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Per Mausklick eine böse Überraschung vermeiden

Schwyz Tourismus erfasst gemeinsam mit Pro Infirmis Uri Schwyz Zug die Zugänglichkeit touristischer Gebäude. Vor Kurzem wurde mit diesen Inspektionen begonnen. Das Projekt ist auf zwei Jahre ausgelegt.

Stellen Sie sich vor, Sie sind da – und können nicht hinein. Oder Sie sind drin und sollten schon wieder weg, weil Sie auf die Toilette müssen – und es für Sie keine hat. Mit solch unangenehmen Überraschungen sehen sich Menschen mit Behinderungen, vor allem wenn sie auf den Rollstuhl angewiesen sind, täglich konfrontiert. Sofern sie denn überhaupt wegen des noch immer nicht völlig barrierefreien ÖV überhaupt an ihr Ziel gelangen.

Erfassung wird zwei Jahre dauern «Menschen mit einer Behinderung benötigen Informationen über die Zugänglichkeit. Ich selbst bin gehbehindert und für die Thematik sensibilisiert », sagt Carmen Schuler von Schwyz Tourismus: Sie ist dort Projektleiterin Barrierefreiheit und verantwortet die Einführung des Serviceangebots «Digitale Zugänglichkeitsdaten».

Dieses realisieren Schwyz Tourismus und die kantonale Pro-Infirmis-Geschäftsstelle Uri Schwyz Zug gemeinsam. Ziel ist, die Zugänglichkeit von touristischen Bauten und Anlagen zu erfassen, und digital zur Verfügung zu stellen.

Wie Carmen Schuler weiter ausführt, war Pro Infirmis für diese Kooperation auf Schwyz Tourismus zugegangen. Schwyz ist nun der erste Kanton der Zentralschweiz, in dem man mit der detaillierten Datenerhebung von touristischen Objekten begonnen hat.

Die Erhebung ist auf zwei Jahre angesetzt. Nach fünf Jahren will man die Daten überprüfen und allenfalls aktualisieren. Die Kosten belaufen sich auf rund 200’000 Franken. Das Projekt im Kanton Schwyz wird unterstützt vom Schwyzer Departement des Innern.

Erfasserteams wurden geschult Die im Kanton Schwyz tätigen Datenerfasser wurden namentlich über das Umfeld von Pro Infirmis rekrutiert, oder sie folgten einem Aufruf in den Medien. Carmen Schuler: «Der Einladung zum Informationsanlass ins Seehotel Waldstätterhof in Brunnen waren im März 26 Interessenten gefolgt. Zwölf davon machen nun als Erfasser und Erfasserin mit.» Die Beteiligten bilden fünf Teams und sind pro Woche von einem halben Tag bis zu anderthalb Tage unterwegs. Die Mitwirkenden erhalten für ihre Erfassungsarbeit einen Stundenlohn. Zur Vorbereitung gab es einen Schulungstag mit Theorie und Praxis im Waldstätterhof in Brunnen. Danach wurde während eines halben Tages in kleinen Gruppen die Erfassung im Seminar- und Bildungszentrum Mattli Antoniushaus in Morschach praktisch geübt.

Dann war am 24. Mai der Start in Goldau sowie in Schwyz. Schliesslich wurde am Folgetag in Ausserschwyz die Erfassung aufgenommen. Überprüft wurden der Gasthof Seefeld in Hurden und in Pfäffikon das Ristorante Doppio Gusto sowie das Vögele Kultur Zentrum. Keine negativen Reaktionen

Am Tag darauf war man in Pfäffikon im Hotel Restaurant Schiff, im Gasthaus zum Rathaus sowie im Bahnhof unterwegs. Gemäss Carmen Schuler von Schwyz Tourismus wird man noch in diesem Sommer ebenfalls im Kanton Zug loslegen. Alle aufgesuchten Betriebe und Institutionen wurden vorab schriftlich informiert. «Es steht allen frei, mitzumachen und uns zu empfangen. Es gab bis jetzt keine negativen Reaktionen und wir sind überall willkommen», berichtet Schuler. Nicht kontaktiert hat man zum Beispiel Bergrestaurants, die man nur zu Fuss erreicht. Dort mache es keinen Sinn, wenn man die Barrierefreiheit ermittelt. Die erfassten Daten und aufbereiteten Informationen stehen nebst auf der Website von Pro Infirmis etwa auch auf dem Online-Portal search.ch umsonst zur Verfügung.

«Wir bieten aber auch die Objektdaten den aufgesuchten Betrieben kostenlos an. Natürlich hoffen wir, dass sie diese auf ihren Webseiten publizieren», sagt Carmen Schuler: Bei dem Projekt gehe es auch deshalb um Inklusion, weil die Informationen bewusst nicht auf einer separaten Webseite geschaltet werden.

«Wir machen keine Baukontrolle» Die Idee für ein digitales Verzeichnis zur Barrierefreiheit ist nicht neu: So hatte man in der Romandie schon früher mit solchen Erfassungen begonnen. Nun kann man von den Erfahrungen profitieren. «Klar hoffen wir, dass diese Erfassungen im Sinne von mehr Barrierefreiheit Positives bewirken. Doch wir machen keine Baukontrolle », stellt Carmen Schuler zu einem allenfalls über die reine Information für Betroffene hinausgehenden Effekt fest. «Was wir feststellen, hat sonst keine Konsequenzen», betont Schuler: Es handle sich um nichts anderes als eine Momentaufnahme. Wenn in einem Betrieb aber effektiv Anlass zur Beanstandung bestehe, würde man die Verantwortlichen darauf aufmerksam machen. Schuler: «Mehr ist nicht unsere Aufgabe, und wir haben auch keine Weisungsbefugnis, irgendwelche Vorgaben zu machen.» Software-gestützte Inspektionen Für die Besichtigungen wurden die Erfassungsteams mit Tablets ausgestattet. Darauf ist eine Software installiert, welche die Tester im Sinne einer Checkliste detailliert durch den Erfassungsprozess führt. Ist ein Betrieb erfasst, nimmt die Software eine bilanzierende Schlussbewertung vor. In den Einträgen ist nicht nur zu lesen, ob die Barrierefreiheit gegeben ist oder eben nicht, sondern auch ihr Umfang. Und ob sie zwar vorhanden ist, dies aber nur mit Hilfe. Hierzu gibt es klare Piktogramme. Ergänzt werden die Einträge mit aussagekräftigen Fotos.

Betroffene engagieren sich

Im Rahmen der ersten Begehung in Ausserschwyz im Gasthof Seefeld in Hurden hatte man die Gelegenheit, einem Inspektionsteam über die Schulter zu schauen. «Die Erfassungsarbeit ist interessant, und ich freue mich darauf. Auch ist es etwas Besonderes, sich in die Warte von Betroffenen und ihren besonderen Bedürfnissen hineinzuversetzen und mehr über deren Probleme zu erfahren», erklärt Alexander Brönimann.

Mit seinem Engagement will der IV-Rentner aus Galgenen «etwas der Organisation Pro Infirmis zurückgeben, weil sie mir bei der Erlangung einer IV-Rente behilflich war».

Als einstiger Schreiner habe er zum Thema Bau einen gewissen Bezug und könne so zum Beispiel baulich etwas besser einschätzen. Menschen mit einer Beeinträchtigung überprüfen und bewerten zugunsten von anderen Betroffenen die Barrierefreiheit – ein guter Ansatz.

Weitere Informationen sind zu fin-den unter www.proinfirmis.ch/ Über uns/Dienstleistungen/Digitale Zugänglichkeit.

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