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«Schweizer müssen keine Angst vor Ausländern haben»

«Schweizer müssen keine Angst  vor Ausländern haben» «Schweizer müssen keine Angst  vor Ausländern haben»

Seit über 20 Jahren lebt Michaela Kälin-Schötz in der Schweiz – und darf in der katholischen Kirche nicht stimmen und wählen. Die 44-jährige Ingenieurin aus Euthal schildert die Gründe, wieso es an der Zeit sei, das Stimmrecht für Ausländer in der Schwyzer Kantonalkirche einzuführen.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Wie lange leben Sie bereits in Einsiedeln?

Ich bin im April 2000 von Deutschland in die Schweiz gezogen und habe im Jahr 2003 meinen Mann geheiratet: Deswegen heisse ich ja auch Kälin (lacht). Dann dürfen Sie doch stimmen gehen in der Kirche, weil Sie dank der Heirat Schweizerin sind? Das ist eben ein grosser Irrglauben. So viele Leute nehmen an, dass eine Ausländerin dank der Heirat mit einem Schweizer automatisch den Schweizer Pass erhält. Dem ist aber nicht so. Man hat mit der Heirat mit einem Schweizer nur die Möglichkeit, sich erleichtert einbürgern zu lassen. Ich wollte das aber nicht, weil ich damals meinen deutschen Pass hätte abgeben müssen. Unterdessen könnte man ja Doppelbürger sein und über zwei Pässe verfügen. Was bedeutet Ihnen der Glaube?

Sehr viel: Ich bin im Bayrischen Wald aufgewachsen, eine recht katholische Gegend. Von daher war mir die christliche Religion von Anbeginn meines Lebens sehr vertraut. Vom gelebten Glauben her kann man den Bezirk Einsiedeln sehr gut mit dem Bayrischen Wald vergleichen. Wie nehmen Sie die Pfarrei Einsiedeln wahr?

Als durchaus weltoffen. Mir ist in jedem Fall noch kein Mensch in Einsiedeln begegnet, der sich gegen die Einführung des Stimmrechts für Ausländer in der katholischen Schwyzer Kantonalkirche ausgesprochen hätte. Wobei es wohl kein Zufall ist, dass ausgerechnet der Kanton Schwyz das Stimm- und Wahlrecht für Ausländer noch nicht kennt. Die Leute sind eben sehr konservativ in diesem Kanton – was aber auch sein Gutes hat. Wie engagieren Sie sich in der Pfarrei Einsiedeln? Seit vier Jahren engagiere ich mich im Erstkommunion-Team in der Pfarrei Einsiedeln und bin im Vorstand der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB). Ich helfe bei Organisation und Gestaltung der Feiern und begleite die Erstkommunikanten an der Bezirkswallfahrt nach Sachseln.

Im Gegensatz zum Kanton Schwyz dürfen in anderen Kantonen auch Ausländer mitbestimmen. Was würden Sie ändern oder unterstützen, wenn Sie mitbestimmen könnten? Ich würde wohl gar nicht viel ändern wollen. Ich bin kein politischer Mensch und gehöre einer Generation an, die es eher stossend findet, wenn im Garten Nationalfahnen aufgehängt werden. In Deutschland war das eh verpönt. Aber es ist doch eigenartig, dass man sich als Ausländer in der Kirche engagieren darf, aber nicht mitbestimmen soll. Ich habe einmal an einer Versammlung der Kirchgemeinde in Einsiedeln teilgenommen – als Gast: Da ist mir aufgefallen, wie diskriminierend ein Ausschluss von Ausländern sein kann. Ich bin doch ein aktives Mitglied dieser Kirchgemeinde, aber abstimmen durfte ich nicht an dieser Versammlung.

Verstehen Sie die Leute, die sich gegen die Einführung des

Stimmrechts für Ausländer wehren?

Nein,nicht wirklich: Die Schweizer müssen keine Angst davor haben, dass die Ausländer die Macht übernehmen wollen. Schweizer müssen keine Angst vor Ausländern haben. Gegen die Angst hilft, selber an die Versammlung zu gehen und dort seine Meinung kundzutun. Die Kirche wird im Dorf bleiben – auch mit einem Stimm- und Wahlrecht für Ausländer.

Michaela Kälin-Schötz engagiert sich sehr in der Pfarrei Einsiedeln, darf aber in der Kirchgemeinde nicht mitentscheiden.

Foto: zvg

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