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Welcome to the cattle show

Welcome to the cattle show Welcome to the cattle show

Die Einsiedler Viehausstellung 2022 ging bei windigem Wetter auf dem Brüel-Areal über die Bühne

905 Tiere wurden an der Viehschau in Einsiedeln von 17 Preisrichtern bewertet. Stiere, Kühe, Rinder und Ziegen wurden ausgestellt und bewertet. Zu Gast an der Viehschau waren Nachfahren von Einsiedler Auswanderern aus Louisville. OK-Präsident Patrick Notter zieht eine positive Bilanz.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Noch nie in ihrem Leben hat Ellen Kaelin Venhoff so viele Kühe an einem Ort versammelt gesehen wie an der Viehausstellung Einsiedeln. Diese kommt der Nachfahrin von Einsiedler Auswanderern wie ein grosses Festival der Tiere vor.

Vor allem der Klang der Kuhglocken hat es der 74-jährigen US-Amerikanerin angetan. Überrascht wird sie von der grossen Vielfalt an Ziegenrassen: Die Walliser Schwarzhalsziege und die Nera Verzasca lassen der Sprachtherapeutin aus Louisville, Kentucky, das Herz höher schlagen.

Ellen Kaelin Venhoff beschäftigt sich schon seit einiger Zeit mit ihren Wurzeln und hält es für sehr wichtig, dass ihre Kinder und Enkelkinder etwas über ihre Vorfahren wissen: Sie ist so begeistert vom «Einsiedeln-anderswo »-Projekt, dass sie nun mit einer grossen Gruppe nach Einsiedeln gereist ist, wo sie selbst noch nie war.

Grosse Armut in Einsiedeln

Ihre Vorfahren stammen aus Euthal und Willerzell und waren Milchbauern, die einige wenige Kühe besassen. Die Armut war sehr gross. Die Gross-mutter mütterlicherseits, Balbina Fuchs Kaelin, hatte grösste Mühe, überhaupt etwas Essen finden zu können. Die Armut war denn auch der hauptsächliche Grund, dass Einsiedler im 19. Jahrhundert in die USA ausgewandert sind.

Etwas fehlte den Einsiedler Bauern in Louisville: Frauen. So machte sich Ellens Urgrossmutter väterlicherseits, Josephine Meinrada Schoenbaechler-Kaelin, auf den Weg zurück nach Einsiedeln, um dort Frauen für die Überfahrt in die Vereinigten Staaten zu gewinnen. Offensichtlich war das Unterfangen der Heiratsvermittlerin erfolgreich: Viele Ehen wurden in der neuen Welt geschlossen, grosse Familien mit zahlreichen Kindern entstanden. Stolz auf die Landwirtschaft

Ihre Grosseltern, Josephine Meinradas Sohn und Balbina Fuchs, haben dann wie viele andere Einsiedler Einwanderer in Louisville Landwirtschaft betrieben: Sie hatten fünf Milchkühe, ein paar Schweine, Hühner und Ziegen. Das Bauernleben im Bundesstaat Kentucky sei hart gewesen, berichtet Ellen Kaelin Venhoff: Doch die Einsiedler hätten viel Arbeitsmoral bewiesen und es schliesslich geschafft, sich eine Existenz in der Landwirtschaft aufzubauen.

Allerdings haben die Nachfahren der Einsiedler Auswanderer die Landwirtschaft nach und nach aufgegeben und sich in den 1960er-Jahren anderen Berufen zugewandt: Der Vater von Ellen Kaelin Venhoff hat schliesslich einen Gemischtwarenladen geführt. Sie selber ist Sprachtherapeutin geworden.

Nichtsdestotrotz ist Ellen Kaelin Venhoff sehr stolz auf ihre Wurzeln in der Landwirtschaft, die ihre Vorfahren in Willerzell, Euthal und Louisville betrieben hätten. Und auch in Kentucky gebe es schliesslich Viehausstellungen. Allerdings habe sie doch ziemlich Respekt vor Kühen, denen sie lieber nicht zu nahe kommen mag. Wenn sie auch einmal als kleines Mädchen in den 50er-Jahren eine Kuh gemolken habe.

Einsiedler seien sehr direkt

Ellen Kaelin Venhoff ist begeistert von der Viehausstellung in Einsiedeln – nicht nur von den Kühen, sondern auch von den Menschen: Die Einsiedler sei-en sehr nette, freundliche Leute, welche die Gruppe überaus herzlich willkommen geheissen hätten im Klosterdorf.

«Welcome to the cattle show» steht auf einem für die Gruppe reservierten Tisch in der Festwirtschaft: Der Besuch der Viehausstellung in Einsiedeln ist einer der Höhepunkte des Besuchs der Amerikaner in der Schweiz.

Mit vielen positiven Eindrücken reist Ellen Kaelin Venhoff zurück nach Louisville: Sie staunt über den Perfektionismus, den Ordnungssinn, die Sauberkeit und die Naturliebe der Einsiedlerinnen und Einsiedler. Was ihr besonders imponiert: Die Einsiedler seien sehr direkte Leute. Da wisse man schnell, woran man sei. Es werde nicht gross um den heissen Brei herumgeredet.

Sturm bläst Zelt um

Der Bezirksrat Patrick Notter, OK-Präsident der Viehausstellung Einsiedeln, zieht derweil eine positive Bilanz über den Anlass: «Es war eine überaus stimmungsvolle Viehschau – trotz widrigen Witterungsverhältnissen. » Einziger Wermutstropfen: Ein Sturm hat in der Nacht auf den Dienstag das Verkaufszelt von Hermann Kälin vollends demoliert. Es musste abtransportiert werden.

Notter zeigt sich zufrieden mit den Auffuhrzahlen: 905 Tiere – Stiere, Kühe, Rinder und Ziegen – sind ausgestellt und von 17 Preisrichtern und Experten bewertet worden: Das bedeutet eine Steigerung um 58 Tiere – im Vergleich zum Vorjahr. Bunter Umzug durch das Dorf

In den vorangegangenen Jahren sei die Zahl zwischen 1000 und 1200 gependelt – damals sind auch Schafe an der Viehschau ausgestellt worden. Dafür sei neu seit dem Jahr 2019 eine weitere Ziegenrasse – die Nera Verzasca – hinzugekommen.

Es seien zwischen 2000 und 3000 Besucherinnen und Besucher an die Viehausstellung gekommen – dem schlechten Wetter zum Trotz. Auch der Umzug der Bauernschaft, der im vergangenen Jahr wegen der Corona- Pandemie ausgefallen war und der von der Birchlistrasse via Schmiedenstrasse zur Hauptstrasse/Klosterplatz bis zum Ausstellungsgelände führte, sei auf ein grosses Interesse gestossen. Viehschauen liegen im Trend

Das Budget entspreche auch in diesem Jahr einem Betrag von 40’000 Franken, in dem der Ausfall des Personals der Bezirksverwaltung nicht enthalten ist (die Verwaltung bleibt traditionsgemäss am Tag der Viehausstellung geschlossen).

Der OK-Präsident schätzt den Stellenwert der Viehausstellung für die Landwirtschaft als sehr hoch ein: «Die Viehmärkte sind für Einheimische wie für auswärtige Besucher ein spezielles Ereignis.» Nebst der landwirtschaftlichen Bedeutung hätten die Ausstellungen heute einen hohen kulturellen und traditionellen Wert.

«Die Viehschau wird immer beliebter und liegt ganz im Trend», führt Notter aus: Folkloristische Veranstaltungen – wie etwa auch Alpabzüge und Schwingfeste – würden einen immer grösseren Publikumsaufmarsch generieren. «Es ist auch bemerkenswert, welch friedliche Stimmung und Atmosphäre an der Viehausstellung in Einsiedeln herrscht», konstatiert der Bezirksrat.

Ehrengäste im Fokus Organisatorisch hat sich die Viehausstellung von Jahr zu Jahr leicht verändert, fasst Patrick Notter zusammen, der seit acht Jahren als OK-Präsident amtet: Neu hinzugekommen sei beispielsweise die Teilnahme der Milchmanufaktur Einsiedeln oder des Rettungsdienstes des Spitals Einsiedeln, der an der Viehschau mit einem Ambulanzwagen im Einsatz steht.

Bei den Ehrengästen wurden spezielle Akzente gesetzt: So waren vor vier Jahren die Einsiedler Kantonsräte und Kantonsrätinnen eingeladen, vor drei Jahren der Gesamtregierungsrat und dieses Jahr die Gäste aus Louisville, Amerika.

Eine überaus muntere Schar von Nachfahren von Einsiedler Auswanderern besucht die Viehschau im Klosterdorf. Fotos: Magnus Leibundgut

Ellen Kaelin Vernhoff (links) posiert mit der Übersetzerin Annina Boss-hard – umringt von Kühen, die der 74-jährigen Sprachtherapeutin aus Louisville das Herz höher schlagen lassen.

Das Team von Einsiedeln-Ybrig-Zürichsee an der Viehschau: Stefan Näf, Sandra Hauswirth, Bezirksrat Patrick Notter, OK-Präsident der Viehausstellung, und Susanne Staiger (von links).

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