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«Das Internet hat Kriminellen die Türen geöffnet»

«Das Internet hat Kriminellen  die Türen geöffnet» «Das Internet hat Kriminellen  die Türen geöffnet»

Während andere Delikte zurückgehen, nehmen Wirtschaftsverbrechen stetig zu. Grossen Einfluss darauf hat laut Mathias Ammann das Internet. Er ist Chef Dienst Wirtschaftsdelikte bei der Kantonspolizei Schwyz.

Welche Delikte fallen überhaupt unter die Wirtschaftskriminalität?

Darunter fallen etwa Veruntreuung, Geldwäscherei, Urkundentatbestände, Konkurs- und Betreibungsdelikte sowie Betrug. Welche Art von Fällen kommen kantonal am häufigsten vor? Wir befassen uns hauptsächlich mit Betrug, wobei in den letzten zwei Jahren in diesem Bereich viele Ermittlungsaufträge der Staatsanwaltschaft wegen Covid-Betrugsverfahren und Betrugsanzeigen mit dem Hintergrund Online-Anlagebetrug zu erledigen waren – Letztere fallen wegen der extrem hohen Deliktsbeträge von meist mehreren Hunderttausend Franken im Einzelfall negativ auf. Ermittlungen in Bezug auf Betrug machen rund die Hälfte aus. Wie setzt sich der Rest zusammen?

Mit rund einem Viertel befassten wir uns in kürzerer Vergangenheit mit Urkundenfälschungen, wobei hier eine aussergewöhnliche Anzahl von Beschuldigten mit gefälschten Covid-Zertifikaten ins Gewicht fielen. Weitere rund 10 Prozent sind Geldwäschereifälle, wobei es hier meis-tens um sogenannte Money Mules geht, also um Bürgerinnen und Bürger des Kantons Schwyz, welche sich dafür hergeben, ihr Konto für den Durchlauf von ertrogenen Geldern zur Verfügung zu stellen und so die Nachverfolgung und Einziehung der Gelder erschweren oder verunmöglichen. Schliesslich führte auch das Thema der Konkursreiterei beziehungsweise Misswirtschaft zu vielen Ermittlungen. Hier geht es darum, dass Firmen die Sozialabgaben und Steuern nicht bezahlen und nach dem Konkurs wieder mit einer neuen Firma gleich weitermachen. Steigen oder sinken die Fälle?

Die Anzahl an Ermittlungen im Dienst Wirtschaftsdelikte ist langfristig stetig steigend, aber es gibt grosse Unterschiede bei den jährlichen Zahlen. Die steigenden Fälle wurden von der Führung und Politik erkannt und konnten dank zusätzlichen Stellen adäquat bekämpft werden. Berichte über Online-Betrugsfälle nehmen zu. Welchen Einfluss hat das Internet auf die Wirtschaftskriminalität im Kanton Schwyz? Den gleichen wie in der ganzen Schweiz und in ganz Europa: einen enormen Einfluss. Einerseits haben Kriminelle erkannt, dass es mit Hilfe des Internets viel einfacher und sicherer ist, Geld zu ergaunern, und leider sind viele Bürgerinnen und Bürger zu leichtgläubig und zu wenig kritisch. Deshalb steigen die Anzeigen von Delikten, die über das Internet begangen werden, stetig an, und die Dunkelziffer dürfte sehr hoch sein. Das Inter-net hat allen Kriminellen irgendwo auf der Welt die Türen geöffnet, um potenzielle Geschädigte in der Schweiz und in anderen westlichen Ländern zu finden und zu betrügen. Dabei können sie Abertausende Köder auswerfen und diejenigen, die anbeissen, ausnehmen. Andererseits nimmt das Risiko, bei den klassischen Vermögensdelikten vor Ort wie Einbruchdiebstahl oder Raub erwischt zu werden, mit den immer besseren Möglichkeiten von DNA, Dakty (z.B. Fingerabdrücke) und allgegenwärtigen Videoüberwachungen stetig zu. Das wissen die Kriminellen auch, und das schreckt ab. Während der Pandemie sind die Vor-Ort-Delikte logischerweise massiv zurückgegangen. Nun gehen die Zahlen aber wieder leicht nach oben. Es gibt offenbar auch Kriminelle, die die Möglichkeiten des Internetverbrechens noch nicht entdeckt haben oder nicht wissen, wie einfach es wäre. Sind Cyberdelikte die neuen Banküberfälle? Banküberfälle gibt es schon länger kaum mehr und auch Raubüberfälle nahmen in der Vergangenheit tendenziell ab – die erbeuteten Beträge dürften auch immer kleiner werden und lohnen sich kaum mehr. Überfälle auf Geldtransporter und Bankomatensprengungen sind dabei Ausnahmen, die aber vor allem in grenznahen Kantonen vorkommen. Zudem handelt es sich bei Raubüberfällen juristisch gesehen um sehr harte Verbrechen, die entsprechend stark sanktioniert werden. Da bietet sich das Internet als Alternative an? Im Internet lässt sich sehr leicht anonym kommunizieren, sei es über Internetseiten, die irgendwo anonym registriert wurden, sei es über anonyme IP-Adressen, mit falschen Angaben registrierte Mailadressen oder über gespoofte (gefälschte) Telefonnummern und inzwischen auch über anonyme Transaktionen über Kryptowährungen. Bei über 80 Prozent der Cyberdelikte geht es um Cyberbetrug, wo es die Täter auf das Vermögen der Geschädigten abgesehen haben. Diese Delikte haben in der Vergangenheit stark zugenommen und werden weiter zunehmen, solange es leichtgläubige Bürgerinnen und Bürger gibt. Cyberdelikte sind demzufolge kein Ersatz bestehender Delikte, sondern zusätzliche Gefahren für die Bürgerinnen und Bürger des Kantons Schwyz, der Schweiz und von allen west-lichen Ländern.

Welche Art von Cyberbetrug kommt denn am häufigsten vor? Bei den weitaus meisten Fällen handelt es sich um sogenannte Kleinanzeigenbetrüge – also etwa über Ricardo, Tutti, Anibis. Wenn man ein günstiges Angebot sieht, Vorauszahlung leistet, dann aber die Ware nicht bekommt. Davon gibt es sehr viele Anzeigen. Mittlerweile kann man diese auch über die Plattform «ePolice» von zu Hause aus erstatten. Die vielen Fälle entgegenzunehmen war für die Polizeiposten eine grosse Belastung. Wenn man sich aber die Beträge anschaut, fallen die Online-Anlagebetrüge am meis-ten ins Gewicht.

Sind Delikte aus dem Bereich der Wirtschaftskriminalität in der Regel schwieriger zu lösen als solche aus anderen Bereichen?

Es kommt sicher auf den Fall drauf an. Der Bereich Wirtschaftsdelikte ist von den Anforderungen her aber schon die Königsdisziplin. Können Sie ein Beispiel machen?

Wenn jemand aus Wangen, jemanden aus Lachen betrügt, dann ist das schon einfacher. Dann kann man den beispielsweise in Untersuchungshaft nehmen, Zeugen befragen, Hausdurchsuchungen durchführen oder Dokumente erheben. Das bekommt man in der Schweiz alles relativ schnell über die Staatsanwaltschaft. Aber wenn das Delikt beispielsweise von China, Russland oder von den Bahamas aus begangen wurde, dann wird es schwierig, weil ich dort nicht ermitteln darf. Und die meisten Internetbetrüger agieren aus dem Ausland – bei den allermeisten können wir die Täter nicht zur Rechenschaft ziehen. Ich hatte schon mal eine geschädigte Person bei mir, die sagte, dass sie gleich mit dem Betrüger telefonieren werde. Entsprechend erwartete sie, dass wir den Betrüger orten und anschliessend festnehmen können. Dann sah ich aber, dass der Anruf aus Nigeria kommt. Ich sagte der Person, dass es mir leidtun würde, ich aber nicht einfach so eine Telefonortung in Nigeria durchführen könne. Ich bin ja nicht James Bond. Mit welchen Schwierigkeiten hat Ihr Dienst sonst noch zu kämpfen? Mit Datenschutz. Das ist ein Problem, das wir immer mehr haben. Nicht nur im Ausland auch in der Schweiz gibt es den Trend, dass man der Polizei immer weniger Auskunft gibt. Da muss man oft über die Staatsanwaltschaft gehen. Das ist etwas, was ich nicht verstehe und uns die Arbeit erschwert. Hinzu kommt der Föderalismus. Die Kantonspolizeien arbeiten noch zu wenig zusammen, weil sie teilweise auch unterschiedliche Datensysteme haben. Sie haben am Anfang von einer hohen Dunkelziffer gesprochen. Schämen sich die Opfer? Ich glaube, wenn man so über den Tisch gezogen und geschädigt wurde, ja. Eine Strafanzeige zu machen, kostet grosse Überwindung. Es gibt auch Geschädigte, die sagen uns, dass sie selber nicht verstehen, wie sie da reingefallen sind, und es ihnen nun peinlich ist. Warum fallen trotzdem so viele darauf rein? Manchmal ist es auch für uns schwer nachvollziehbar, wie man auf gewisse Betrugsmaschen reinfallen kann. Da kann man manchmal innerlich nur den Kopf schütteln. Aber oft beginnt es ja mit einer risikofreien Geschichte, den potenziellen Opfern wird weisgemacht, wie einfach und sicher es beispielsweise ist, schnell viel Geld zu verdienen. Wie gut sind Menschen im Kanton Schwyz gegen Wirtschaftskriminalität geschützt? Leider sind viele Bürgerinnen und Bürger zu leichtgläubig und zu wenig kritisch. Die Bevölkerung ist zu wenig aufgeklärt. Gerade im Bereich der Cyberbetrugs- Delikte ist Prävention sehr wichtig. Das ist auch ein Grund, warum die Kantonspolizei Schwyz den Bereich der Prävention hochgefahren hat. «Bei über 80 Prozent der Cyberdelikte geht es um Betrug.» «Diese Delikte werden zunehmen, solange es leichtgläubige Bürgerinnen und Bürger gibt.» «Eine Strafanzeige zu machen, kostet grosse Überwindung.»

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