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Zum Glück

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ZWISCHENLUEGETEN 3

ERNST FRIEDLI

Kürzlich machte eine Radiosprecherin in einer Morgensendung dem Klima leicht beleidigt den launigen Vorwurf, dass es uns Menschen im Wonnemonat Mai doch so schäbiges Wetter beschere. Gerade jetzt, wo wir armen Geschöpfe, vom Winter und von Seuchenzeit erschöpft, so viel Bedarf an wohliger Wärme hätten. Das tönte beinahe nach ernstgemeinten Haftpflichtansprüchen.

Aber das Klima hat vorderhand noch keinen Liefervertrag mit der Menschheit. Der aktuelle Mai ist zwar wirklich kein flotter Wonnespender. Aber Klärli und ich wissen, dass solche Maien früher auch schon vorgekommen sind. Das Klima richtet sich schon seit immer nicht nur nach unseren Bedürfnissen. Statt zu klagen, muss man sich halt einfach etwas einrichten.

Also habe ich bei unserem letzten Spaziergang meinen grossen Schirm mitgenommen, da der Himmel etwas bewölkt war. Falls es doch regnen sollte, hätten wir (zum Glück) einen Schirm dabei. Vorsicht ist für mich eben immer noch die sicherste Sicht. Als es trocken blieb, meinte Klärli leicht schelmisch, da hätte ich mit meinem grossen Schirm nun doch etwas Pech gehabt. Sie hatte natürlich recht, allerdings nur vorübergehend. Kurz darauf nämlich fielen erste, schwere Tropfen aus den grauen Wolken, und es begann heftig zu regnen. Hinzu kam starker Wind, der die Regenschnüre in schräge Spritzer verblies. Da spannte ich zufrieden meinen Schirm auf, und wir gelangten unter seinem Schutz weitgehend trocken wieder heim. So kann je nach Wetter mit etwas Glück auch aus Pech Glück werden.

* Ernst Friedli, 64, seit Jahren verheiratet mit Klärli, geborene Schönbächler. Nichtraucher und Sachbearbeiter im Rathaus, steht unter Amtsgeheimnis. Macht sich in der Freizeit Gedanken zur Weltlage und wandelt gern bei jedem Klima.

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