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Das Monatsgespräch im Februar

Das Monatsgespräch im Februar Das Monatsgespräch im Februar

Franziska Keller trifft Moni Sauerteig, Buchhändlerin und Cartoonistin

Jahrgang: 1950 Bürgerort: Affoltern im Emmental Geburtsort: Offenbach am Main Wohnort: Einsiedeln Kurz nachdem Moni Sauerteig nach Einsiedeln gezogen ist, habe ich auch sie im Abteihof kennengelernt – offensichtlich ein schöner Ort der Begegnung. Nun, drei Jahre später, ein Wiedersehen in einer Quartierbeiz, lädt sie mich in ihre schnuckelige, farbig eingerichtete Wohnung an der Hauptstrasse ein. Es ist Atelier, Lernstube, kreatives Daheim zugleich – ihr Wohlfühlort.

Was hat dich nach Einsiedeln gebracht? Ich bin während eines Carausflugs in diese Region beim Grossen Herrgott vorbeigefahren, habe aus dem Augenwinkel die-sen grossartigen Klosterplatz entdeckt und war fasziniert. Als ich dann an meinem Geburtstag wieder hierherkam, beim Drei Herzen draussen einen feinen Kaffee genoss, sagte ich zu meiner Freundin: «Hier möchte ich wohnen, das ist mein Herzdorf! » Eine Woche später hatte ich den Vertrag zu meiner Wohnung und es ging nur einen Monat von der Entscheidung bis zum Umzug von Spreitenbach nach Einsiedeln. Was hat dir geholfen, als Auswärtige hier anzukommen? Der Einsiedler Anzeiger, der mir Orientierung gab, wo was stattfindet – das ist meine Bibel. Die Menschen und die kleinen Geschäfte hier im Ort, die mich als Kundin kennen und herzlich begrüssen. Hier wird man auf einer persönlichen Ebene willkommen geheissen.

Demzufolge bist du inzwischen gut hier integriert? Ich bin sehr zu Hause hier, habe noch nie an einem Ort gewohnt, an dem ich mich so schnell wohl und integriert gefühlt habe. Ich gehe regelmässig ins Zumba, habe mich beim Singen 60+ und im Französischunterricht angemeldet und schätze die vielen schönen Beizli, wo man Menschen trifft und ins Gespräch kommen kann. Was gefällt dir an unserer Gegend?

Die Umgebung hier ist wunderschön. Ich kann aus der Haustüre gehen und stehe schon fast im Grünen. Du lebst mitten im Dorf und wirst daher nicht verschont bleiben: Kannst du der Fasnachtszeit etwas abgewinnen? Ich bin keine Fasnächtlerin, aber ich erlebe die Fasnacht gerne mit. Ich geniesse meinen Logenplatz und dass ich von hier oben so vieles sehen kann. Beim Brotauswerfen kommen die Mütschli quasi in die Stube geflogen. Bist du ein traditioneller Typ?

Nicht durchgängig, aber bestimmte Dinge sind mir schon wichtig. Mein Lieblingsfest hier ist das mit den Lichtern … die Engelweihe. Das ist ja eine schöne Story. In Bezug auf solches bin ich schon eine Traditionalistin.

Magst du nebst der Engelweihe sonst noch einen Einsiedler Brauch? Der 15. August, Maria Himmelfahrt, weil ich den Kräutersegen sehr schätze – solche Bräuche ziehen mich an. Ich bin wohl konfessionslos, aber nicht gottlos.

Wie und wo bist du aufgewachsen?

Ich bin in der Nähe von Frankfurt, im Rhein-Main-Gebiet, mit drei älteren Geschwistern aufgewachsen. Dort besuchte ich die Schule und machte die Lehre zur Buchhändlerin. Ich bin viel gereist. In Hamburg habe ich viele Jahre gelebt. Dort heiratete ich einen Schweizer, war aber nach zwei Jahren wieder geschieden. Als ich den Pass wieder abgeben wollte, hiess es: «Einmal Schweizerin, immer Schweizerin.» Ich musste nur meinen Mädchennamen Sauerteig wieder annehmen. Und da ich schon den Schweizer Pass besass, entschied ich mich, in die Schweiz zu ziehen, wo ich dann in einer Zürcher Buchhandlung eine Stelle bekam und allmählich auch das Schwyzerdütsch verstehen lernte – mit dem Sprechen hapert’s noch.

Vermisst du etwas aus deiner Heimat?

Bloss den Äppelwoi (= Apfelwein), der aus den ganz bestimmten Frankfurter Äppelschen hergestellt wird. Und den Handkäs mit Musik (= Magermilchkäse, der früher von Hand geformt wurde) und der ein rich-tiges Eiweissbömbchen ist. Die Musik dazu ist eine Sauce aus Essig, Öl und Zwiebeln. Du warst Buchhändlerin und zeichnest heute bezaubernde Cartoons, wie kam es dazu? Ich habe schon immer gerne lustige Sachen gezeichnet und als ich pensioniert wurde, habe ich verschiedene Kurse besucht. Meine Lieblingssujets sind coole Katzen und schräge Vögel. … darum nennst du deine Homepage wohl auch www.catoons. ch?

Genau.

Du bist demzufolge ein Katzen- Typ. Hast du selbst denn auch eine Katze? Ich hatte früher eine. Doch hier im vierten Stock müsste es eine Wohnungskatze sein. Und das möchte ich meinem Tier nicht zumuten. Wenn du ein Tier wärst, welches Tier würde am ehesten zu dir passen? Dann wäre ich definitiv eine Katze.

Wenn du dereinst auf dein Leben zurückblickst, was möchtest du noch erlebt haben? Ich bin so gern hier in Einsiedeln und möchte auch hier sterben. Für meinen Abschied habe ich alles schon geplant und aufgeschrieben: von der Patientenverfügung, über den Bestatter, bis zu einem Pfarrer aus der Pfarrei, der mir den Abschiedssegen gibt, obwohl ich konfessionslos bin. Ich möchte auf das gute Leben, das ich hier hatte, dankbar zurückblicken können. Für mich ist es erst im Alter schön geworden. Hierher zu kommen, war die beste Entscheidung meines Lebens.

Von Franziska Keller

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