhaupt möglich? Viele Menschen, aber auch der Bund, Kantone, Gemeinden und viele Institutionen haben uns in unserer Sorge um die Insel finanziell unterstützt. Es ist darum nicht der Moment, an einen Verkauf zu denken, sondern die Insel weiterhin für die Öffentlichkeit attraktiv zu behalten.
Kommen in Zusammenhang mit der Insel Ufnau weitere Sanierungsmassnahmen auf das Kloster zu? Das 15-jährige Sanierungsprojekt, bei dem die lokale Projektgruppe federführend war und der Verein «Freunde der Insel Ufnau» uns finanziell unterstützte, ist abgeschlossen – es umfasste die Sakralbauten, die Uferwege, Renaturierungsmassnahmen, und schliesslich die Gesamterneuerung des «Gasthaus zu den zwei Raben». Jetzt geht es um laufende Pflege und Unterhalt. Zurzeit wird das Dach der Kirche ausgebessert, und regelmässig kommen Freiwilligengruppen, die bei der Naturpflege mithelfen.
«Einer breiteren Bevölkerung ist die Insel wieder mehr ins Bewusstsein gerückt.» «Im Restaurant kann es hektisch und laut werden. Auf den anderen Wegen der Insel ist es hingegen still.» «Den Wein zu trinken, der vor den eignen Augen wächst, gehört zur Gottesbegegnung auf dieser Insel.»
Vor den Türen stark verbauter Seeufer gibt es dieses Kleinod, ein Ort, wo Gastfreundschaft inmitten intakter Natur und eingebettet in eine Sakrallandschaft erfahren werden kann. Bereits die Römer bauten im Jahr 200 einen Tempel auf der Insel Ufnau. Eine erste Kirche wurde im Jahr 500 an der Stelle der heutigen Kapelle St. Martin errichtet.
Foto: Boris Baldinger, 2020