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Ein Fund von europäischer Bedeutung

Ein Fund von europäischer Bedeutung Ein Fund von europäischer Bedeutung

Im Flötzerbändli eingangs Bisistal wurde ein 10’500 Jahre altes Hirschgeweihfragment mit Verzierungen entdeckt.

FRANZ STEINEGGER

Der Muotathaler Höhlenforscher Walter Imhof fand im Mai unter dem Flötzerbändli, einer Balm eingangs Bisistal, Holzkohle. Im August fanden mit Bewilligung des Staatsarchivs Schwyz archäologische Ausgrabungen statt. Dabei entdeckten er und der leitende Archäologe Urs Leuzinger vom Amt für Archäologie des Kantons Thurgau eine massive Feuerstelle – ein sicheres Zeichen, dass die überhängende Felswand Menschen als Rastplatz gedient hatte.

Das Resultat der Altersbestimmung war überraschend. Die Feuerstelle ist datiert ins frühe Mittelalter (6. Jahrhundert) – in eine Zeit also, als die Römer das Gebiet der Schweiz bereits verlassen hatten, die Alemannen aber noch nicht eingewandert waren. Aus dieser Zeit liegen nur wenige archäologische Funde vor. Ein unscheinbares Fragment entpuppt sich als Sensation Auf die eigentliche Sensation stiessen die beiden in tieferen Schichten. «Wir wollten den Grabungsschnitt bereits zuschütten, da beschlossen wir mehr zufällig, eine Bodenprobe zu entnehmen », erklärt Urs Leuzinger. Sie fanden einen Tierknochen und nahmen ihn ohne viel Aufhebens mit. Das Fragment entpuppte sich als Sensation, wie Imhof und Leuzinger schon bei einer näheren Begutachtung herausfanden. Denn der rund acht Zentimeter lange Knochen war mit gebohrten Grübchen versetzt. Die genaue Datierung ergab ein Alter von 10’500 Jahren. «Das Objekt ist von extremer Seltenheit und von internationaler Bedeutung », erklärte Ralf Jacober, wissenschaftlicher Archivar beim Staatsarchiv Schwyz und Ansprechpartner für archäologische Funde, an einer Medienorientierung.

Die Mittelsteinzeit gilt als eine Epoche, die äusserst arm ist an Bildern und Verzierungen. Dies im Gegensatz zur vorausgehenden jüngeren Altsteinzeit, wo zahlreiche Wandmalereien und Kleinkunstobjekte nachgewiesen sind. «Schweizweit ist bisher erst ein Kunstobjekt aus der Mittelsteinzeit bekannt, das aber etwa 2500 Jahre jünger ist als das vorliegende», unterstreicht Jacober die Bedeutung der Entdeckung. Die Grübchenreihen bleiben ein Rätsel Eine Begutachtung durch den Archäozoologen Werner Müller an der Universität Neuenburg zeigte, dass es sich um ein halbrundes Hirschgeweihfragment handelt. Zudem liess sich ein weiteres Stück aus der Grabung an das aussergewöhnliche Objekt anpassen.

Das Geweihstück ist mit gebohrten Grübchen in sieben regelmässigen, schräg versetzten Doppelreihen verziert. Über die Funktion und Bedeutung der Grübchenreihen könne nur spekuliert werden. «Handelt es sich um eine reine Verzierung oder versteckt sich hinter den regelmässigen Mustern allenfalls doch ein Code», rätseln die Entdecker. Wenn dem so wäre, liesse er sich nicht mehr entschlüsseln, weil er unvollständig erhalten ist. Denn es liegen aus dieser Zeitepoche europaweit nur wenige Vergleichsfunde in Frankreich, Polen, Deutschland und Dänemark vor.

Das Bisistal hat sich mit diesem Geweihartefakt auf die europäische Karte der Mittelsteinzeit- Kunst gesetzt.

Walter Imhof (links) hatte erneut eine gute Spürnase für archäologische Funde bewiesen. Die Ausgrabung unter dem Flötzerbändli leitete Urs Leuzinger (im Sondierungsschacht). Foto: Franz Steinegger

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