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«Diese Zeit ist nicht nur Krise, sondern auch eine Chance»

«Diese Zeit ist nicht nur Krise, sondern auch eine Chance» «Diese Zeit ist nicht nur Krise, sondern auch eine Chance»

Die Kirchen sind verordnet leer, die Seelsorge nur eingeschränkt möglich. Wie erlebt der Einsiedler Pfarrer Basil Höfliger die Corona-Zeit?

VICTOR KÄLIN

Ostern und leere Kirchen: Das ist nicht nur für Gläubige, sondern auch für jeden Seelsorger der ultimative Alptraum … Es war wirklich sehr ungewohnt. Ich überlegte mir zuerst ernsthaft, ob man Ostern ohne Gemeinschaft und Gottesdienste feiern kann. Die Kirchen sind aber nicht geschlossen und auch nicht leer. Immer wenn ich in der Jugendkirche bin, sitzen Menschen in den Bänken. Wann waren Sie letztmals in der Jugendkirche? Vor wenigen Stunden. Oft sind es organisatorische Gründe, die mich dorthin führen. Am Ostersonntag zum Beispiel stand ein Apfelbaum vor der Kirche, an dem die Leute Gedanken und Hoffnungen zu dieser Krisenzeit festschreiben konnten.

Wenn immer möglich feiere ich jeden Abend eine heilige Messe in der Jugendkirche, vor allem für die Anliegen der Pfarreiangehörigen … Ganz alleine?

Ja. Wir dürfen nicht zusammen feiern.

Warum nicht in der Klosterkirche?

Seit drei Wochen vermeide ich den direkten Kontakt mit der Klostergemeinschaft, damit ich meine Dienste in der Pfarrei ausüben kann und keine Gefahr für meine Mitbrüder bin – und umgekehrt. Für mich als Pfarrer von Einsiedeln ist die Jugendkirche meine Kirche. Was mir aufgefallen ist: Jene Menschen, welche die Gottesdienste ansonsten regelmässig besuchen, spüre, ja sehe ich fast, auch wenn ich alleine die Messe zelebriere. Was ist in der kirchlichen Seelsorge überhaupt noch möglich?

Sehr vieles geschieht über Social Media, wo Pater Aaron stark involviert ist. Aber auch über Telefon, E-Mails und die Homepage der Pfarrei (pfarrei-einsiedeln. ch) läuft vieles. Wie sieht es aus mit Beerdigungen, Taufen oder Hochzeiten? Wo möglich, werden viele Termine verschoben; gerade Hochzeitspaare wollen auf Nummer sicher gehen. Beerdigungen finden nur noch als Beisetzungen auf dem Friedhof und im engsten Familienkreis statt.

Sind Beerdigungen ohne grössere öffentliche Anteilnahme nicht doppelt traurig? Zum Teil schon. Ungewohnt ist es auf jeden Fall. Traurig ist es, da man das Beileid nicht wie gewohnt ausdrücken kann. Man kann aber eine Verabschiedung auch im kleinsten Kreis sehr persönlich und würdig gestalten. Die Altersheime sind für Besucher geschlossen. Was bedeutet das für die Seelsorge? Wir haben teilweise telefonischen Kontakt. Pater Benedict hat allen Leuten aus seinen Vierteln einen Brief geschrieben. Und für Notfälle haben wir Seelsorger Zugang zu den Heimen – wie auch zum Spital. Seelsorge ist immer auch Nähe. Deshalb die Frage nach der Angst einer Corona-Ansteckung …

(Schüttelt den Kopf) Ich fragte mich auch schon, ob ich nicht Angst haben müsste. Aber nein, mit keinem Gedanken. Ich möchte nicht fromm klingen: Aber mein Glaube gibt mir Gelassenheit. Ich fühle mich irgendwo aufgehoben.

Welche – veränderten – Bedürfnisse der Pfarreiangehörigen nehmen Sie wahr? Die Gespräche werden länger und inhaltlich tiefer. Themen, welche jahrelang schlummerten, werden plötzlich angesprochen. Ich sehe auch Hilfsbereitschaft und Dankbarkeit. Das ist berührend. Diese Zeit ist nicht nur eine Corona-Krise, sondern auch eine Chance.

Foto: Victor Kälin

Basil Höfliger

Jahrgang: 1966 Wohnort: Einsiedeln Beruf: Pfarrer Hobbys: Lesen, Musik, Wandern

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