Veröffentlicht am

«Am Theater der Stiftsschule Einsiedeln hat es mir den Ärmel reingezogen»

«Am Theater der Stiftsschule Einsiedeln  hat es mir den Ärmel reingezogen» «Am Theater der Stiftsschule Einsiedeln  hat es mir den Ärmel reingezogen»

Nachdem Delio Malär bereits als Jugendlicher auf der Bühne stand, lebt er seit zehn Jahren in Hamburg. Mittlerweile hat sich der 29-Jährige nicht nur auf den deutschsprachigen Theaterbühnen etabliert, sondern auch im Kinofilm «Platzspitzbaby» mitgespielt und eine Single veröffentlicht.

IRENE LUSTENBERGER

Delio Malär, wir treffen Sie in Samstagern, wo Sie aufgewachsen sind. Sie wohnen aber seit zehn Jahren in Hamburg. Wie oft sind Sie noch in der Schweiz? Immer über Weihnachten. Durch meine Engagements im Theater Rigiblick und im Bernhard Theater sowie eigene Konzerte bin ich aber öfters hier als früher. Dies verbinde ich dann jeweils mit Besuchen bei Verwandten. Wie sind Sie zur Schauspielerei gekommen? Ich bin in einem musikalischen Haushalt aufgewachsen, meine Mutter ist Klavierlehrerin und Organistin. Ich nahm Cellounterricht in Freienbach, deshalb war mir die Bühne vertraut. Als ich dann an die Stiftsschule Einsiedeln wechselte, wurde ich auf das Theater unter dem Regisseur Oscar Sales Bingisser aufmerksam. Dort habe ich dann bei sechs Produktionen mitgespielt, und es hat mir den Ärmel reingezogen. Für mich war immer klar, dass ich etwas machen wollte, das mich interessiert. Mich haben sowohl Sprachen als auch die Musik begeistert, ich wollte aber nicht wie meine Eltern Sprach- oder Musiklehrer werden. Auch Geschichte, Menschen und Psychologie interessieren mich. Im Theater kann man das alles vereinen, und es ist sehr abwechslungsreich. Was hat Ihnen das Schultheater an der Stiftsschule konkret gebracht? Ich habe erst im Nachhinein festgestellt, wie fundiert es wirklich war. Ich war den anderen Studenten voraus, weil ich den ganzen Ablauf mit Proben, Generalproben, Aufführungsserien und Vorbereitung bereits kannte. Wir haben Stücke von Brecht und Shakespeare gespielt sowie «Die drei Musketiere», also literarisch Hochstehendes. Oscar Bingisser hat uns von Anfang an gezeigt, wie es im Theater läuft und wie man mit Kritik umgeht. Im ersten Jahr an der Stiftsschule kannte ich das Theater noch nicht. Böse Zungen behaupten deshalb noch heute, dass ich nur wegen des Theaters eine Ehrenrunde gedreht habe (lacht). Können Sie sich an Ihre allererste Rolle erinnern? Ja, ich war ein Erzähler im Stück «Ich knall euch ab» von Morton Rhue, mit richtigem Namen Todd Strasser. Es geht um zwei Schüler, die ausgegrenzt werden und deshalb ein Attentat in der Schule planen und ausführen. Die Geschichte wird in der Retrospektive erzählt, und ich war einer der Erzähler. Ich fuhr mit dem Skateboard auf die Rampe auf der Bühne, nahm es in die Hand und begann zu erzählen. Die Premiere fand am 17. März 2006 statt. Und wie kam es dazu, dass Sie nach Hamburg gingen? Nach der Matura wollte ich mal kurz weg aus der Schweiz. Für mich war klar, dass ich Schauspiel studieren und richtig Hochdeutsch lernen möchte. Denn als Schauspieler im deutschsprachigen Raum muss man die Sprache aus dem Effeff beherrschen. Man soll ja nicht hören, dass ich aus der Schweiz komme. Ich ging an verschiedenen Schauspielschulen in Deutschland vorsprechen. Hamburg hat mich als Stadt sofort angesprochen. Mein Bauchgefühl hat mich noch nie getäuscht, und deshalb habe ich die Schule besucht und bin auch nach dem Abschluss der Schule 2016 dort geblieben. Schauspielerisch sind Hamburg und Zürich meine Basis, wohnen möchte ich aber weiterhin in Hamburg.

Sie tanzen auf mehreren Hochzeiten: Theater, Film, Musik. Wie würden Sie sich selbst beschreiben?

Das ist diejenige Frage, die ich am meisten gestellt bekomme und auf die ich am wenigsten eine Antwort weiss. Ich habe immer alles miteinander kombiniert. Im Schauspiel spricht man, und Sprache ist letztlich nichts anderes als Rhythmus und Melodie. Und Musik ist ein anderes Ausdrucksmittel. Was ich in allen Künsten mache, ist eine Geschichte erzählen, unterhalten und die Leute berühren. Nur das Ausdrucksmittel variiert: Sprache, Musik oder Bewegung. Deshalb würde ich mich als musikalischer darstellender Künstler bezeichnen. Wie haben Ihre Eltern reagiert, als Sie nach Hamburg gingen? Sie haben sich für mich gefreut und mich unterstützt. Meine Eltern haben immer versucht, mir das zu ermöglichen, was ich wollte.

Hatten Sie einen Plan B, wenn es mit der Schauspielkarriere nicht geklappt hätte? Nein, ich hatte nie einen Plan B. Für mich war klar, dass es klappt (lacht). Das ist das, was ich mit jeder Pore machen wollte. Und wenn ich etwas erreichen will, arbeite ich zielstrebig darauf hin. Heute bin ich glücklicherweise in der komfortablen Lage, dass ich als Künstler etabliert bin und mehr Engagements ablehnen muss als ich annehmen kann. Dafür bin ich dankbar, weil ich weiss, dass es keine Selbstverständlichkeit ist. Wenn Sie eine Rolle ablehnen, aus welchen Gründen tun Sie das? Das ist unterschiedlich. Viele Projekte würde ich gerne machen, habe aber keine Zeit dafür. Oftmals werde ich anderthalb Jahre im Voraus gebucht. Wenn dann ein halbes Jahr später eine Anfrage kommt, muss ich diese ablehnen. Und wenn ich bei einer Rolle nicht 100-prozentig dahinter stehen kann, mache ich es auch nicht. Auch Engagements, bei denen die Gage nicht stimmt oder mir das Format nicht passt, lehne ich ab. Ich wurde auch schon angefragt, bei einer Soap mitzuspielen. Wenn ich es aber nicht zehn Sekunden aushalte, diese zu schauen, lehne ich lieber ab (lacht). Auch wenn dies für eine Filmkarriere förderlich gewesen wäre. Aber es geht mir nicht um den Erfolg. Ich möchte das machen, was mich interessiert. Welche Rollen spielen Sie am liebsten? Da gibt es keine Favoriten. Ich finde eine Rolle dann interessant, wenn sie gut geschrieben ist. Wenn sie mich berührt und fasziniert, spiele ich sie gerne. Davon zu träumen, Schauspieler zu werden, ist das eine, davon leben zu können, das andere. Was braucht es, um als Schauspieler über die Runden zu kommen? Das ist eine gute Frage. Ich denke, es kommt auf die Lebensumstände und den Lebensstandard an. Aber es braucht weltweit bessere Gagen für Schauspieler und mehr Unterstützung für die Institutionen. Teilweise wird man für die Proben nicht bezahlt. Das bedeutet sechs Wochen lang 100 Prozent Arbeiten, aber keine Gage. Meist wird eine Pauschale für die gesamte Spielzeit berechnet. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Theater, die während der Coronazeit alle Schauspieler unterstützt haben. Gerade für eine Branche, die vom Publikum lebt, ist diese Zeit schwierig. 2020 waren Sie auch erstmals auf den Kinoleinwänden in der Schweiz zu sehen: als Buddy im Film «Platzspitzbaby». Wie war diese erste Kinorolle für Sie? Der Dreh selbst war spannend. Ich habe den Film an der Premiere zum ersten Mal gesehen und muss ehrlicherweise sagen, dass ich nicht so begeistert war. Ich habe das Drehbuch gelesen und war von meiner Rolle absolut fasziniert, vor allem von deren Tiefe. Beim Dreh wurde viel improvisiert und gefilmt. Dann ging der Film in den Schnitt, und es entstand zwar ein sehr guter Film, meine Rolle wurde aber sehr oberflächlich dargestellt. Ich habe das aber inzwischen akzeptiert, auch wenn es für mich vom künstlerischen Aspekt her unbefriedigend war. Der Film selbst ist grossartig und sehr berührend, und ich bin froh, dass ich ein Teil davon sein durfte. Wenn man in der Vita ausweisen kann, bei «Platzspitzbaby» mitgewirkt zu haben, ist das toll. Auch musikalisch waren Sie nicht untätig. Sie haben im Sommer Ihre erste Single «Bomba d’Amor» herausgegeben, gesungen in Ihrer Muttersprache Italienisch. Worum geht es in dem Song? Der Song stellt das Gefühl dar, wenn man zu sich selbst zurückfindet, die Wiedergeburt in sich selbst. Von der Enge in die Weite, vom Dunkeln ins Helle. Ich wollte etwas machen, das zu 100 Prozent ich bin, sowohl musikalisch wie auch filmisch. Und das ist mir gelungen. Was darf man in Zukunft von Ihnen erwarten, musikalisch und schauspielerisch? Alles (lacht). Ich werde weiterhin das machen, was für mich passt, weiss aber selber nicht, was mich alles erwartet. Und wo kann man Sie in der Schweiz live auf der Bühne sehen?

Regelmässig im Theater Rigiblick mit «Amadeus» und ab September im Bernhard Theater in «ÖV» von Franz Hohler. Und am 10. September gebe ich entweder in Richterswil oder Samstagern ein Konzert. Dort werde ich viel improvisieren. Was möchten Sie beruflich noch erreichen? Da gibt es vieles: einen eigenen Film drehen, ein Musikalbum veröffentlichen, mit meiner Band auf Tour gehen, ein grosses Orchester dirigieren und eine Hauptrolle in einem grossen Film spielen.

Delio Malär ist Schauspieler und Musiker aus Leidenschaft. Foto: Irene Lustenberger

Share
LATEST NEWS