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Fehlt es Schwyzer Lernenden an Durchhaltevermögen?

Bis heute gab es in der Schweiz noch nie so viele Lernende, die ihre Lehre nicht abgeschlossen haben

Viele Schwyzer Jugendliche bringen ihre Lehre nicht zu Ende – immer öfter wegen gesundheitlicher Probleme. Doch die Zahlen sind mit Vorsicht zu betrachten.

PETRA IMSAND

«Die Auflösung eines Lehrvertrags bedeutet bei Weitem nicht in jedem Fall, dass die Jugendlichen keine Ausbildung mehr absolvieren. » So kommentiert Oscar Seger, Leiter des kantonalen Amtes für Berufsbildung, die unlängst veröffentlichten Zahlen des Bundesamtes für Statistik bezüglich Lehrvertragsauflösungen.

Bis heute gab es in der Schweiz noch nie so viele Lernende, die ihre Lehre nicht abgeschlossen haben. Gemäss Statistik lösten 22,4 Prozent der Lernenden, die im Jahr 2017 ihre Ausbildung begonnen hat-ten, ihren Lehrvertrag zum Stich-tag 31. Dezember 2021 vorzeitig auf. Über alle Kantone gesehen ist nahezu jeder Vierte betroffen, wobei die kantonalen Unterschiede gross sind. Von einer Krise zu sprechen, wäre fehl am Platz Am höchsten ist die Quote im Kanton Genf: Mehr als jede dritte Lehre wurde dort abgebrochen. Im Kanton Schwyz liegt die Auflösungsrate bei 18,3 Prozent. Oscar Seger liegen die aktuellen Zahlen per Ende 2022 vor. Es sind 263 Auflösungen. Ein Jahr zuvor waren es 275, am Ende des Jahres 2020 exakt 234 Vertragsauflösungen – im Jahr 2018 waren es sogar 303. «Diese Zahlen bewegen sich mit den üblichen Schwankungen also im Rahmen der letzten Jahre und sind nicht alarmierend.» Beim Schwyzer Amt für Berufsbildung wird jeder einzelne die-ser Fälle dokumentiert. «Es gibt durchaus Jugendliche, die ihre Lehre abbrechen, sprich keine Anschlusslösung finden. Diese werden vom Amt für Berufsbildung zu einem Coaching eingeladen, in dem gemeinsam der weitere Weg besprochen wird. Es werden Massnahmen definiert, und die Betroffenen – in den allermeisten Fällen sind es Jugendliche – erhalten beispielsweise Unterstützung bei allfälligen weiteren Bewerbungen. Wir können niemanden zur Mitarbeit zwingen und sind dementsprechend auf die Unterstützung der Jugendlichen oder weiterer Beteiligter angewiesen.» Am Ende des vergangenen Jahres sind 29 Fälle registriert, in dem keine Anschlusslösung gefunden wurde. Von einer Krise im Schwyzer Bildungswesen zu sprechen, wäre fehl am Platz. Schweizweit kommt es bei gut vier Prozent der Lernenden effektiv zum Abbruch.Bei der Mehrheit der Vertragsauflösungen stehen die Jugendlichen nicht ohne Ausbildung da. Die Zahlen beinhalten auch Vertragsänderungen, beispielsweise das Beenden der Ausbildung in einem anderen Betrieb oder den Wechsel in eine zweijährige berufliche Grundbildung.

Gründe für die Auflösung machen stutzig Die Gründe, weshalb es zu einer Auflösung des Lehrvertrags kommt, sind vielfältig. Auch diesbezüglich geben die Zahlen des Schwyzer Amts für Berufsbildung Aufschluss. «Am häufigsten wird die falsche Berufswahl angegeben», sagt Seger. Dieser Grund macht rund 45 Prozent der Auflösungsfälle aus.

Direkt folgen gesundheitliche Probleme der lernenden Person: Eine Entwicklung, die Oscar Seger stutzig macht. «Im Jahr 2020 spielte die Gesundheit noch eine kleinere Rolle. Es gilt jedoch zu beachten, dass bei der Rückmeldung bezüglich Auflösung des Lehrvertrags teilweise mehrere Gründe genannt werden. » Am drittmeisten wird die Leistung oder Pflichtverletzung der Lernenden genannt.

Bei den zuständigen Stellen ist man dementsprechend sensibilisiert. Im Kanton Schwyz gibt es einerseits das bereits erwähnte Montags-Coaching, bei dem die Lernenden von einem Coach begleitet werden. Der Coach begleitet und berät die Lernenden während der Übergangsphase, in der diese sich selber aktiv um eine neue Anschlusslösung bemühen. Diese Lehren werden am häufigsten abgebrochen Professionelle Beratung erhalten die Lernenden unter anderem auch bei der «Nummer bei Kummer», ebenfalls ein Angebot vom Amt für Berufsbildung. Diese Anlaufstelle steht bei Konflikten, Leistungs- und Motivationsproblemen und auch bei Sorgen und Belastungen Lernenden, Lehrbetrieben, Lehrkräften und Eltern kostenlos zur Verfügung. Welche Branchen besonders betroffen sind, kann regional nicht aufgezeigt werden. Der Anteil der Lernenden mit Lehrbeginn im Jahr 2017, die in den letzten vier Jahren ihren Lehrvertrag aufgelöst haben, liegt bei Abdichter/in EFZ bei 48,8 Prozent, gefolgt von Gipser/in-Trockenbauer/in EFZ (48 Prozent) und Pferdefachmann/- frau EFZ (45,2 Prozent). In den Top Ten findet sich auch Restaurationsfachmann/- frau EFZ mit einer Auflösungsquote von 42 Prozent. Bei Coiffeur/-euse EBA liegt die Quote bei 39 Prozent.

Abschliessend weist Oscar Seger darauf hin, dass die Jugendlichen beim Wechsel von der Schule in die Arbeitswelt recht jung sind. Der Druck, die richtige Entscheidung zu treffen, sei gross. Auch die Erwartungen des privaten Umfeldes könnten diesbezüglich eine wesentliche Rolle spielen. «Dass der Berufswahlentscheid in gewissen Fällen im Nachgang korrigiert werden muss, liegt in der Natur der Sache», so Oscar Seger.

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