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«In Schnittstellen bin ich zu Hause»

«In Schnittstellen bin ich zu Hause» «In Schnittstellen bin ich zu Hause»

Die vielen spannenden Tätigkeiten des Einsiedler Militärhistorikers Dr. Fritz Kälin

Der 35-jährige Fritz Kälin doktorierte zum Thema Gesamtverteidigung. Die Gesamtsicht prägt sein Wirken bis heute.

VICTOR KÄLIN

Wer Fritz Kälin näher kennenlernen will, schreitet am besten verschiedene Pfade ab. Am prägnantesten zeigt sich seine Vielseitigkeit in einem seiner eigenen Sätze: «Statt Paläontologe bin ich Militärhistoriker geworden.» Dazu inspirierte ihn sein Geschichtslehrer an der Stiftsschule Einsiedeln, Dr. Stephan Zurfluh.

Nach Jahren der intensiven Beschäftigung mit Krieg und Frieden folgert Fritz Kälin, dass «im Krieg viel deutlicher sichtbar wird, wie alles zusammenhängt». Er ist überzeugt, «dass der die friedliche und zivile Welt besser verstehen kann, wer sich mit Krieg und Militär auskennt». Wer wie Kälin Militärgeschichte studiert und über die Gesamtverteidigung doktoriert hat, der weiss, «dass Freiheit und Rechtsstaatlichkeit keine Selbstverständlichkeiten sind, sondern das Fundament für Frieden und Wohlstand wie hier in der Schweiz bilden». Und deshalb ist Kälin auch ein «überzeugter Anhänger des Milizsystems ». «Schweizer Armee ist Teil der Gesellschaft» Kälin ist nicht nur ein Verfechter des Milizsystems, sondern als Fachoffizier im Grad eines Hauptmanns auch mit 35 Jahren noch Teil davon: Er hat sich nach Abschluss seiner Soldatendiensttage als Fachoffizier weiterverpflichtet, in einer Funktion, in welcher er nach eigenen Worten «sein beruflich erworbenes Wissen weiter verwenden kann». Mehr dürfe er dazu allerdings nicht sagen.

Klare Worte findet er hingegen zum Milizgedanken: «Die Schweizer Armee ist vielmehr ein Teil der Gesellschaft, als ein Machtinstrument für den Krieg.» Wenn Fundamente unserer Gesellschaft bedroht seien, würde unsere Gesellschaft diese verteidigen. Deshalb hätten die Militärangehörigen «ein Anrecht darauf, vom Staat die notwendige Ausbildung und Ausrüstung zu erhalten». Hier sieht Kälin durchaus Revisionsbedarf, da die Schweiz in den letzten 20 Jahren das Potenzial der allgemeinen Wehrplicht nicht ausgeschöpft habe; die Dienstzeit sei lediglich verkürzt, aber nicht flexibilisiert worden. «Die heutige Jugend ist grundsätzlich dienstbereit», sagt Kälin. «Die Smartphone-Generation hat in der Coronakrise den

«Wenn es für die Jugendlichen in der Armee nicht mehr stimmt, springen sie ab.»

Aufgeboten von Armee und Zivilschutz vorbildlich Folge geleistet. » Deshalb ist für Kälin klar, dass sich die Armee bewegen muss: «Wenn es für die Jugendlichen in der Armee nicht mehr stimmt, dann springen sie ab.» Eine eigene Kolumne in der Armeezeitschrift Auch in der «Allgemeinen Schweizerischen Militärzeitschrift» ASMZ äussert sich der Einsiedler in seiner Kolumne «Aus dem Bundeshaus» regelmässig zu militärischen Fragen – und folgert angesichts der ungenügenden Maskenvorräte etwa, dass «Krisenvorsorge auch eine Form von Sparsamkeit wäre».

Über ein ausserdienstliches Engagement in Milizverbänden hat Kälin den Strategieberater und Medienpublizisten Heinrich L. Wirz kennengelernt. Der Einsiedler war Teilzeit-Werkstudent bei ihm und muss den ehemaligen Oberst überzeugt haben, sodass er ihn fragte, ob er seine Kolumne in der ASMZ übernehmen wolle. Das war vor gut zwei Jahren. Im Fokus von Kälins Kolumnen stehen seither die sicherheitspolitischen Geschäfte der Bundespolitik. Wie folgert doch Kälin: «Für meine berufliche Entwicklung haben sich die Kontakte, die ich in den Studentenverbindungen und im Militärdienst erworben habe, als genauso wertvoll erwiesen wie der schulische Rucksack.» Sicherheits- und Alterspolitik

Dennoch war es der schulische Rucksack mit seiner Doktorarbeit über die Gesamtverteidigung, der ihn für zwei Jahre zum wissenschaftlichen Mitarbeiter des Generalsekretariats der SVP Schweiz werden liess. Als Fachperson war er für die Sicherheitspolitische Kommission zuständig. «Beim aussenpolitischen Kernthema ‹Unabhängigkeit› bin ich auch als Nicht-Parteimitglied auf der Linie der SVP; und umgekehrt trägt die Partei bei der für mich wichtigen Sicherheitspolitik das Herz auf dem rechten Fleck.»

«Viele Hüte aufzuhaben, ergibt eine breitere Sicht.»

Zusätzlich war Fritz Kälin auch für die Kommission Soziale Sicherheit und Gesundheit zuständig – in für ihn «völlig neuen Themenfeldern ». Gerne erinnert er sich an die «enge und lehrreiche Zusammenarbeit» mit dem aktuellen Ständeratspräsidenten Alex Kuprecht, die sich bei den Themen Pflege und Altersvorsorge ergab.

Da die SVP-Parteileitung «einen Paradigmenwechsel vollzog », wurde die Mitarbeit Kälins nicht mehr benötigt. Die Engagements in beiden Kommissionen endeten 2020. Zum Bedauern von Kälin, der auf eine «hoch spannende und lehrreiche Zeit» zurückblickt.

Wo eine Türe zugeht, geht für Kälin wieder eine neue auf. Seit Februar 2021 ist er in einem Teilzeitpensum persönlicher Mitarbeiter des Zürcher EVP-Nationalrats Nik Gugger; ein «guter Platz, um mich weiter vernetzen zu können».

Die Vielfalt der Tätigkeiten ergibt für Kälin gleichsam die Essenz eines für ihn befriedigenden Berufslebens. Wo es Schnittstellen gibt, fühlt er sich zu Hause. «Viele Hüte aufzuhaben, ergibt eine breitere Sicht», ist er überzeugt. Denn er weiss mittlerweile aus eigener Erfahrung, dass «nicht nur ein Sektor für dieses Land wichtig ist. Dies zu erkennen und zu vernetzen, ist spannend». Und so freut er sich auf weitere Aufgaben, die er noch nicht kennt – aber mit Bestimmtheit irgendwo auf den 35-jährigen Einsiedler warten.

Fritz Kälin (rechts) im Jahr 2020 an einer Vorbesprechung mit der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates (im Hintergrund SVP-Nationalrat Mauro Tuena, mit dem Rücken zur Kamera SVP-Nationalrat David Zuberbühler).

Foto: zvg

«Die Armee muss sich bewegen, sonst springen die Jugendlichen ab»: Fritz Kälin.

Foto: Victor Kälin

«Statt Dinosaurierforscher bin ich Militärhistoriker geworden.»

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