Veröffentlicht am

«Wir sind seit 25 Jahren unserer Musik treu geblieben»

«Wir sind seit 25 Jahren unserer Musik treu geblieben» «Wir sind seit 25 Jahren unserer Musik treu geblieben»

Die Band Soul Jam hat ihre Wurzeln im Klosterdorf und fährt seit dem Jahr 1996 Erfolge ein. Am 10. Dezember tritt die elfköpfige Formation an der Aretha-Franklin-Tribute-Night im Mauz in Einsiedeln auf. Der 67-jährige Mitbegründer George Klee schildert den Werdegang von Soul Jam.

MAGNUS LEIBUNDGUT

Wie läuft der Vorverkauf für die Aufführung des Films «Respect» im Kino Cineboxx und den Auftritt von Soul Jam im Mauz? Der Vorverkauf läuft durchaus zufriedenstellend. Erst recht, wenn man sich vor Augen hält, dass in unserer Region die Zertifikatspflicht eine schwere Hypothek bleibt: Es kommen noch deutlich weniger Leute an die Konzerte als vor den Corona-Zeiten: Viele mögliche Besucher wollen sich weder impfen lassen noch einen Covid-19-Test machen. Für uns Musiker ist hingegen klar: Wir können unserer Verantwortung nur nachkommen, wenn wir uns impfen lassen – auch um niemanden zu gefährden. Wie kommt es zur Tribute Night am 10. Dezember in Einsiedeln? Wir freuen uns, endlich wieder auf der Bühne zu stehen – und dies erst noch an einem solch coolen, wunderbaren Ort wie dem Mauz! Und weil wir Aretha Franklin vergöttern, kam die Idee auf, zu ihrem Gedenken eine Tribute- Night zu organisieren. Vor dem Konzert läuft exklusiv in der Deutschschweiz der Film «Respect» im Kino Cineboxx – ein grandioses Biopic über die Queen of Soul mit Jennifer Hudson auf Grossleinwand. Und danach gibt es im Mauz Music-Club vorab einen Free Soul-Drink.

Wie ist es damals zur Gründung von Soul Jam gekommen? Alles begann bei einem Spaghettiessen während der Weihnachtszeit im Jahr 1995: Da wurde der Grundsatzentscheid für die Gründung der Band gefällt. Wir wollten einfach Soul machen und nichts anderes als das. Wir orientierten uns an schwarzer Musik aus den Südstaaten, dem Memphis-Soul, der von Aretha Franklin noch mit Blues und Gospel angereichert wurde. Während den vergangenen 25 Jahren brachte die Band nichts aus der Spur: Die Formation zeigt viel Zusammengehörigkeitsgefühl – wir sind eine verschworene Gemeinschaft. Wie fällt Ihr Rückblick auf 25 Jahre Soul Jam aus? Wir sind musikalisch immer besser geworden. Aber wir spielen noch immer genau diese Musik mit Boden und Herz im Memphis Soul. Es gab ein paar Wechsel in der Besetzung. Auch Babypausen und längere Auslandaufenthalte stoppten uns nicht. Und wir konnten und können bei Ausfällen auch heute noch auf ehemalige Mitglieder oder treue Gastmusiker zurückgreifen.

Worin besteht das Geheimnis, dass eine elfköpfige Band so lange zusammenhalten kann? Ich bin ein höchst mässiger Musiker und aber gleichzeitig so etwas wie der «Band-Papi»: Ich behalte das Organisatorische, Administrative und Musikalische im Fokus und achte darauf, dass sich die gesamte Band in dieselbe Richtung bewegt. Das scheint mir wichtig, damit nicht alles auseinanderfällt. Vor allem aber sind in der Band tolle Musikerinnen und Musiker und wunderbare Menschen, die dranbleiben: Das Erfolgsrezept ist unsere Freundschaft und die gemeinsame Leidenschaft für Musik – daraus resultiert alles. Wir sind wohl in all den vielen Jahren auch etwas ruhiger geworden: Uns kann so schnell fast nichts mehr aus der Bahn werfen. Und wichtig ist: Bei elf Nasen in einer Formation steht niemand über dem anderen: Alle haben wir unsere – unterschiedlichen – Fähigkeiten und Ressourcen. Alle geben sich und ihre individuellen Möglichkeiten in den Dienst der Musik und des Ganzen. Nur so klingt und lebt eine Band, diese Band. In den 90er-Jahren galt das Klosterdorf als Musikermekka. Ist das immer noch so? Ja, das ist so, auch wenn sich manches verändert hat seit damals und sich in der Szene viel bewegt: Quantitativ ist wohl eine Abnahme zu beobachten, dafür gibt es mehr Qualität in der Einsiedler Musikszene. In den 80erund 90er-Jahren waren Grunge und Hard Rock vorherrschend. Jetzt ist die Musikszene breiter ausgerichtet. Das individuelle Engagement ist allerdings – so scheint mir – etwas verloren gegangen, an Eigeninitiative mangelt es bisweilen. Anspruchshaltung schimmert durch. Der Zeitgeist bringt mit sich, dass sich viele zurückgezogen haben: Das Ich statt eines Wir steht im Vordergrund.

Müssten Bezirk Einsiedeln und Kanton Schwyz die Kultur besser unterstützen? Vorneweg: Der Kanton Schwyz ist keineswegs kulturelles Brachland. Was all die Kulturtätigen und ihre Unterstützer leisten und bieten, ist grossartig. Stossend ist für mich, dass ein so reicher Kanton wie Schwyz von allen Ständen vergleichsweise wenig in die Kultur investiert. Dabei geht es gar nicht immer nur ums Geld: Vielmehr lässt sich auch ideell der Boden bereiten für Kultur. Just dies vermisse ich von vielen politischen Entscheidungsträgern: Dass sie einen Boden schaffen würden für die Kultur – und zwar in ihrer ganzen Vielfalt und nicht nur nach Affinität oder Erfolgsaussichten. Der Kanton Schwyz vergisst, dass er selbst an Strahlkraft gewinnen würde, wenn er Kultur vermehrt fördern würde. Schliesslich nehmen auch Musik-Klubs wie der Mauz einen kulturellen Auftrag wahr.

Wie haben Sie selber die 80erund 90er-Jahre im Klosterdorf erlebt? Ich bin ein Alt-68er und war bereits im Bunker in Zürich zugegen. Anfang der 80er-Jahre habe ich hautnah miterlebt, wie das Kulturzentrum in der Roten Fabrik in Zürich entstanden ist. Bei uns rockte der Klostergarten. Es hat damals für Bands viel mehr ständig verfügbare Auftritts-Möglichkeiten gegeben als heute. In den vergangenen zwanzig, dreissig Jahren ist speziell die Zahl der kleineren Orte und Locations, in denen Kultur betrieben, speziell aber aktuelle Musik aufgeführt werden kann, stark gesunken. Früher haben wir in der Schüür in Luzern oder im Salzhaus in Winterthur gespielt. Das kannst du heute vergessen: Die grösseren Konzertlokale sind heutzutage besetzt von bekannteren Bands. Es gibt dort nur noch wenige Slots für Auftritte unbekannterer Bands. Wenn überhaupt. In gewisser Weise scheint mir das aber auch im sich veränderten Konsumverhalten (was für ein scheussliches Wort im Zusammenhang mit Kultur!) zu gründen. In den 80er-Jahren war man neugieriger und ging einfach einmal schauen und hören, wenn eine Band irgendwo aufgetreten ist. War Musiker zu werden ein Bubentraum von Ihnen? Nein, ich glaube nicht: Die Frage hat sich so für mich gar nie gestellt. Meine Leidenschaft galt und gilt der Musik an sich, und mein Interesse konzentrierte sich auf die Menschen, die hinter der Musik stehen: Ich hatte gar nie Ambitionen und wohl auch nie die Ressourcen, ein grosser Musiker zu werden. Vielmehr habe ich mich als Produzent und Promoter von grossartigen Musikern engagiert.

Von der Musik zu leben bleibt ein Traum in diesem Land? Das gelingt echt nur wenigen Musikern in der Schweiz. Heute einer grösseren Zahl als früher. Wenn ich an die Zeit Anfang der 80er-Jahre denke: Damals konnte man sie an einer Hand abzählen. Yello, Andreas Vollenweider, Krokus und Polo Hofer konnten wohl von der Musik leben. Heute hat sich auch bei uns die Musikindustrie und ihr Zusammenspiel mit den Medien professionalisiert und perfektioniert. Das eröffnet Musikerinnen, Musikern und Bands neue und grössere Möglichkeiten – auch abseits von Konzernstrukturen und Mainstream. Stichworte: Selbstvermarktung oder Streaming. Ich persönlich bedauere aber die Kraft und Wucht der Kommerzialisierung in der Musikwelt: Zu viele Musiker werden dadurch auseinanderdividiert oder am entscheidenden Punkt zur existenzsichernden Ausübung überpowert oder passen sich «dem Markt» an. Ich verweigere mich – wenn ich kann – diesem System: Das Ziel kann nur sein, sich nicht davon einspannen zu lassen und Musik nicht einfach als Produkt und Massenware zu betrachten. Dem Soul sind Sie unverzagt treu geblieben? Oh ja, mit Haut und Haar und ganzer Leidenschaft! Da machen wir keine Abstriche. So bin ich stets auf der Suche nach meinem Saxbändel, der perfekten Logistik, einem Veranstalter und dem seelenverträglichen Klima. Immerzu halte ich Ausschau nach Möglichkeiten, Soul Jam auftreten zu lassen. Man muss reden können mit den Veranstaltern, miteinander ins Gespräch kommen: So findet man auch die Leute, mit denen man auch wirklich zusammenarbeiten kann und will.

Wie sieht es um die aktuelle Besetzung aus von Soul Jam?

Soul Jam besteht aus vier Sängerinnen, drei Bläsern, einem Schlagzeuger, einem Gitarristen, einem Bassisten und einem Keyboarder. Hinzu kommen ein Toningenieur und ein Techniker. Können Sie noch ein Wort verlieren über Aretha Franklin? Das wäre dann aber weniger ein Wort, als vielmehr ein ganzes Buch, das ich über Aretha Franklin verlieren könnte (lacht): Aretha Franklin ist ein Superstar, ein Idol, eine grossartige Songschreiberin und Sängerin und darüber hinaus eine wichtige Bürgerrechtsaktivistin, die so vieles für Schwarze geleistet und manchen schwarzen Musikern eine Türe geöffnet hat. Mögen Sie sich noch erinnern, mit welcher Präsenz, mit welchem Charisma und mit welcher Stimme Aretha Franklin auch im Alter noch bei der Inauguration von Obama aufgetreten ist? Gibt es überhaupt jemanden auf dieser Welt, der nicht mindestens einen Song von Aretha Franklin kennt? Diese Frau hat so viel Ausstrahlung – für immer und ewig. Umso schöner ist es, dass dank der Aretha-Franklin-Tribute- Night am 10. Dezember in Einsiedeln an die unbestrittene «Queen of Soul» erinnert wird: Dieser Abend lässt Aretha Franklin für fünf Stunden akustisch und visuell nochmals aufleben.

10. Dezember: Tribute-Night Aretha Franklin. Um 18.30 Uhr wird im Kino Cineboxx der Film «Respect» gezeigt. Ab 21.15 Uhr im Mauz Music- Club: Free Soul-Drink. Ab 21.45 Uhr spielt die Band Soul Jam. Tickets gibt es für 45 Franken im Vorverkauf (showticket.ch).

«Wir freuen uns, endlich wieder auf der Bühne zu stehen – und dies erst noch im Mauz.» «Das Erfolgsrezept ist unsere Freundschaft und unsere Leidenschaft für Musik.» «Stossend ist für mich, dass ein so reicher Kanton wie Schwyz wenig in die Kultur investiert.» «Ich persönlich bedauere die Wucht der Kommerzialisierung in der Musikwelt.»

George Klee aus Einsiedeln hat im Jahr 1996 die elfköpfige Formation Soul Jam mitgegründet: «Wir wollten einfach Soul machen und nichts anderes als das: Wir sind seit 25 Jahren unserer Musik treu geblieben.» Foto: Magnus Leibundgut

Die Tagesschau-Moderatorin Cornelia Bösch (links) und Anneke Ludwig singen bei Soul Jam. Mit dabei sind unter anderem auch die Einsiedler Simon Klopfenstein (Gitarre) und Iwan Birrer (Trompete) sowie der Ex-Schmetterband-Drummer Thomas Wild.

Foto: zvg

Share
LATEST NEWS