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C.G. Jung, Aniela Jaffé und ein Einsiedler Buchverlag

C.G. Jung, Aniela Jaffé und ein Einsiedler Buchverlag C.G. Jung, Aniela Jaffé und ein Einsiedler Buchverlag

Mit dem Buch «Streiflichter » schlägt Elena Fischli eine Brücke zu Carl Gustav Jung; eine Brücke, deren Hauptpfeiler Aniela Jaffé ist: Eine Autorin, deren Arbeit wenig gewürdigt oder bewusst übergangen worden ist.

VICTOR KÄLIN

Als Begründer der analytischen Psychologie ist Carl Gustav Jung (1875 bis 1961) einer der bekanntesten Schweizer Persönlichkeiten. Viel zur Verbreitung seines Gedankenguts beigetragen hat indes eine Frau, deren Rolle erst jetzt deutlicher sichtbar wird – jener von Aniela Jaffé (1903 bis 1991). Sie war zuerst wissenschaftliche Mitarbeiterin C.G Jungs; ab 1955 bis zu seinem Tod stand sie ihm zudem als Herausgeberin, Co-Autorin und Privatsekretärin zur Seite. Neben der posthumen Herausgabe des Weltbestsellers «Erinnerungen, Träume, Gedanken von C.G. Jung» und dessen Briefe wirkte sie als Dozentin, als Analytikerin und als Autorin zahlreicher Publikationen, die einem breiten Publikum die wichtigsten Grundzüge der analytischen Psychologie zugänglich machen. Das lange Warten hat ein Ende

30 Jahre nach Jaffés Tod und fast 60 Jahre nach der Veröffentlichung von des von ihr verantworteten Klassikers «Erinnerung, Träume, Gedanken von C.G. Jung» ist nun der Folgeband «Streiflichter zu Leben und Denken C.G.Jungs» im Einsiedler Daimon Verlag erschienen; in jenem 1978 von Robert Hinshaw und Elena Fischli gegründeten Verlag, der sich mit der Publikation von Büchern über Jungsche Psychologie, Mythologie, Träume und verwandte Themen einen Namen gemacht hat.

In seiner Funktion als Übersetzer kam Robert Hinshaw Ende 1975 persönlich mit Aniela Jaffé in Kontakt; «der Beginn einer immer tieferen Freundschaft», wie Hinshaw im Geleitwort festhält. Letztlich bestimmte Jaffé ihn 1986 zum literarischen Nachlassverwalter, mit dem Auftrag, auf die Veröffentlichung eines Ergänzungsbandes zu «Erinnerungen, Träume, Gedanken» hinzuwirken. Es dauerte allerdings bis ins Jahr 2013, ehe sich die Stiftung der Werke von C.G. Jung damit einverstanden erklärte, dass das Manuskript im Urheberrecht von Aniela Jaffé tatsächlich im Daimon Verlag veröffentlicht werden kann.

«Übersehen und unterschätzt»

Diese komplexe und lange Entstehungsgeschichte beleuchtet Elena Fischli in einem historischen Kommentar, der nicht nur die Entstehungsgeschichte von «Streiflichter zu Leben und Denken C.G. Jungs» umfasst, sondern auch jene von «Erinnerungen, Träume, Gedanken».

«Aniela Jaffé ist eine Autorin, deren Bedeutung oft übersehen und unterschätzt wurde», erklärt die Einsiedler Psychotherapeutin, Autorin und Verlegerin Elena Fischli im Gespräch mit unserer Zeitung. Am offensichtlichsten geschah dies im Umgang mit der Autorenschaft des zum Klassiker avancierten Buches «Erinnerungen, Träume, Gedanken». Obwohl C.G. Jung in seinen Briefen öffentlich bestätigte, dass er «dieses Buch nicht als meine Unternehmung betrachte, sondern ausdrücklich um ein Buch, das Frau Aniela Jaffé verfasst hat», wurde es als autobiografisches Werk von C.G. Jung dargestellt und Jaffé – wenn überhaupt – lediglich als Herausgeberin geführt. Im ausführlichen Kommentar schält Fischli die Leistung Jaffés als eigenständige Autorin deutlich heraus; das ausgewertete Archivmaterial legt dabei eine äusserst spannend zu lesende Geschichte offen.

Jaffés Lebensweg erstreckt sich nicht nur über fast ein ganzes Jahrhundert, sondern zeigt der Einsiedler Autorin, «wie viel Kraft und Resilienz diese jüdische Emigrantin benötigte, um einem auch in akademischen Kreisen existierenden Antisemitismus standzuhalten». Mit ihrem historischen Kommentar beleuchtet Elena Fischli somit auch ein wichtiges gesellschaftliches Kapitel der jüngeren Vergangenheit.

Zum historischen Kommentar Das faszinierende Kaleidoskop geht von Aufzeichnungen aus, die Jaffé während der Jahre 1956 bis 1961 erstellte. Wie kam es zu ihren Gesprächen mit dem betagten Jung und den Notizen Jaffés? Welcher Art war die Beziehung und Zusammenarbeit zwischen den beiden? Wer war diese Frau, die C.G. Jung trotz grosser Ambivalenz dem Vorhaben gegenüber als Biografin akzeptiert hatte? Wie gingen Dritte mit Jaffés Aufzeichnungen, ihrem Ausgangsmaterial für das so erfolgreiche Buch um?

Das vorliegende Werk vermittelt weit mehr als nur Einsichten zu Jungs Denken, Schaffen, Wesen und Leben, sondern gewährt Einblick in eine Geschichte, die verstehen lässt, warum Jaffé von einem Prozess sprach, der nicht nur bereichernd, sondern auch schmerzhaft war.

«Streiflichter zu Leben und Denken C.G. Jungs». Aniela Jaffé nach Gesprächen mit C.G. Jung, mit einem historischen Kommentar von Elena Fischli. Daimon Verlag, 432 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-85630-778-3

Gerade der historische Kommentar von Elena Fischli in «Streiflichter » gibt eine präzise Einordnung der Dinge zu C.G. Jung, Aniela Jaffé und deren Beziehung.

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