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Vorbild

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ZWISCHENLUEGETEN 3

ERNST FRIEDLI

Wäre ich erst 55 Jahre alt, im Sternzeichen Schütze, Zofingia-Mitglied, in der Armee zuletzt Hauptmann einer Panzerstabskompanie, seit acht Jahren vom Parlament gewählter Bundesanwalt und hätte ein vereinbartes Jahresgehalt von 300’000 Franken, würde ich nicht Ernst Friedli heissen. Und Klärli wäre Frau Lauber. Ich hätte es dann allerdings auch mit dem Vorwurf der Amtspflichtverletzung zu tun. Und mit der Feststellung, dass ich mehrfach die Unwahrheit gesagt, illoyal gehandelt und mich uneinsichtig gezeigt habe, was die Beurteilung erlaube, ich hätte ein falsches Berufsverständnis. Also hätte ich zurzeit einige unschöne Probleme. Da bleibt auch Klärli vorläufig und trotz des schönen Jahresgehalts lieber Frau Friedli und ich ihr Ernst.

Wäre da nicht das gekrönte Virus, würden unsere Schlagzeilen zu diesem Thema vermutlich noch lauter schlagen. Unser Bundesanwalt dient unserer nachwachsenden Jugend mindestens momentan nicht als positives Vorbild, und sein dokumentiertes Verhalten entspricht nicht dem, was Klärli und ich von einem Mann in seiner Position erwarten. Unabhängig vom Jahresgehalt. Wenn ihm dieses nun um 8 Prozent (also um 24’000 Franken) gekürzt wird, muss man als unbescholtener Bürger annehmen, so viel koste bei uns eine Portion Fehlverhalten und ein falsches Berufsverständnis. Die ausbezahlten 276’000 Franken vergüten dann das verbliebene richtige Berufsverständnis und sämtliche vermiedenen Fehlverhalten. Wäre Klärli Frau Lauber, würde sie mit mir vermutlich ein Ernst-es Wörtchen reden.

* Ernst Friedli, 64, seit 31 Jahren verheiratet mit Klärli, geborene Schönbächler. Nichtraucher und Sachbearbeiter im Rathaus, steht unter Amtsgeheimnis. Macht sich in der Freizeit Gedanken zur Weltlage und mag nachhaltige Vorbilder.

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