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«Spielgruppen werden von vielen noch nicht richtig wahrgenommen»

«Spielgruppen werden von vielen noch  nicht richtig wahrgenommen» «Spielgruppen werden von vielen noch  nicht richtig wahrgenommen»

Am 1. Juni tritt ein neues Gesetz in Kraft, das die Kinderbetreuung durch Unterstützungsbeiträge zugänglicher machen soll. Dabei gehen die Spielgruppen leer aus. Die Betreuerinnen in der Region reagieren enttäuscht, sind aber auch optimistisch, dass sich ihre Situation verbessern wird.

Ab dem kommenden Schuljahr erhalten Eltern im Kanton Schwyz, die berufstätig sind oder eine Aus- oder Weiterbildung absolvieren und ihr Kind zwischen drei Monaten bis zum Ende des Primarschulalters in einem Kinderbetreuungsangebot wie Kindertagesstätte (Kita), einer Tagesstruktur, Tagesfamilie oder Mittagstisch betreuen lassen, finanzielle Hilfe. Die Beiträge werden je nach Einkommen berechnet und zu je 50 Prozent von Kanton und Gemeinden übernommen.

Besonders für Alleinerziehende und Doppelverdiener sowie für die Betreuungsinstitutionen ist das eine erfreuliche Botschaft. Doch eine Kategorie bleibt aussen vor: Die Spielgruppen. Als Institution, die zwar keine Rund-um-die-Uhr-Betreuung anbietet, aber vor allem für Einzelkinder eine ideale Vorbereitung auf den regulären Kindergarten ist, ist das neue Gesetz eine Enttäuschung. Weiterhin «Bittibätti» machen

Annemarie Kälin leitet seit der Gründung vor 30 Jahren selbstständig die Spielgruppe «Eggerdörfli » für die Kinder aus Egg und Willerzell. Sie bringt die Probleme vieler Spielgruppenleiterinnen auf den Punkt: «Man muss sich um alles selbst kümmern, hat einen niedrigen Lohn und eine schlechte Altersvorsorge.» Das, obwohl Kälin ihre Aufgabe als durchaus wichtig anschaut. Die Betreuerinnen seien oft die ersten externen Bezugspersonen, die Kinder lernten das Spiel in der Gruppe und könnten sich von den Eltern lösen. Kinder ausländischer Eltern hätten zudem gute Chancen, sich kulturell zu integrieren.

Auch Lisbeth Inglin von der Spielgruppe Gross findet es «ein bisschen happig», dass die Spielgruppen im neuen Gesetz ausgelassen wurden und weiterhin «Bittibätti» machen müssten. Sie macht ihre Arbeit sehr gerne und findet die Spielgruppen eine gute Sache. Aber auch sie beklagt den mageren Lohn des Personals.

Sogar 100-Prozent-Pensum reicht kaum zum Leben Auch Monika Leitner, Co-Präsidentin des Vereins Kleinkindertreff «Räbelnäschtli» in Einsiedeln, sieht im niedrigen Stundenlohn der meist gut qualifizierten Betreuerinnen einen wichtigen Schwachpunkt. «Viele arbeiten nur teilzeit als Betreuerinnen, denn sogar mit einem 100-Prozent-Pensum reicht der Lohn kaum zum Leben», meint Leitner, die daneben noch als Schulassistenz arbeitet.

Eigentlich sei es bedenklich, dass die Betreuung der Kinder so gering geschätzt würde, sag-ten doch alle, dass die Kinder unsere Zukunft seien, meint sie weiter. «Die Spielgruppen in der Schweiz kämpfen schon seit vielen Jahren um mehr Anerkennung. Aber ich habe den Eindruck, dass sie ausser von den vielen Familien, die ihre Kinder in die Spielgruppen schicken, trotzdem noch nicht richtig wahrgenommen werden.» Doch sie zeigt sich auch dankbar für einen finanziellen Beitrag, den der Bezirk der Spielgruppe nun zugesprochen hat. «Das ist ein erster Anlauf, aber das Ziel wäre ein anderes », meint sie dazu. Im Schweizerischen Spielgruppenverband SSLV würde man auf jeden Fall weiterkämpfen, um die Lage der Spielgruppen schweizweit zu verbessern.

Hilfreicher Beitrag vom Bezirk Die beliebte Spielgruppe Bauerndorf Kalberweidli in Trachslau wird ebenfalls vom Bezirk Einsiedeln unterstützt. Es sei kein sehr grosser Beitrag, aber man sei dankbar dafür, weil er helfe, die Betreuerinnen angemessener zu bezahlen, sagt Spielgruppenleiterin Barbara Betschart.

Dadurch könnten auch die Elternbeiträge auf zugänglichem Niveau gehalten werden, denn man wolle nicht zu einer Spielgruppe für Kinder gut betuchter Eltern werden. Auch Betschart wäre froh um Kantonsbeiträge für die Spielgruppenbetreuung. Aber sie gibt sich geduldig. Schliesslich seien auch die ers-ten Kindergärten privat betrieben worden, bevor sie für alle Kinder zugänglich geworden sei-en. Es brauche eben alles seine Zeit.

Gute Vorbereitung auf den Kindergarten In der Spielgruppe Rothenturm würde man sich über einen Beitrag des Kantons für die Betreuung freuen, so die Leiterin Nicole Knobel. Damit könnte die Betreuung benachteiligter Kinder verbessert werden. Knobel schätzt, dass die Spielgruppe, die im Schulhaus untergebracht ist, keine Miete zu zahlen braucht, denn vielerorts sei-en die Mieten ein grosser Batzen Geld.

Als einen wichtigen Beitrag der Spielgruppen sieht Knobel die Vorbereitung auf den regulären Kindergarten. «Die Kindergärtnerinnen merken sofort, wenn ein Kind zuvor in der Spielgruppe war, denn sie waren bereits fremdbetreut und kennen die Regeln unter Gleichaltrigen.» Spielgruppen in ländlichen Gebieten weniger wichtig Monika Holdener leitet schon seit zwölf Jahren die Spielgruppe in Oberiberg und hat sich bis jetzt noch keine Meinung zum neuen Kinderbetreuungsgesetz gebildet. Im Gegensatz zur Kita bringe die Betreuung in der Spielgruppe einer berufstätigen Frau nicht viel, meint sie. Zudem sei die Rolle der Spielgruppe in den ländlichen Gebieten, wo die traditionellen Familienstrukturen noch viel stärker seien, viel weniger wichtig als in städtischen Gebieten.

Aber auch sie kritisiert den niedrigen Verdienst, wenn die Spielgruppe auch mietfrei untergebracht ist. Die Spielgruppe sei eine gute Vorbereitung auf den Kindergarten, zumal die Kinder von Oberiberg danach auch wirklich zusammenblieben, meint Holdener. Grosse Freude habe sie an einem ukrainischen Kind, das sich dank der Spielgruppe gut im Dorf integriert habe.

Foto: Eugen von Arb

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