Veröffentlicht am

«Ich sehe keine grossen Stolpersteine»

«Ich sehe keine grossen Stolpersteine» «Ich sehe keine grossen Stolpersteine»

Für Bezirksammann Franz Pirker sind im Konzessionsgesuch die wichtigsten Einsiedler Anliegen berücksichtigt

VICTOR KÄLIN

Als Bezirksammann von Einsiedeln würdigten Sie die neue Konzession als gut und ausgewogen. Was ist generell gut daran?

Der Interessenausgleich. Die wichtigsten Interessen des Bezirks werden gewahrt und gleichzeitig das elementare Interesse der SBB, nachhaltigen Eisenbahnstrom zu produzieren. Und was ist speziell gut für Einsiedeln?

Es geht um eine neue Konzession. Doch die Verhältnisse sind mit jenen vor 80 Jahren, als zahlreiche Familien ihre Heimstätte und ihre Scholle verlassen mussten, nicht mehr vergleichbar. Trotzdem muss der Bezirk im Vergleich zur bisherigen Konzession kaum zurückstecken.

Der Sihlsee wird heute nicht mehr als Bedrohung, sondern als Bereicherung empfunden. Dies zeigt auch die Siedlungsentwicklung rund um den See. Für den Bezirksrat standen die Interessen in Bezug auf Infrastruktur und Landschaftsschutz im Vordergrund. Anfänglich wollten die SBB die für die Energieproduktion nicht direkt notwendige Infrastruktur abtreten. Zu einem grossen Teil bleibt sie nun aber in der Verantwortung – vor allem mit dem Willerzeller-Viadukt.

Wo blieb der Konzessionsvertrag unter den Einsiedler Erwartungen?

Beim Anteil am Wasserzins. Die Schwyzer Konzedenten handelten vor 80 Jahren einen höheren Anteil am Wasserzins aus, als ihnen aufgrund der gesetzlichen Kriterien eigentlich zugekommen wäre und wollten diesen Anteil halten. Neu wird der Bezirk Einsiedeln aber noch einen Anteil am Wasserzins von 16,5 Prozent statt 21,3 Prozent wie unter der bisherigen Konzession erhalten.

In dieser Frage sind die Bezirke und der Kanton Schwyz den anderen Kantonen entgegengekommen. Man muss aber sehen, dass der Wasserzins politisch unter Druck steht und in Zukunft eher sinken wird. Dafür haben wir bei der Vorzugsenergie (Gratis- und Selbstkostenenergie) bedeutend mehr herausgeholt. Unsere Erwartung ist, dass die tieferen Wasserzinsen über die Konzessionsdauer durch die Erlöse aus der Vorzugsenergie überkompensiert werden.

Gibt es noch weitere Punkte?

Ein weiteres Thema war der Ausbau des Etzelwerks. Zu Beginn des Prozesses der Neukonzessionierung stand ein Ausbau, wie er kürzlich von den Schwyzer Bundesparlamentariern thematisiert wurde, in Prüfung. Aufgrund der damaligen Strompreisentwicklung und aus wirtschaftlichen Gründen verzichteten die SBB auf einen Ausbau. Dies wird zum Teil als verpasste Chance bezeichnet.

Die SBB boten den Konzedenten an, sich an den für einen Ausbau notwendigen, hohen Investitionskosten und am Pumpspeicherkraftwerk zu beteiligen, stiess aber auf kein ausreichendes Interesse. Der Bundesrat hat in seiner Antwort an die Schwyzer Parlamentarier klargestellt, dass er nicht in die wirtschaftliche Freiheit der SBB eingreifen wolle. Ob es sich um eine verpasste Chance handelt, wird erst die (Energie-) Zukunft zeigen. Ein Ausbau des Etzelwerks während der neuen Konzession ist denkbar, wobei es dazu ein neues Konzessionsverfahren bräuchte. «Der Mist ist geführt», heisst es so schön. Doch am Ende wartet noch die Volksabstimmung in Einsiedeln. Wie will der Bezirksrat diese gewinnen? Der «Mist» ist noch nicht ganz geführt. Jetzt wird das Konzessionsgesuch aufgelegt und die Konzedenten prüfen die Umweltverträglichkeit. Es können Einsprachen eingehen und die Kantone werden nach deren Behandlung die Konzession verfügen. Änderungen sind in diesem Prozess noch möglich … Aber das Konzessiongesuch – rund 2500 (!) Seiten – liegt vor. Das ist nicht Nichts. Doch wie will man dieses Mammutwerk den Stimmbürgern erklären? Der Bezirksrat will die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger mit transparenter, umfassender und objektiver Informationsarbeit überzeugen. Dabei muss sich der Bezirksrat nicht «verbiegen », er hat viele gute Argumente. Das Gesamtpaket stimmt für die Bevölkerung.

Doch sind jetzt zuerst das Einspracheverfahren und die Konzessionsverfügung abzuwarten. Sicher werden eine öffentliche Informationsveranstaltung durchgeführt und eventuell zusätzliche Veranstaltungen für interessierte und betroffene Kreise. Im Übrigen werden wir gleich vorgehen wie bei allen Abstimmungsvorlagen und den Stimmbürgern eine umfassende Botschaft vorlegen. Behördenpropaganda braucht es nicht und ist gar nicht erlaubt. Den Abstimmungskampf sollen die politischen Parteien und interessierten Kreise führen, wobei sich der Bezirksrat natürlich der umfassenden Diskussion stellen wird.

An der Pressekonferenz erwähnten sie die «Betroffenheit Einsiedelns ». Was meinen Sie damit? Der Sihlsee ist ein sehr prägendes Element des Bezirks. Er nimmt gut 10 Prozent des Territoriums ein. Dazu gehören auch viele Flächen, welche heute ohne den See vielfältig genutzt würden, wobei in einzelnen Gebieten wohl der Naturschutz im Vordergrund stünde. Der Bezirk hätte sich ganz anders entwickelt ohne den See.

In dieser Beziehung kann der Sihlsee nicht mit Gebirgsstauseen verglichen werden. Die Möglichkeit der SBB, diese grosse Fläche in einem Siedlungsgebiet und in der Nähe ihres Stromnetzes für die Energieproduktion zu nutzen, rechtfertigt angemessene Entschädigungen. Für die heute möglichen Nutzungen als bevorzugtes Wohngebiet rund um den See und als Naherholungsgebiet sollen optimale Bedingungen bestehen. Dabei geht es unter anderem um den Schutz des Landschaftsbildes, den Hochwasserschutz und die Interessen der Nutzer im Grünstreifen rund um den See, auch der Mieter und Pächter der SBB.

Für diese Interessen haben wir gute Lösungen angestrebt und gefunden. Was auch zu berücksichtigen ist: Die SBB sind nicht nur Gesuchstellerin für die Konzession, sondern auch Eigentümerin des Sihlsees und von Land rund um den See. Der Bezirk muss auch diese Eigentümerstellung, welche die SBB in den letzten 80 Jahren aus unserer Sicht in fairer Weise ausgeübt haben, berücksichtigen. Wie schätzen Sie die Stimmung in Einsiedeln ein? Die Bedeutung der Neukonzessionierung ist eine andere als vor 80 Jahren, als es um Existenzen ging und viele Emotionen im Spiel waren. Wir haben uns längst an den See gewöhnt, er ist eine Selbstverständlichkeit und wir möchten ihn auf keinen Fall mehr hergeben. Diese Ausgangslage ist sicher eine gute Voraussetzung für die Akzeptanz der neuen Konzession.

Allerdings gingen beim Willerzeller- Viadukt die Emotionen verständlicherweise hoch. Die SBB nahmen diese wahr und stehen weiterhin in der Verantwortung, sodass diese Strassenverbindung gesichert bleibt. Ich sehe keine grossen Stolpersteine. Bei einigen Bächen können die SBB die Unterläufe, welche bisher in ihrem Eigentum standen, dem Bezirk abtreten. Dies bedeutet nach dem aktuellen kantonalen Wasserrecht, dass die Anwohner im Einzugsgebiet dieser Bäche für die Verbauung und den Unterhalt der ganzen Bachläufe kostenpflichtig sein werden. Die Mehrbelastung wird sich aber in Grenzen halten. Im Vergleich zu den Eigentümern im Einzugsgebiet der Alp verlieren die Wuhrkorporationen um den See ein Privileg. Die Mindeststaukote (sogenannte Mückengrenze), welche von anfangs Juni bis Ende Oktober gilt, bleibt als wichtiges Element für den Schutz des Landschaftsbildes, auch unter der neuen Konzession in Kraft. Braucht es Ihrer Meinung nach eine grosse Überzeugungsarbeit?

Nicht in dem Sinne, dass gegen grosse Widerstände anzukämpfen sein wird. Doch wir unterschätzen die Bedeutung dieser Vorlage und ihre Komplexität nicht und wollen die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger mit transparenter und umfassender Information abholen. Wie zuversichtlich sind Sie, dass die neue Konzession wie vorgesehen im Jahr 2023 gültig sein wird? In Bezug auf das Resultat der Abstimmung bin ich sehr zuversichtlich. Wann die Abstimmung stattfinden wird, hängt auch von externen Faktoren, vor allem der Dauer des Einsprache- und Entscheidungsverfahrens ab. Die Entscheide der Regierungsräte und des Stimmvolks der Bezirke werden mit Beschwerde an die kantonalen Verwaltungsgerichte weitergezogen werden können.

Wenn die Konzession nach Abschluss des nun aufgegleisten Verfahrens die zahlreichen Interessen angemessen berücksichtigt, bin ich zuversichtlich, dass der Termin eingehalten werden kann.

Das Dossier ist 2500 Seiten dick. Der Bezirksrat will die Bedeutung der Vorlage nicht unterschätzen und mit transparenter Information zu einem Ja an der Urne beitragen.

«Das Gesamtpaket stimmt für Einsiedeln»: Bezirksammann Franz Pirker. Foto: Victor Kälin

Share
LATEST NEWS