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Eine Geschlechtsänderung ist seit Anfang Jahr leicht gemacht

Eine Geschlechtsänderung ist seit Anfang Jahr leicht gemacht Eine Geschlechtsänderung ist seit Anfang Jahr leicht gemacht

Wer im Personenstandsregister seinen Geschlechtseintrag ändern möchte, muss dafür nicht mehr vor Gericht. Seit Anfang Jahr liessen auf dem Zivilstandsamt Ausserschwyz bereits fünf Personen ihren Eintrag ändern. Eine klare Vereinfachung.

FRANZISKA KOHLER

Seit Anfang Jahr können Menschen in der Schweiz ihr im Personenstandsregister eingetragenes Geschlecht unkompliziert ändern. Bislang machten hierzulande über 350 Personen davon Gebrauch (wir berichteten). In Ausserschwyz nahmen dieses Jahr bereits fünf Personen dieses Recht wahr – drei Männer, die ein weibliches Geschlecht und zwei Frauen, die ein männliches Geschlecht beantragten – wie eine Nachfrage bei Peter Forrer, Leiter des Zivilstandsamts Ausserschwyz, ergab. Im inneren Kantonsteil waren es gemäss Andrea Niederberger, Standesbeamtin des Zivilstandsamts Innerschwyz, im selben Zeitraum sechs Personen. Über das Geschlecht mach-te sie aus Datenschutzgründen keine Angaben.

Nicht an Wohnkanton gebunden Diese Zahlen sind allerdings mit Vorsicht zu geniessen. Denn das neue Gesetz sieht vor, dass jede Person den Geschlechtseintrag auf jedem Zivilstandsamt in der ganzen Schweiz ändern las-sen kann. Sie oder er ist dafür nicht an den Wohnkanton gebunden. Schwyzerinnen und Schwyzer können dafür also auch beispielsweise nach Zürich, Luzern, Lugano oder Genf reisen. «Der Sinn dahinter ist, den Vorgang für die betreffenden Personen so einfach und angenehm wie möglich zu gestalten», erklärt Peter Forrer.

Wer Hemmungen hat, den Geschlechtseintrag in seinem Wohnkanton oder Wohnbezirk vorzunehmen, soll nicht daran scheitern. Forrer betont aber: «Wir sind Urkundspersonen und dieser Vorgang ist für uns eine ganz normale Beurkundung.» Zu werten sei nicht ihre Aufgabe.

Der Vorgang an sich sei sehr einfach. Als erstes müssen Personen, die eine Änderung ihres Geschlechtseintrags wünschen, mit dem Zivilstandsamt einen Termin für die Abgabe der Erklärung vereinbaren. Das Amt bereitet eine entsprechende Erklärungsurkunde vor. Am vereinbarten Termin müssen die Personen persönlich erscheinen. Dieser Termin dauert laut Forrer in der Regel 10 bis 15 Minuten, bis alle Formalitäten erledigt sind. Die Kosten dafür belaufen sich auf 75 Franken. Um selbstständig über eine Änderung des Geschlechtseintrags bestimmen zu können, müssen die betreffenden Personen mindestens 16 Jahre alt sein. Wer jünger sei, brauche die Zustimmung der Erziehungsberechtigten.

Vorname darf geändert werden

Wer möchte, kann auch den Vornamen ändern lassen, dies sei aber nicht zwingend. «Die meis-ten unserer Kundinnen und Kunden haben aber schon vor der offiziellen Änderung ihres Geschlechts einen dazu passenden Vornamen verwendet», hält Forrer fest. Darum biete sich eine Änderung an.

Angst vor Missbräuchen hat Peter Forrer nicht. Sollte es Fälle geben, bei dem Personen offensichtlich ihr Geschlecht ändern möchten, um für sich einen persönlichen Vorteil zu erlangen, wäre ein ablehnender Entscheid möglich. Inwiefern ein solcher aber juristisch halt-bar wäre, sei offen. Die aktuelle Praxis sei noch zu jung, um das abschätzen zu können.

Neuerung bietet Erleichterung Nach Peter Forrers Ansicht stehe für seine Kundinnen und Kunden im Zentrum,dass sie endlich ohne allenfalls belastendes Gerichtsverfahren ihr Geschlecht in ihr Wunschgeschlecht ändern können. Denn bislang waren dafür die Gerichte zuständig. Ob die Zahl der Geschlechtsänderungen im zu erwartenden Rahmen liegt, darüber kann Peter Forrer keine Angaben machen. Dafür sei die Regelung zu neu. Möglich wäre, dass die Zahlen im ersten Jahr höher ausfallen könnten, da viele schon lange den Wunsch dazu hegten, aber die Gesetzesänderung abwarten wollten. Gericht musste entscheiden

In Ausserschwyz war für Änderungen des Geschlechtseintrags das Bezirksgericht zuständig. Laut Thomas Buser, Gerichtsschreiber des Bezirksgerichts March, mussten Personen, die eine Änderung ihres Geschlechtseintrags wünschten, dem Antrag in der Regel ein Schreiben ihrer behandelnden psychiatrischen Fachperson beilegen. In diesem wurde bestätigt, dass eine Transidentität vorliege und die Änderung des Personenstands vollumfänglich unterstützt werde.

Aufgabe des Gerichts war, herauszufinden, ob die betreffende Person in ihrem Wunschgeschlecht angekommen sei und dies entsprechend manifestiere. «Wir haben uns vorgängig auf die Fakten abgestützt und die betreffende Person zu einem Gespräch eingeladen», erläutert Thomas Buser. Dabei seien in der Regel ein Einzelrichter und ein Gerichtsschreiber anwesend gewesen. Die Personen mit Geschlechtsänderungswunsch sei-en oftmals alleine gekommen, ab und zu waren auch Eltern oder Vertraute aus dem Freundeskreis dabei. Praxis entwickelte sich weiter

Laut Buser hätten sich die Kriterien für die Genehmigung des Antrags im Laufe der Zeit gewandelt. «Das Bundesgericht hat in einem Leitentscheid aus dem Jahr 1993 für die Änderung des Personenstands einen irreversiblen Geschlechtswechsel verlangt, ohne genau zu definieren, was darunter zu verstehen ist», erläutert er. «Die kantonalen Gerichte interpretierten den Begriff dann und entwickelten ihn stetig weiter.» Während früher eine operative Geschlechtsänderung mitsamt Zeugungsunfähigkeit verlangt worden sei, wurde später in Nachachtung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die gefühlte Geschlechtsidentität der oder des Betroffenen in den Vordergrund gerückt. «So galt es zuletzt für die rechtliche Anerkennung des Geschlechtswechsels als Voraussetzung, dass die gesuchstellende Person in ihrem Wunschgeschlecht angekommen ist, sprich die konstante Erfahrung macht, dem Wunschgeschlecht anzugehören und in diesem anerkannt zu werden», präzisiert Buser.

Die Befragung habe jeweils in einem rücksichtsvollen Rahmen stattgefunden. Die Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller seien unterschiedlich damit umgegangen, einige waren zurückhaltend, andere hätten sich sehr offen geäussert. «Es war schön, zu erleben, wenn sie Rückhalt aus dem Elternhaus oder Freundeskreis hatten», erinnert sich Buser. «In diesem Fall gingen sie lockerer mit der Situation um.» Laut Buser hat in den vergangenen Jahren am Bezirksgericht March im Durchschnitt eine Person eine Geschlechtsänderung beantragt. Am Bezirksgericht Höfe waren es nach Auskunft der Gerichtskanzlei im vergangenen Jahr zwei Personen.

Seit Anfang Jahr können Personen den Geschlechtseintrag im Personenstandsregister unkompliziert auf dem Zivilstandsamt ändern las-sen. Foto: Archiv HV

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