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Unsere lieben Schweizer Freunde!

LESERBRIEFE

Eine Ukrainerin, welche seit Frühling 2022 mit ihrer Tochter und ihren zwei Enkelkindern in Einsiedeln wohnt, hat einen Leserbrief geschrieben. Die Einsiedlerin Irina Bilyavska hat den Brief übersetzt.

Am 24. Februar hat sich unerwartet eine grosse Kata-strophe in unserem Daheim ereignet. Das Land, das wir viele Jahre lang als unseren Bruder betrachtet hatten, hat uns heimtückisch und abscheulich angegriffen. Menschen sterben, Häuser brennen, alles, was von Generationen gebaut und bewahrt worden ist, wird zerstört. Das Leben hat sich schrecklich verändert.

Aber dies ist ein Krieg, und wir haben diese Tatsache zu akzeptiert. Das Einzige, was niemals akzeptiert werden kann, ist der Tod von Kindern. Und wir waren gezwungen, die Kinderleben zu retten und ehemals so vertraute, jetzt aber gefährliche Häuser zu verlassen. Also sind wir zu Ihnen gekommen, um unsere Kinder zu retten. Und ich erinnere mich, wie bitter und beängstigend es war, die Entscheidung zu treffen, wegzugehen, wie gequält von Gedanken darüber, wie wir in einem fremden Land leben würden, unter fremden Menschen, wie wir aufgenommen würden. Wir kamen verängstigt, geschockt, ohne das Nötigste, oft sogar hung-rig an.

Aber von den ersten Tagen in der Schweiz bis heute sind wir nie auf Gleichgültigkeit, Respektlosigkeit oder fehlende Hilfsbereitschaft gestossen. Ich war beeindruckt. Ich war beeindruckt vom Edelsinn, vom Grossmut und von der unkomplizierten Verständigung, von der Grosszügigkeit, dem Mitgefühl und dem schlichten Wunsch, allen zu helfen, die einem das Schicksal zuführt.

Ich bin beeindruckt von der Schönheit Ihres Landes, dem Fleiss und der Bescheidenheit Ihres Volkes, der Sauberkeit und Ordnung Ihrer Dörfer und Städte. Gesegnet sei das Land und gesegnet seien die Menschen in diesem Land!

Unsere lieben Freunde, mit denen ich das Glück hatte, zusammen zu sein: Mitarbeiter des Sozialdienstes des Bezirks, Mitglieder der reformierten Kirche, Lehrer unserer Kinder und unsere Deutschlehrer, Ärzte und unsere Landsfrau Irina Bilyavska Camenzind – ich verneige mich vor ihnen für ihre Grosszügigkeit und Menschlichkeit. Wir werden versuchen, Ihrer Gesellschaft würdig zu sein. Jetzt lernen wir Ukrainer aktiv die Deutsche Sprache, um künftig in die Arbeitswelt eintreten zu können und uns nützlich zu machen, mit Respekt lernen wir Ihre Traditionen kennen.

Wenn der Krieg mit unserem Sieg endet, werde ich mit grosser Dankbarkeit und Wärme nach Hause fahren, um über Sie als unsere Freunde und Retter zu erzählen. Mit Gottes Hilfe werden wir uns in unserer Heimat treffen. Und dann werden Sie sehen, was für ein wunderbares Land auch wir haben. Jetzt ist es dunkel, kalt, zerstört und voller Blut und Tränen. Aber Gott und die Wahrheit sind auf unserer Seite. Wir werden alles überwinden und wieder aufbauen, und dann werden wir Sie zu einem Besuch einladen, und Sie müssen auf jeden Fall kommen. Denn da Sie mit uns im Leid waren, seien Sie es auch in der Freude.

Ruhm der Ukraine. Ehre der Schweiz. Ehre den Menschen mit einem grossen Herzen.

Iryna Frolenko (Grossmutter und Mutter, Familie A. Kononova, wohnhaft in Gross)

Einsendungen Leserbriefe:

www.einsiedleranzeiger.ch – über uns – Leserbriefe

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