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«Am Tag X war es plötzlich für alle Realität»

«Am Tag X war es plötzlich für alle Realität» «Am Tag X war es plötzlich für alle Realität»

Jonas Schumacher ist pädagogischer ICT-Leiter an der Fach- und Wirtschaftsmittelschule Luzern

Als am Freitag, 13. März, bekannt wurde, dass die Schulen geschlossen werden, war das Know-how des Einsiedlers Jonas Schumacher in seiner noch jungen Karriere als Lehrer und ICT-Leiter gefragt wie noch nie.

LUKAS SCHUMACHER

«Guten Tag und willkommen zur heutigen Doppellektion Informatik », begrüsst Jonas Schumacher seine 21 Lernenden im Büro seiner Wohnung in Einsiedeln. «Grüezi» ertönt es einige Male aus seinem Notebook – manche Schüler bleiben stumm. Er teilt seinen Bildschirm mit den Schülern und erklärt ihnen ihre heutigen Aufgaben. «Bei Fragen chatten Sie mich bitte an, dann werde ich mich per Videochat bei Ihnen melden.» Gesagt, getan – die erste Frage einer Schülerin ist bereits da: «Lieber Herr Schumacher, ich habe Probleme mit dynamischen Titeln.» Er ruft sie an, bittet sie, ihren Bildschirm zu teilen und lässt sich das Problem zeigen, gemeinsam wird dann die Lösung besprochen. – Schon meldet sich der nächste Schüler … Per sofort in die Zukunft

Schule per Fernunterricht war bereits vor der Zeit des Coronavirus ein verbreitetes Thema und sollte in den kommenden Jahren einen immer grösseren Stellenwert erhalten. Der Beschluss des Bundesrates vom 13. März zur schweizweiten Schliessung aller Schulen liess dieses pädagogische Mittel von Null auf Hundert zur fast einzigen noch bestehenden Möglichkeit werden.

Jonas Schumacher aus Einsiedeln musste als ICT-Leiter der Fach- und Wirtschaftsmittelschule Luzern an einem Montagvormittag umsetzen, was auf die nächsten zwei Jahre geplant war – und dies für 130 Lehrpersonen. «Wir hatten an diesem Wochenende eine Krisensitzung mit der Schulleitung. Am Montagmorgen, 8 Uhr, informierten wir alle Lehrpersonen, wie der Unterricht ab sofort von zu Hause aus stattfinden wird», sagt der Informatiklehrer.

Die Schule war zum Glück relativ gut auf die Situation vorbereitet, da die Grundinfrastruktur für den Fernunterricht bereits vorhanden war. BYOD heisst die Zauberabkürzung, welche bei den meisten Schulen nun das Thema Nummer eins ist – «Bring Your Own Device». Das heisst, dass bereits alle Schüler der Fachmittelschule ein eigenes Notebook zum Arbeiten besassen.

Angst vor technischem Schritt verflüchtigte sich «Es gab Lehrpersonen, die diese Entwicklung lieber nicht mehr mitgemacht hätten und vorher in Pension gegangen wären», sagt Schumacher. Die anfängliche Angst sei bei den meisten jedoch verschwunden, als sie das System genauer kennenlernten. «Am Tag X war es dann für alle Realität.» Nun hiess es für Schumacher, nebst seinen Schülern auch die Lehrpersonen zu schulen. «Viele haben davor ausschliesslich mit Papier und Lehrbüchern gearbeitet.» Jonas Schumacher erstellte in den ersten Tagen zahlreiche Video-Anleitungen und Lernmaterial für die 130 Lehrpersonen.

Gearbeitet wird mit Microsoft-Teams. Dieses Programm ermöglicht die Aufgabenverteilung an Klassen, Gruppenchats und den Fernzugriff auf die Computer der Schüler, wenn Hilfe benötigt wird. Hier sehen die Schüler, welche Aufgaben anstehen. Wenn diese erledigt sind, können sie digital abgegeben und sofort vom Lehrer korrigiert und zurückgegeben werden. Beim Mathematikunterricht nutzt der Lehrer sein Notebook als Wandtafel und schreibt seine Aufgaben von Hand per Touchscreen einfach auf den Bildschirm, den alle Schüler live sehen. Power-Point-Präsentationen werden mit Audiokommentaren der Lehrperson ergänzt und an die Lernenden verteilt.

Prüfungen als Knackpunkt Der Unterricht nach Stundenplan funktioniert soweit gut an der Mittelschule in Luzern. Ein grosser Knackpunkt – schweizweit – sind jedoch die Prüfungen, insbesondere die Abschlussprüfungen. «Das ist ein Thema, das auf politischer Ebene gelöst werden muss. Dazu kann ich leider nichts sagen.» Unerwartete Aufmerksamkeit der Schüler «Die Lehrer waren nach den ersten Lektionen alle begeistert», sagt der IT-Spezialist und ergänzt, dass zuvor eine grosse Skepsis bezüglich der Aufmerksamkeit der Schüler herrschte, auch bei ihm. «Die Schüler können sich jetzt nicht mehr so schnell gegenseitig ablenken und passen deshalb besser auf», sagt Schumacher, der jedoch nicht kontrollieren könne, ob wirklich jeder aufmerksam während des Unterrichts mitmacht, was auf der Stufe Mittelschule jedoch auch nicht seine Aufgabe sei. «Wir versuchen, durch diese Situation die überfachlichen Kompetenzen wie das selbst organisierte Lernen zu fördern.» Dafür stellen wir den Lernenden ebenfalls Informationen und Lernmaterial zur Verfügung. «Das Fazit nach den ersten Wochen Fernunterricht ist positiv. Die Lehrpersonen sind zufrieden», sagt der Einsiedler, der es schätzt, noch von zu Hause aus arbeiten zu können, sich jedoch auch darauf freut, wieder persönlich vor der Klasse zu stehen.

Das nachstehende Zitat möchte Jonas Schumacher gerne mit den EA-Lesern teilen.

«Es gab Lehrpersonen, die diese Entwicklung lieber nicht mehr mitgemacht hätten und vorher in Pension gegangen wären.»

Jonas Schumacher

«Wissen hat einen einzigartigen ökonomischen Charakter. Man kann es weggeben und dabei doch behalten. Der Wert des Wissens steigt sogar, wenn man es mit anderen teilt.»

Jörg Dräger: Die digitale Bildungsrevolution

Der Einsiedler Jonas Schumacher beim Unterricht mit seiner Informatik-Klasse der Fach- und Wirtschaftsmittelschule in Luzern. Foto: Lukas Schumacher

So sieht das digitale Klassenzimmer von Jonas Schumacher in seiner Wohnung in Einsiedeln momentan aus. Foto: Jonas Schumacher

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