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«Die Jugendlichen formen unsere Zukunft. Geben wir ihnen einen Platz dafür»

«Die Jugendlichen formen unsere Zukunft.  Geben wir ihnen einen Platz dafür» «Die Jugendlichen formen unsere Zukunft.  Geben wir ihnen einen Platz dafür»

Als Präsidentin des Vereins Jugendförderung äussert sich Martina Meile zur Abstimmungsvorlage vom 15. Mai zur «Jugendarbeit im Bezirk Einsiedeln».

VICTOR KÄLIN

Bisher genügten 70’000 Franken pro Jahr. Warum braucht die Jugendarbeit von heute auf morgen gleich das Doppelte – nämlich 140’000 Franken? Die Verdoppelung kommt nicht von heute auf morgen. Es war schon länger absehbar, dass die 70’000 Franken nicht reichen. Die Finanzierung der Jugendarbeit in Einsiedeln ist eine lange Geschichte und ging schon mehrere Schlaufen und K u r v e n . Kurz zusammen-g efasst: Lange Zeit waren im Bez irksbudget 40’200 Franken für das Thema Jugend reserviert.

2014 gründeten wir den Verein Jugendförderung Einsiedeln. Dies geschah mit der Motivation, eine neue, innovative Lösung für die Jugendarbeit zu fin-den, da im Jahr zuvor das Konzept zu Jugendarbeit an der Urne abgelehnt wurde. Die Idee von uns war, dass wenn alle, die Ja gestimmt haben, einen kleinen Mitgliederbeitrag zahlen, dann könnte man die Jugendarbeit in Einsiedeln finanzieren. So gelang es uns, in den Jahren da-nach auch effektiv mehr Gelder zu bekommen und mit dem Starthilfe-Beitrag der katholischen Pfarrei war es dann auch möglich, eine Jugendarbeiterin zu 60 Prozent anzustellen.

Was ist daraus geworden?

Das Problem dabei war und ist, keine Stiftung, keine Institutionen und auch Privatpersonen sind über längere Zeit bereit, Spenden zu zahlen für die Jugendarbeit. Grundtenor war: Dies ist Aufgabe des Bezirks. Zudem wollten und mussten wir der Mitarbeiterin in Ausbildung eine Fachperson in einem kleinen Pensum zur Seite stellen. So beantragten wir im Jahr 2018 diese 70’000 Franken für drei Jahre. In diesen drei Jahren zeigte sich, dass ein Bedarf besteht bei den Jugendlichen und auch, dass der Vorstand die weiteren operativen Aufgaben, die der Vorstand übernahm, nicht langfristig tragen kann. Diese Situation besprachen wir wiederum mit dem Bezirksrat und so kamen wir schlussendlich auf die vorliegende Lösung. Mit den 140’000 Franken kann die Jugendarbeit in Einsiedeln längerfristig und professionell geführt und gesichert werden.

Wir vom Vorstand werden weiterhin den Verein ehrenamtlich führen und können so unseren Schwerpunkt auf das Strategische legen. Mit den zusätzlichen finanziellen Mitteln kann eine Leitungsperson zu 60 Prozent, ein Jugendarbeiter oder eine Jugendarbeiterin zu 40 Prozent und ein Mitarbeiter in Ausbildung oder im Praktikum angestellt werden.

Die offene Jugendarbeit ist für Aussenstehende schwierig erfassbar. Es gibt wenig publikumswirksame Aktionen, keine Konzerte oder Sportanlässe, über welche man berichten könnte. Was macht der Verein für Jugendförderung vor allem? Der Verein Jugendförderung schafft Räume (physisch und virtuell), wo sich die Jugendlichen treffen und unter sich sein können. Dies ist wichtig, da die physischen Räume für die Jugendlichen weniger werden.

Ziel ist es dabei, die Jugendlichen in ihrer individuellen Entwicklung zu fördern und zwar dort oder dabei, wo sie sonst nicht gefördert werden. Darum kann es auch mal gut sein, wenn die Jugendlichen einfach einen Raum zum «Hängen» ha-ben und eben genau nichts machen müssen.

Die Jugendarbeit hört den Jugendlichen zu und berät sie auf Augenhöhe. Das bedeutet im Alltag, dass die Jugendarbeitenden sehr viel mit den Jugendlichen sprechen – was sicher seinen Teil dazu beiträgt, dass Jugendarbeit nicht fassbar ist. Dafür braucht man viel Geduld, manchmal ein dickes Fell und Feingefühl, denn im Jugendalter ist Abgrenzung von Erwachsenen eine zentrale Entwicklungsaufgabe. In der Abstimmungsbotschaft steht geschrieben, dass «ohne die Erhöhung des Jahresbeitrags der Verein sich nicht mehr in der Lage sieht, das Angebot weiterzuführen». Warum hat die Jugendarbeit mit der bisherigen Finanzierung bisher denn funktioniert?

Bisher gelang es mit Biegen und Brechen, genügend Geld für die Löhne zusammenzubringen sowie alle Aufgaben, die anstanden, zu übernehmen. Teilweise mussten auch Dinge abgesagt werden, da die Ressourcen nicht reichten. Dies war und ist sehr unbefriedigend. Ebenso ist in den letzten Jahren der Bedarf gestiegen und mehr Jugendliche nutzen das Jugendlokal regelmässig.

Zudem hat der Vorstand vieles übernommen, was ursprünglich nicht als Vorstandsarbeit geplant war. So funktionierte der Verein zwar, aber immer ein wenig improvisiert und auf viel Ehrenamtlichkeit aufgebaut. Weiter hat der Vorstand bis anhin nur Mitarbeitende in Ausbildung angestellt. Der Vorstand hat hier im Bereich Ausbildung viel ehrenamtliche Arbeit geleistet und sich operativ stark engagiert, um die Professionalität zu garantieren. Künftig möchte sich der Vorstand ausschliesslich auf die strategischen Arbeiten fokussieren und die Ausbildungsbegleitung jemand Angestelltem abgeben, damit dies auch langfristig funktioniert. Am 15. Mai kommt es zum «Showdown»: Es heisst alles oder nichts für die Einsiedler Jugendarbeit. Der Verein geht ein hohes Risiko ein … Wir sind in den vergangenen Jahren schon ein sehr hohes Risiko eingegangen. Wir haben zwei junge Frauen während ihrer gesamten Ausbildung begleitet, ohne Anfang Jahr zu wissen, ob wir die Löhne Ende Jahr noch zahlen können. Es hat immer irgendwie funktioniert und darum sind wir überzeugt, dass es auch bei der Abstimmung vom 15. Mai klappt und es ein «Ja» gibt.

Wir haben sehr lange und intensiv darüber diskutiert, was es für uns heisst, wenn es zu einem Nein kommt. In den vergangenen acht Jahren haben wir sehr viel Zeit in die Jugendarbeit investiert, einerseits vor Ort (anfänglich stand der Vorstand selber im Jugendlokal) und anderseits in der Mittelbeschaffung. Es wäre schade, wenn nachher nichts mehr weitergeführt würde. Aber inzwischen hat sich unsere familiäre und berufliche Situation im Vorstand so geändert, dass wir nicht mehr bereit sind, ein so grosses zeitliches ehrenamtliches Engagement zu leis-ten. Der Verein ist ein Mittel zum Zweck. Jugendarbeit kann nicht ehrenamtlich ausgeführt werden. Es braucht professionelle Mitarbeitende, um ein adäquates Angebot zu schaffen. Gegner der Vorlage monieren unter anderem, dass die Angebote der Jugendarbeit von lediglich wenigen Jugendlichen genutzt werden – und demzufolge der finanzielle Aufwand in einem schlechten Verhältnis «zum Ertrag» steht. Wie gefragt ist die Jugendarbeit in Einsiedeln wirklich? Wir sprechen alle Jugendlichen ab der ersten Oberstufe bis 18 Jahre an. Das Jugendlokal wird durchschnittlich pro Öffnungszeit von 20 bis 30 Jugendlichen besucht. Dies sind natürlich nicht immer dieselben; insgesamt werden über 500 verschiedene Jugendliche und (junge) Erwachsene erreicht. Virtuell (Kontakte über WhatsApp, Instagram, Snapchat) sind es nochmals etwa so viele. Das Lokal wird unserer Ansicht nach sehr gut genutzt, hat aber noch Potenzial gegen oben. Jugendarbeit heisst aber nicht, nur den Treff offen zu haben. Es ist noch vieles mehr.

Die Jugendlichen brauchen eine Stimme, die sie zum Beispiel in politischen Prozessen unterstützt. Solange sie noch nicht 18-jährig sind, dürfen sie sich nicht beteiligen. Die Jugendarbeit gibt den Jugendlichen eine Stimme. Sie vernetzt, schafft Brücken zwischen Erwachsenen und Jugendlichen. So ist es zum Beispiel gesetzlich vorgeschrieben, dass beim Bau eines Mehrfamilienhauses ab einer gewissen Anzahl von Wohnungen ein Spielplatz erstellt wird. Diese Kinder werden aber irgendwann Jugendliche und der Spielplatz ist nicht mehr der passende Ort für sie. Es wird aber nirgends einen Ort für Jugendliche geschaffen. Hier versucht die Jugendarbeit eine Lücke zu füllen. Ein weiterer Vorwurf besteht darin, dass die Jugendarbeit die anderen Vereine konkurrenzieren würde. Wie ist Ihre Erfahrung: Hält das Relax die Jugendlichen von einem Vereinsbeitritt ab?

Dieser Vorwurf finde ich persönlich sehr undifferenziert. Das Angebot der Jugendförderung steht in keinster Konkurrenz zu den bestehenden Vereinen. Sie ist mehr als Ergänzung zu sehen. Die meisten Jugendlichen, die in den Vereinen aktiv sind, sind das schon von klein an. Sehr wenige Jugendliche treten im Jugendalter nochmals in einen Verein ein, möglicherweise, weil sie nicht das Interesse zum Beispiel am Sport oder der Musik haben oder auch weil sie die Leistung nicht erbringen können oder wollen.

Es gibt viele Jugendliche, die das Jugendlokal besuchen, die in einem oder mehreren Vereinen aktiv sind. Sie besuchen das Training, die Probe und anschliessend treffen sie sich mit ihren Kollegen im Jugendlokal. Geht ja uns Erwachsenen nicht anders. Ich bin selber eine sehr aktive Vereinsbesucherin. Was ich aber am meisten schätze, ist, nach der Probe mit meinen Vereinskameraden noch eins zu trin-ken und einen Schwatz zu halten. Das geht den Jugendlichen nicht anders, nur besuchen sie dann nicht ein Restaurant, sondern sie treffen sich im jugendgerechten Lokal. Für sie ist es ein Treffpunk ausserhalb des Vereins, der Schule und der Familie. Ein Ort, an dem sie auch mal nichts leisten müssen. Zum Schluss die Frage: Warum glauben Sie, dass die Einsiedlerinnen und Einsiedler am 15. Mai ein Ja in die Urne legen werden?

Ich bin überzeugt, dass die Zeit reif ist und die Einsiedlerinnen und Einsiedler den Nutzen einer gut funktionierenden Jugendarbeit erkennen und schätzen. Die Jugendlichen haben viel zu sagen, brauchen Platz und einen gemütlichen Ort, an dem sie ihre Bedürfnisse und Interesse mitteilen, wachsen, kreativ, kritisch, politisch und sich selbst sein können. Sich mit anderen austauschen oder einfach, um dem Alltag und dem wachsenden Druck und den Erwartungen mal auszuweichen und mal laut sein dürfen. Sie bestimmen und formen unsere Zukunft. Geben wir ihnen einen Platz dafür.

Was ändert sich für den Verein, die Jugendarbeit, wenn der Souverän am 15. Mai der Sachvorlage zustimmt?

«In den letzten Jahren ist der Bedarf gestiegen.» «Und wir wussten nicht, ob wir die Löhne Ende Jahr noch zahlen können.» «Das Jugendlokal ist für die Jugendlichen ein Ort, an dem sie auch einmal nichts leisten müssen.»

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