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Kunst aus dem Automaten

Kunst aus dem Automaten Kunst aus dem Automaten

BRIEF AUS DEN USA

Ein grosses Land produziert grosse Künstler. Eindrückliche, spirituell anmutigende Landschaften ergeben eindrückliche und abstrakte Kunstwerke. Und eine lebensfrohe Kultur inspiriert zu bunten, fröhlichen Kunstwerken. Georgia O’Keefe, Mark Rothko, Andy Warhol, Jackson Pollock, Michele Cassou, Roy Lichtenstein und Keith Haring haben alle etwas gemeinsam. Sie alle sind Amerikaner und verschafften sich mit ihren Werken international einen Namen in der Kunstszene.

In Amerika gibt es aber jede Menge weniger bekannte Künstler. Das will nicht heissen, dass deren Kunstwerke weniger eindrücklich, farbenfroh oder unbedeutend sind. In Amerika gibt es eine Gruppe von 400 Künstlern, welche sich aufs Miniaturformat spezialisierten und ihre Werke am Automaten anbieten.

Der erste «Art O Mat» wurde vor über 20 Jahren von einem Künstler Namens Clark Whittington aufgestellt und hatte, wie jeder zukünftige Kumpan, ein Vorleben als Zigarettenautomat. Clark verbrachte manche Stunde damit, den ersten Automaten lieblich zu restaurieren und füllte ihn dann mit in Zellophanfolie eingewickelte Fotos. Mittlerweile gibt es 160 Automaten landesweit und in jedem liegt ein vielfältiges Angebot am Malereien, Skulpturen, Schmuckstücken, Collagen und vielem mehr bereit. Jedes Werk ist entweder genauso gross wie eine Zigarettenschachtel oder passt in eine Schachtel im selben Format. Und jedes Kunstwerk ist mit nur fünf Dollar erschwinglich.

Der Effekt, das Nötchen in den Schlitz zu schieben und am Hebel zu ziehen, ist speziell und etwas nostalgisch. Mit einen lauten Geräusch fällt dann das Werk fast dem Kunden zu Füssen. Natürlich ist ein weiterer Spezialeffekt eingebaut. Der Käufer weiss nämlich nicht genau, was er soeben erstanden hat und das Öffnen der Schachtel oder Entfernen der Verpackung sorgt für manche kleine Überraschung. Die restaurierten Automaten selbst sind Sehenswert. Es gibt jede Menge Kunstliebhaber, welche es sich zum Ziel setzen, alle 160 Automaten aufzusuchen. In manchen Städten gibt es drei oder vier Automaten, welche wie auf einer Schnitzeljagd entdeckt werden können.

Manche Künstler hätten ohne «Art O Mat» wenig Chancen, ihre Werke zu verkaufen. In Denver gibt es zwei Automaten. Diese sind zum grossen Teil mit Werken von behinderten Künstlern gefüllt. Ein Paraplegiker kreiert Kunst, indem er die Räder seines Rollstuhls mit Farbe bedeckt und dann über Papier fährt.Anschliessend schneidet er die besten Sektionen aus und klebt das Kunstwerk auf ein Stück Holz im Format einer Zigarettenschachtel.

Unsere Kinder wollten sobald als möglich beide Automaten in Denver aufsuchen und das Angebot vergleichen, bevor sie den Weihnachtsbatzen in ein kleines Kunstwerk investieren.

Regula Grenier * Die Einsiedlerin Regula Grenier- Flückiger (*1973) zügelte 2007 nach Denver im amerikanischen Bundesstaat Colorado, am Fusse der Rocky Mountains. Seit 2011 wohnt sie im Nachbarort Thornton. Dort kamen 2011 Sohn Cody Frederick und 2015 Tochter Stephanie Nova zur Welt.

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