Veröffentlicht am

Mal ganz persönlich

Mal ganz persönlich Mal ganz persönlich

Der Coronavirus betrifft uns alle. Und doch betrifft er jeden ganz individuell. Ein Lebenszeichen.

WOLFGANG HOLZ

Ich bin seit Neuestem süchtig. Süchtig nach Gesundheit. Seit der Coronavirus alle paar Minuten neue Schreckensmeldungen über die Nachrichtenticker schickt, möchte man nur noch gesund sein. In alle Ewigkeit. Kein Ferrari mehr. Keine Luxusvilla mehr. Keine Weltreise mehr. Nirgendwohin. Nur noch gesund sein. Okay. Da ist derzeit eine Menge Hysterie in Sachen Erreger im Spiel. Panik. Angst. Oder einfach nur Vorsicht und Ungewissheit. Wenn zum Beispiel an der Bushaltestelle plötzlich alle Fahrgäste fast wie abgemessen zwei Meter voneinander entfernt auf dem Trottoir stehen, um auf den öV zu warten. Ein skurriler Anblick, der zeigt, zu welcher Disziplin Menschen plötzlich fähig sind, wenn sie sich vor etwas fürchten. Oder wenn im Zug plötzlich Fahrgäste nicht nur innerlich zusammenzucken, wenn jemand hustet, und sich jeder irgendwo in einen leeren, hoffentlich noch virusfreien Winkel im Abteil flüchtet. Andere kapern gleich einen Sitz in der wie immer fast menschenleeren ersten Klasse. Dichtestress der epidemischen Art. Oder wenn vor der Kirchentür im Kloster plötzlich aussen ein Desinfektionsmittelspender hängt, um die Hände zu desinfizieren, bevor man die Kirche betritt. Drin steht der gleiche Apparat – mit Weihwasser gefüllt. Sterilium und Aqua Sancta. In Zeiten des Coronavirus brauchts offensichtlich sowohl geweihtes Wasser als auch hochkonzentrierten Alkohol. Mensch und Gott helfen so einander im Kampf gegen die Seuche. Apropos. Nicht zuletzt bin ich gerade süchtig nach diesem reinen Alkohol. 80 Prozent stark lasse ich ihn mehrmals täglich aus dem kleinen «Flachmann» auf meine Hände tropfen, verreibe wohlig das glibberige Nass auf der Haut und inhaliere danach gierig den Virenkiller. Ein Geruch, der einem die Sinne betäubt. Der nach Erlösung duftet. Der einen am Ende aber nur stocknüchtern hinterlässt.

Weihwasserspender in der Klosterkirche. Foto: Wolfgang Holz

Share
LATEST NEWS