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«Nicht jede Ecke von Schwyz muss touristisch ausgebeutet werden»

«Nicht jede Ecke von Schwyz muss touristisch ausgebeutet werden» «Nicht jede Ecke von Schwyz muss touristisch ausgebeutet werden»

Er hält wenig vom Massentourismus und will einheimische Gäste: Arno Solèr, neuer Verwaltungsratspräsident der Schwyz Tourismus AG.

ANJA SCHELBERT

Was war Ihr persönliches Highlight, seit Sie den Verwaltungsrat der Schwyz Tourismus AG präsidieren? Mein Highlight war, dass wir coronabedingt jedes Mal den Tourismustag verschieben mussten. Nein, im Ernst: Ich habe dieses Amt in einer herausfordernden Situation angetreten und war mir dessen bewusst. Es macht mir Freude, aber viel war halt noch nicht möglich. Das hört sich sehr gelassen an.

Ja, ich kann die Umstände nicht ändern, aber ich kann mich trotz Corona engagieren. Positiv finde ich an der ganzen Pandemie, dass gesellschaftlich eine Entschleunigung stattgefunden hat. Ich fand das erfrischend angenehm, im Winter ohne Drängeln am Skilift zu stehen; dass nicht alles auf engstem Raum stattfand. Schliesslich geht es in der Freizeit doch um Erholung. Wie erholen Sie sich denn privat?

Ich sage das jeweils einfach: Ich bin hundert Kilo pures Bündnerfleisch. Wenn es die Zeit also zulässt, bin ich gerne im Bündnerland unterwegs, wo meine Wurzeln sind. Weiter treibe ich gerne Sport, fahre Ski, Velo und lese gern. Auch meine Familie zähle ich als echtes Hobby.

500 Millionen Franken Wertschöpfung und 5000 Arbeitsplätze – so viel generierte der hiesige Tourismus vor der Pandemie. Wie sieht das heute aus? Der Schwyzer Tourismus hat sicherlich auch gelitten. Es gibt nach wie vor Betriebe, die wegen der bundesrätlichen Beschlüsse nicht wirtschaften können. Aber unser grosses Glück sind die einheimischen und Schweizer Gäste, die das schwyzerische Angebot rege nutzen. Ist der Schwyzer Tourismus in der Krise? Nein. So wie ich die Situation als Ganzes verstehe, ist er nicht in der Krise: Wir können immer noch arbeiten und wertschöpfen, wenn auch eingeschränkt. Es gibt Betriebe, die ähnliche Zahlen schreiben wie vor Corona – ich denke da an gut gebuchte Hotels oder Bergbahnen. Auf der anderen Seite gibt es jene, denen es viel schlechter geht. Einst wollte man zum Naherholungsziel Nummer eins im Gürtel Aarau über Zürich bis Zug werden. Muss man jetzt den Gürtel, was dieses touristische Ziel angeht, enger schnallen? Nein, im Gegenteil. Genau dieses Ziel ist unsere Stärke und der Grund, warum wir nicht wie andere in Schieflage geraten sind. Genau das hilft uns jetzt. Wir müssen uns auf den Schweizer Touristen konzentrieren, der internationale Gast ist nicht matchentscheidend, aber sehr willkommen.

Wie wollen Sie denn zur Nummer eins werden?

Der Kanton Schwyz verfügt über sehr vielfältige und attraktive touristische Angebote inmitten einer traumhaften Natur. Die Digitalisierung hilft uns dabei, die Reichweite bei den Gästen aus dem urbanen Gürtel zu erhöhen. Buchungen müssen beispielsweise unkompliziert und rasch online erfolgen können, Angebote und Neuerungen attraktiv angepriesen werden. Entsprechend werden wir die Chance der Digitalisierung nutzen. Ihr Vorgänger, Franz-Xaver Strüby, setzte vor allem auf den Tagestourismus. Fahren Sie einen anderen Kurs?

Nein, das ist nicht mein Anspruch. Ich bin nicht in das Amt als Verwaltungsratspräsident gekommen, um das Rad neu zu erfinden. Ich bin gekommen, um die Situation zu stabilisieren und den guten Kurs, den Schwyz Tourismus AG eingeschlagen hat, weiterzuverfolgen. Sie wollen den Schwyzer Tourismus also nicht um jeden Preis weiter ankurbeln? Ich persönlich bin der Meinung, dass mit den Ressourcen sorgsam umgegangen werden muss und nicht jede einzelne Ecke von Schwyz touristisch ausgebeutet werden muss. Es reicht, dort Akzente zu setzen, wo unsere Stärken liegen. Es geht schliesslich um Lebensräume. Und um das Zusammenleben von Hiesigen und Touristen. Ist das touristische Mehraufkommen in den vergangenen Jahren ein Problem?

Ich habe nicht das Gefühl, dass die Situation prekär ist. Natürlich bedeuten mehr fremde Menschen weniger Platz für Ortsansässige. Die touristischen Regionen des Kantons Schwyz verstehen es aber in meinen Augen gut, auf die Einheimischen einzugehen. Und wenn eine Gemeinde den Tourismus tief hält, hat das Auswirkungen auf die Infrastruktur und das Angebot: weniger Arbeitsplätze, weniger Freizeitattraktivitäten zum Beispiel. Da gilt es, einen gesunden Mittelweg zu finden.

Welche touristische Region ist denn derzeit am besten unterwegs?

Ich finde, die einzelnen Regionen Einsiedeln-Ybrig-Zürichsee, Erlebnisregion Mythen, Rigi und Stoos-Muotatal können gar nicht verglichen werden. Jede einzelne hat ihre Stärken und eigene Herausforderungen zu meistern. Eine Rangliste oder Wertung zu machen, finde ich persönlich nicht fair.

Gemäss der «Sonntags-Zeitung » fordert der schweizweite Tourismus drei Milliarden Franken, um nach der Pandemie wieder aufholen und aufrüsten zu können. Was denken Sie darüber?

Forderungen, es müsse mehr gemacht werden, gibt es immer. Hier im Kanton macht die Schwyzer Regierung bereits sehr viel. Ich persönlich bin da dezidierter und finde, was bereits getan wird, ist gut: die Impulsprogramme, der Austausch mit der Branche, die Gelder, die bereits geflossen sind. Letztlich muss doch jeder Betrieb früher oder später wieder lernen, auf eigenen Beinen zu stehen.

Wie viel Geld hat der Schwyzer Tourismus aus der Leistungsvereinbarung mit dem Kanton genau erhalten? Aus der Leistungsvereinbarung mit dem Kanton erhalten wir 560'000 Franken. Davon fliessen 200'000 Franken zu Luzern Tourismus und Zürich Tourismus. Unser Auftrag bezweckt die Förderung des Tourismussystems und der Tourismusbranche des Kantons Schwyz zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, zur Erhöhung der Wertschöpfung und Erhalt und Schaffung von Arbeitsplätzen.

Helfen sich die Leistungsträger in der Branche unterdessen gegenseitig aus? Sie sagten selbst, die einen seien überbucht, bei anderen herrsche gähnende Leere. Dazu kann ich nichts sagen, weil die Betriebe das unter sich ausmachen. Die Organisation Tourismus Schwyz AG begrüsst das auch, dass die Leistungsträger selbstständig agieren.

Warum schafft es Schwyz im Gegensatz zu anderen Kantonen oder Österreich nicht, die öffentlichen Verkehrsmittel gratis anzubieten? Es stimmt. Es gibt Kantone, die dieses Angebot vorweisen. Aber: Gratis ist gar nichts. Diese vermeintlich kostenlosen Angebote müssen irgendwie finanziert werden. Der Gast erhält dabei zwar einen Mehrwert – in irgendeiner Form zahlt er das aber auch, meistens über eine hohe Kurtaxe. Hat die Schwyz Tourismus AG eine Haltung gegenüber dem Klimawandel? Als Organisation setzen wir auf Nachhaltigkeit. Fakt ist aber, der Tourismus ist vom Reisen abhängig. Und hier liegt die Verantwortung bei Entscheidungsträgern, die darauf direkten Einfluss nehmen können, ob beispielsweise CO2-frei gereist werden kann.

Nun, zumindest bei den Wanderwegen sind Sie als Dachorganisation aber direkt betroffen. So besagt die Alpeninitiative, dass Wanderwege über kurz oder lang gefährdet sind, oder? Gut, das ist aber ein Problem, das nicht erst seit heute besteht und das wir auch nicht von jetzt auf gleich lösen können. Das hat schon früh, mit Beginn der Industrialisierung, begonnen. Und mit den Wanderwegen ist das so eine Sache – werden sie nicht unterhalten, verfallen sie. Wer weiss denn genau, ob das nur am Klimawandel liegt oder ob sie schlicht ungünstig angelegt worden sind?

Wenn nicht die Wanderwege, was steht stattdessen auf Ihrer Agenda? Zentral ist bei mir momentan die Verfolgung des Masterplans. Um besser auf die grossen Herausforderungen reagieren zu können, erhält das Gesamtsystem Tourismus eine neue Struktur. Aus Gästesicht sieht der Masterplan vor, den Kanton in die vier genannten Regionen zu gliedern: Ausserschwyz-Einsiedeln- Ybrig, Mythen-Schwyz-Brunnen-Sattel, Stoos-Muotatal und rund um die Rigi. Jede Region entwickelt ihr eigenes Profil und wird im Sinne einer Bündelung der Kräfte von uns als Tourismusregion geführt. Meine Aufgabe ist es, dies weiter voranzutreiben und zu fördern. Unsere Haupthandlungsfelder sind: Chancen der Digitalisierung nutzen, nachhaltige Produkte und Angebotsentwicklung, Stärkung der Leistungsträger über Neue-Regionalpolitik- Projekte, Weiterentwicklung des Rollenmodells im Gesamtsystem und überkantonale Zusammenarbeit mit Luzern und Zürich Tourismus.

Zur Person

anj. Arno Solèr ist am 26. August 1974 geboren. Er ist verheiratet und hat drei Kinder. Arno Solèr lebt in Altendorf, ist Bauingenieur und seit dem 1. Januar Verwaltungsratspräsident der Schwyz Tourismus AG. Zu seinen Hobbys gehören Reisen, Velo- und Skifahren, Lesen und die Familie.

«Positiv finde ich an der Pandemie, dass gesellschaftlich eine Entschleunigung stattgefunden hat.» «Ich fand das erfrischend angenehm, im Winter ohne Drängeln am Skilift zu stehen.» «Nein, der Schwyzer Tourismus ist nicht in der Krise.» «Wir müssen uns auf den Schweizer Touristen konzentrieren.» «Wer weiss denn genau, ob das nur am Klimawandel liegt?»

Arno Solèr – der Ausserschwyzer mit Bündner Wurzeln hat eine klare Strategie: «Ich bin gekommen, um die Situation zu stabilisieren, und den guten Kurs, den Schwyz Tourismus AG eingeschlagen hat, weiterzuverfolgen.» Foto: Anja Schelbert

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