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Die beiden Favoriten an einem Tisch

Die beiden Favoriten an einem Tisch Die beiden Favoriten an einem Tisch

Die Ständeratskandidaten Schwander und Reichmuth im grossen Interview

Am 24. November bestimmt der Kanton Schwyz den zweiten Ständerat. Die besten Chancen haben Pirmin Schwander (SVP) und Othmar Reichmuth (CVP).

STEFAN GRÜTER

Es ist ein langer Wahlkampf, der für Sie beide nun in der Verlängerung ist. Sind Sie noch voll im Wahlkampf-Modus? Othmar Reichmuth: Ja, wirklich vollständig.

Pirmin Schwander: Ja, jetzt erst recht. Das Interesse ist nun grösser, weil nur noch zwei Kandidaten vorhanden sind, die Chancen haben. Man wird nun mehr wahrgenommen als vor dem ersten Wahlgang. Welche Chancen rechnen Sie sich aus? Reichmuth Ich bin optimistisch und zuversichtlich. Das Ergebnis des ersten Wahlgangs hat mich erstaunt, nicht zuletzt der Umstand, dass ich mit meinem Resultat fast gleichauf war mit Pirmin Schwander.

Schwander: Die Chancen sind intakt. Beim ersten Wahlgang stand ich als Ständeratskandidat nicht im Vordergrund. Der Favorit war von unserer Seite her Alex Kuprecht. Jetzt ist es eine Frage der Mobilisierung der Wählerschaft.

Wie mobilisieren Sie? Schwander: Es finden noch immer sehr viele Anlässe statt, an denen man die Wähler überzeugen kann. Bis zum Wahltermin vom 24. November habe ich jeden Tag irgendeinen Anlass. Reichmuth: Präsent sein und die Leute darauf aufmerksam machen, dass es wichtig ist, dass sie an der Wahl teilnehmen. Es steht ja auch noch eine sehr wichtige kantonale Vorlage an, die ich als Baudirektor vertrete.

Othmar Reichmuth, Sie sind ja jetzt auch noch ein Kandidat der SP, welche mit Ihnen als CVP-Kandidat eine eigene Liste eingereicht hat. Wie viel Sozialdemokrat steckt in Ihnen? Reichmuth: Ich bezeichne mich ganz klar als sehr bürgerlich. Innerhalb der CVP bin ich Mitte- Rechts zu Hause. Unsere Partei nimmt aber auch die soziale Verantwortung wahr. Dass ich nun auch von der SP offiziell als Kandidat nominiert worden bin, ist ohne irgendwelche Abmachungen geschehen. Grundsätzlich habe ich keine Berührungsängste, weder nach Links noch nach Rechts, das ist auch normal, wenn man aus der Mitte heraus denkt und handelt.

Pirmin Schwander, Sie werden die Liberalen, die ihren Kandidaten Kaspar Michel zurückgezogen haben, von sich überzeugen müssen. Wie machen Sie das? Schwander: Ich bin seit 38 Jahren Unternehmer, arbeite mit meinem eigenen und nicht mit fremdem Geld. Meine liberale Wirtschaftspolitik und meine Finanzpolitik während der letzten 16 Jahre im Nationalrat kann man nachverfolgen. Ich habe mich für den Abbau von Vorschriften und der Bürokratie eingesetzt. Bei jeder Gesetzesrevision setze ich mich dafür ein, dass die unternehmerischen Freiheiten nicht eingeschränkt werden, sondern dass die Innovationen gefördert werden. Höhere Abgaben bekämpfe ich.

Wie überzeugen Sie, Othmar Reichmuth, die liberale Wählerschaft?

Reichmuth: Das Unternehmerische gehört auch zu meiner Grundausrüstung. Ich komme aus einem handwerklichen Beruf und war auch im Handwerk tätig. Pirmin sagt immer, dass er als Unternehmer tätig sei. Ich weiss einfach nicht wo. Ich engagiere mich als Aktuar bei der Genossenschaft Alpprodukte Pragel-Bödmeren und als Präsident der Sigristenhaus AG in Illgau. Lange Jahre durfte ich bei der Oberallmeindkorporation Schwyz mitwirken, die sehr unternehmerisch aufgestellt ist. Bei meiner jetzigen Tätigkeit als Baudirektor bin ich sehr nahe bei den Unternehmen.

Pirmin Schwander, Othmar Reichmuth weiss nicht, wo Sie unternehmerisch tätig sind. Klären Sie uns auf! Schwander: Ich bin Partner der SLK-Holding AG, Luzern, beteiligt an Contrust Finance AG, Luzern, und Geschäftsführer der HS Real Estate GmbH, Lachen. Das sind Dienstleistungsunternehmen in den Bereichen Treuhand, Immobilien und Finanzierung. Man kann alles nachschauen. Wahrscheinlich will man gar nicht wissen, dass ich Unternehmer und Arbeitgeber bin. Zudem war ich lange Jahre Präsident der Genossame Lachen, die in Ausserschwyz eine wichtige Funktion wahrnimmt. Auf jeden Fall wissen es die Leute, aber die Politiker wollen es offenbar nicht wissen. Den Leuten musste ich noch nie erklären, was ich mache, weil viele von ihnen auch Kunden bei uns sind.

Welche Interessenbindungen sind bei Ihnen sonst noch vorhanden?

Reichmuth: Ich bin ehrenamtlicher Präsident der Stiftung Winterhilfe Kanton Schwyz. Zudem amte ich als OK-Präsident des Innerschweizer Schwingfestes 2020 in Ibach-Schwyz. Schwander: Interessenbindungen bestehen via die erwähnten Firmen. So bin ich Mitglied in verschiedenen Fachverbänden.

Nehmen Sie nicht auch noch einen Lehrauftrag wahr? Schwander: Seit zwei Jahren nicht mehr, aber nun wird dies wieder aktuell, und zwar beim Schweizer Immobilienschätzer-Verband SIV. Müssen Sie in diesen Bereichen kürzertreten, wenn Sie am 24. November in den Ständerat gewählt werden? Schwander: Nein, ich kann diese Tätigkeiten normal weiterführen.

Reichmuth: Wenn ich als Ständerat gewählt werde, werde ich

nächstes Jahr nicht mehr als Regierungsrat kandidieren.

Ständerat ist ein Nebenamt. Zeichnet sich da schon eine ergänzende berufliche Tätigkeit ab? Reichmuth: Das erste Halbjahr wäre mit dem Ständeratsmandat und dem Regierungsratsamt sehr anspruchsvoll. Was weiter folgen würde, da wäre ich derzeit offen. Ich würde mir sehr gut überlegen, wie ich diese berufliche Zukunft gestalten würde.

Wo sind Sie «grün»? Reichmuth: Die Klimaerwärmung beschäftigt mich schon lange. Bei der Oberallmeindkorporation haben wir schon vor 15 Jahren entsprechende Massnahmen ergriffen, und zwar im Wald- und Forstbereich. Hier brauchte es eine neue Ausrichtung. Mit dem Fokus Holz haben wir die erneuerbaren Energien sehr stark gefördert, erste, kleinere Fernwärmenetze ins Leben gerufen und dann vor allem beim Start der Agro Energie Schwyz AG tatkräftig mitgeholfen. Dabei durfte ich zusammen mit Initiant Baptist Reichmuth vom ersten Tag an mitgestalten, sodass das Projekt Fahrt aufnahm. Persönlich habe ich vor über acht Jahren auf ein Auto gewechselt, das mit Biogas fährt, einem Treibstoff, der hier in der Schweiz hergestellt wird.

Schwander: In der Genossame Lachen haben wir schon in den 1990er-Jahren alternative Heizmodelle studiert, angefangen bei Schnitzelheizungen bis zu Erdsonden. Wenn wir Immobilienprojekte entwickeln, greifen wir immer auf den höchsten Energiestandard zurück. Das ist unternehmerisch auch logisch, denn wenn man die Lebensdauer einer Immobilie in Betracht zieht, ist es auch günstiger. Den sorgfältigen Umgang mit den Ressourcen habe ich als Bauernsohn schon gelernt. Aber: Bevölkerungswachstum steigert den Ressourcenverbrauch, und dies hat wiederum Auswirkungen auf die Klimaveränderung. Die Frage des begrenzten Wachstums war schon in den 1960er-Jahren ein Thema, das nun wieder neu entflammt wurde. Mich hat dieses Thema als Bauherr, als Bauherren-Vertreter und als Dozent immer begleitet. Der verantwortungsvolle Unternehmer muss langfristig und nachhaltig denken, und dann kommt er immer zum Schluss, die neusten, in der Praxis erprobten Technologien einzusetzen. Wie wollen Sie als Ständerat dem Klimawandel Rechnung tragen?

Reichmuth: Die Politik muss alle Aspekte abwägen. Man darf nicht mit Verboten und Einschränkungen im endlosen Mass arbeiten. Die Wirtschaft muss konkurrenzfähig bleiben. Ohne Vorgaben geht es aber auch nicht, das zeigen die Bauten aus den 1960er- und 1970er-Jahren, als die Energie zu billig war. Die heutigen Neubauten sind nicht das Problem. Mit Lenkung und mit Anreizen müssen wir die älteren Gebäude energetisch sanieren; dem Eigentümer helfend beiseitestehen. Ich denke da beispielsweise an reine Elektroheizungen, deren Wirkungsgrad miserabel ist und die heute glücklicherweise auch gar nicht mehr installiert werden.

Ein umstrittenes Thema ist auch der motorisierte Individualverkehr. Wie und wo soll hier die Politik eingreifen? Reichmuth: Die neuen Techniken müssen zugelassen werden. Sind wir künftig alle mit Strom unterwegs? Hier gilt es, auch die Entwicklung von Wasserstoff als Treibstoff im Auge zu behalten. Je mehr hier Entwicklung betrieben wird, desto wirtschaftlicher werden alternative Antriebsmodelle auch. Unsere Mobilität wird sich durchgehend verändern, und zwar in Richtung kombinierter Verkehr, bei dem der öffentliche Verkehr eine noch zentralere Rolle spielen wird. Schwander: Da staune ich. Die jetzige Politik lebt ja geradezu von Einschränkungen und Verboten. Da bin ich sehr kritisch. Immer mehr Bevölkerungswachstum, das man ja nicht begrenzen will. Das heisst, immer mehr Mobilität. Da muss und will die Wirtschaft reagieren. Arbeit und Wohnen am selben Ort als Beispiel, aber wegen Lärmemissionen müssen die Betriebe aus den Dörfern wegziehen. Die Raumplanung müsste entsprechend angepasst werden, aber die Politik ist zu langsam. Reichmuth: Pirmin Schwander kritisiert die Politik von wegen Einschränkungen und Verboten. Nehmen wir den Treibstoff-Verbrauch von Fahrzeugen: Was in diesem Bereich in den letzten 20 Jahren gemacht worden ist, ist gewaltig. Im Gebäudebereich das Gleiche. Es wurden zusammen mit der Wirtschaft Standards erarbeitet. Der Staat hat nichts verboten, sondern lenkend eingegriffen. Damit wurden zudem auch Arbeitsplätze geschaffen. Schwander: Da muss ich einschreiten. Was ist denn ein Verbot? Minergie-Standards wurden als verbindlich erklärt. Wer bei einem Gestaltungsplan nicht Minergie- Standard verwendet oder andere Auflagen erfüllt, erhält einfach die Bewilligung nicht. Das ist doch indirekt ein Verbot. Reichmuth: Der Bürger kann jederzeit sein Haus bauen, ohne Minergie-Standard zu erfüllen. Wer etwas Besonderes will – und ein Gestaltungsplan ist etwas Besonderes –, der muss auch etwas bringen. Der Mehrwert, der beansprucht wird, muss abgegolten werden. Schwander: Genau da liegt doch das Problem. Man muss über Monate am Tisch diskutieren, und wenn man nicht das macht, was von Behördenseiten her kommt, dann wartet man jahrelang. So sieht es in der Praxis aus, das sagen mir meine Leute ständig. Und damit steigen auch die Mieten, vor allem auch hier in Ausserschwyz. Behördenseitige Auflagen sind für mich ein faktisches Verbot. Da setze ich an. Reichmuth: Dann sorge doch dafür, dass Deine Leute bei der Baueingabe die vor Ort geltenden, zonenkonformen Bauvorschriften einhalten. Wenn das mit Fachleuten gemacht wird, dann funktioniert die Planung von Anfang an richtig, das zeigen all die Baueingaben im Kanton Schwyz, die problemlos die entsprechenden Hürden meistern.

Othmar Reichmuth, als ehemaliger Gemeindepräsident und jetziger Regierungsrat haben Sie immer in kleineren Gruppen gearbeitet … Reichmuth: Der Ständerat ist näher an einer Exekutiv-Behörde als der Nationalrat. Ich war immer in der Exekutive tätig. Deshalb strebe ich auch das Mandat im Ständerat an.

Welchen Kanton Schwyz möchten Sie im Ständerat repräsentieren?

Reichmuth: Ein Kanton, der seine Wurzeln kennt, aber auch offen ist, der wirtschaftsfreundlich ist. Ein Kanton, der weiss, dass weder er noch die Schweiz Inseln sind. Es braucht die Zusammenarbeit mit anderen, aber gleichzeitig gilt es die Eigenständigkeit beizubehalten. Ich bin ein purer Föderalist, das umzusetzen, ist nicht immer einfach. Aufgaben müssen dort angesiedelt werden, wo sie am einfachsten zu lösen sind. Zwischen den Kantonsregierungen und den Ständevertretern gibt es einen intensiven Gedankenaustausch, was aber nicht heisst, dass der eine immer das macht, was der andere will. Der Ständerat ist die Kammer der Kantone, und da habe ich schon den Vorteil, dass ich durch die Regierungstätigkeit weiss, wie der Kanton Schwyz funktioniert, und was er braucht. Schwander: Einen wirtschaftsfreundlichen Kanton. Ein Kanton, der schlanke, bürgernahe und föderale Strukturen hat. Die Gemeindeautonomie ist ein hohes Gut. Die Freiheit des Bürgers ist mir wichtig; er soll seine Rechten und Pflichten frei wahrnehmen können und nicht bevormundet werden.

Treten am 24. November zum zweiten Wahlgang für den noch unbesetzten Schwyzer Ständeratssitz gegeneinander an: Nationalrat Pirmin Schwander (SVP, Lachen, links) und Regierungsrat Othmar Reichmuth (CVP, Illgau).

Foto: Franz Feldmann

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