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«Ein Sturz darf nicht mitfahren»

«Ein Sturz darf nicht mitfahren» «Ein Sturz darf nicht mitfahren»

Weltcup-Skilegende Franz Klammer zur Faszination und zu den Herausforderungen der Streif in Kitzbühel

Die Streif ist seine Lieblingsabfahrt. Kein Wunder, dass er sie viermal gewonnen hat: Franz Klammer (68), die Abfahrtslegende aus Österreich, schwärmt im EA-Interview von der Strecke, auf der heute das erste Rennen stattfindet. Dabei war es auch ihm bei seiner ersten Fahrt ziemlich mulmig.

WOLFGANG HOLZ

Herr Klammer, mischen Sie sich morgen unter die VIPs in «Kitz»?

So ist es. Ich schaue mir einfach das Rennen an.

Warum ist Kitzbühel im Weltcup- Winter eigentlich so ein Hype? Es kommen ja immer so viele Prominente aus aller Welt zum Rennen. Es ist das ganze Setting. Kitzbühel ist eine nette Stadt. Es herrscht eine gute Atmosphäre. Und es hat natürliche eine spektakuläre Abfahrtsstrecke zu bieten. Sie haben viermal in Ihrer Karriere die Abfahrt in Kitzbühel gewonnen. Was haben Ihnen diese Siege bedeutet? Na ja, aus meiner Sicht ist Kitzbühel die beste Abfahrt, die es gibt. Da ist alles drin, was das Herz begehrt und was ein Abfahrer braucht. Wer Kitzbühel fahren will, muss ein kompletter Abfahrer sein. du musst Mut haben, du musst springen können, du musst enge Kurven fah-ren können, du musst gleiten können. Du musst das Gefühl haben, wann du einen Schwung aussetzen kannst. Das sind die notwendigen Voraussetzungen, die ein Fahrer mitbringen muss. Das alles macht Kitzbühel so be-sonders.

Ist die Streif denn Ihre Lieblingsstrecke im Weltcup gewesen?

Ja, eigentlich schon. Kitzbühel und Wengen, das waren meine zwei Lieblingsstrecken im Ski-Weltcup. Kitzbühel ist mir sicher gelegen. Die ganze Kulisse ist anders als am Lauberhorn. Beide Abfahrten sind völlig unterschiedlich, sie haben einen verschiedenen Charakter – das macht sie so einzigartig.

Warum ist Kitzbühel so gefährlich?

Weil es gleich brutal weggeht, und es oben extrem steil ist. Du springst als Fahrer in die Mausefalle und hast die ersten 30 Sekunden nicht einmal Zeit zum Schnaufen. In Wengen dagegen habe ich am Anfang ein bisschen Zeit. Und dann kommen auf der Streif die vielen Kurven und unten dann die Hausbergkante. Also, das ist ideal aufgeteilt. Am Hausberg unten fängt das Rennen noch einmal neu an – deshalb musst du ihn gut erwischen. Das ist alles eine schöne Sache. Sie selbst haben nie Angst auf der Streif gehabt? Also, beim ersten Mal, als ich die Strecke gesehen habe, sag-te ich: Da fahre ich nicht runter, die haben ja alle einen Vogel. Dann habe ich es probiert – und dann geht es eigentlich eh. Und dann ist die Streif zu meiner Lieblingsabfahrt geworden. Der Zielhang der Streif ist nach dem Horrorsturz von Urs Kryenbühl im letzten Jahr nun durch eine kleine Kurve langsamer gemacht worden. Was sagen Sie dazu? Ich kann nichts dazu sagen, weil ich es noch nicht gesehen habe. Offenbar ist ja jetzt die Kompression nach der Hausbergkante nicht mehr da. Damit würde aber ein ganz wichtiger Teil der Abfahrt fehlen, der die Streif so speziell gemacht hat. Hier hat man immer eine wirklich spezielle Zeit fahren können. Beat Feuz hat auch Kritik an dieser Massnahme geübt … Damit hat er wahrscheinlich recht. Es ist ja schon so: Die guten Abfahrer müssen schon Pech haben, wenn sie hier stürzen. Zumeist stürzt man ja nur, wenn der Fahrt ein Fehler vorausgeht. Wenn man eine Strecke ändert, weil sie an einer bestimmten Stelle gefährlich scheint – das ist für mich irgendwie nicht der richtige Zugang. Kitzbühel muss ja spektakulär sein, sonst hat es ja nicht mehr den Wert, diese Ausnahmestellung. Für die Fahrer wie für die Zuschauer.

Urs Kryenbühl ist gestern im ersten Training sicher heruntergekommen, mit 2,6 Sekunden Rückstand. Ist das ein gutes Zeichen nach seinem Sturz? Ja, sicher. Das ist ok, er wird sich seiner Stelle sicher zugetan fühlen. Sich bewusst sein. Normalerweise darf aber ein Sturz vom letzten Jahr, wenn man gut fährt, nicht mehr mitfahren. Das müsste man schon verarbeitet haben. Wie kann man als Fahrer solche schlimmen Stürze verarbeiten? Indem man wieder trainiert, indem man schaut, dass man gesundheitlich und von der Form her wieder fit wird. Indem er des Weiteren Abfahrten bestreitet und im Lauf der Zeit vergisst, was passiert ist. Man muss es wieder schaffen, Herr der Lage auf den Skiern zu sein. Wenn ein Rennläufer auf den Skiern aber quasi nur als Passagier steht, wird er weiterhin nur ängstlich unterwegs sein und wird den Sturz nicht völlig ausblenden können. Und wer gewinnt dieses Jahr?

Ich favorisiere den Dominik Paris, weil er immer sehr gut auf dieser Strecke ist und momentan gut in Form ist. Aber im Grunde sind es aus meiner Sicht fünf, die gewinnen können: Paris, Feuz, Kriechmayr, Mayer und der Kilde. Die Tagesform wird entscheiden. Letzte Frage: Die ganze Welt kennt Franz Klammer. Wie geht’s Ihnen heute und was machen Sie am liebsten? ( lacht) Ich fahre nach wie vor gerne Ski und spiele Golf. Und Radl fahre ich auch noch. Und da ist noch meine Foundation, in der wir junge Sportler unterstützen, die verunglücken und schlecht versichert sind. Ich arbeite darüber hinaus mit dem Kärntner Tourismusverband zusammen, mit Head, und bin auch noch als Immobilienentwickler tätig. Es wird mir also nicht langweilig.

«Wenn ein Rennläufer auf den Skiern nur als Passagier steht, wird er weiterhin ängstlich unterwegs sein.»

Auf der Piste überkreuzte er die Bretter eher selten: Ski-Legende Franz Klammer. Foto: Instagram

Ein «wilder Hund»: Klammer, der «Racer». Foto: Facebook

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