Auf den Spuren von Bruder Klaus
Am Mittwoch fand bei prächtigem Wetter die Bezirkswallfahrt nach Sachseln und Flüeli-Ranft statt
Über sechzig Gläubige nahmen an der Wallfahrt des Bezirks Einsiedeln an die Wirkungsstätte des Mystikers und Mittlers Niklaus von Flüe teil. Gastprediger war Pater Cyrill Bürgi, der Visionen von Bruder Klaus zur Sprache brachte. Thema an der Wallfahrt waren gleichsam das Coronavirus und seine Folgen.
MAGNUS LEIBUNDGUT
Wider Erwarten ging am 1. Juli dem Coronavirus zum Trotz die Bezirkswallfahrt doch noch über die Bühne – wenn auch in abgespeckter Form und ohne Erstkommunionkinder. Bereits die Anfahrt nach Sachseln gestaltete sich virusbedingt ausserordentlich und verlief in anderen Bahnen: Statt mit Bussen fuhren die Pilger im Privatauto oder mit dem öffentlichen Verkehr nach Sachseln.
Zu Beginn der Eucharistiefeier in der Wallfahrtskirche in Sachseln begrüsste Pater Josef Rosenast die Wallfahrer aus Einsiedeln: «Die Pilgergruppe aus dem Klosterdorf ist die erste grössere, die nach dem Lockdown wieder zu uns kommt.» Er habe die Hand von Bruder Klaus am Himmel gesehen, die sich schützend über das Land geneigt habe, sagte der Bruder- Klaus-Kaplan: «Wir können dankbar sein, dass wir in unserem Land die Corona-Krise so gut überstanden haben.» Den Blick nach innen richten
Pater Basil Höfliger thematisierte gleichsam die Corona-Pandemie und die allerorten festzustellende Unsicherheit, die sich wegen des Virus eingestellt habe: «Bruder Klaus hat seinen Blick schliesslich statt nach aussen nach innen gerichtet und damit die Perspektive ausgeweitet und eine andere Sicht der Dinge ermöglicht.» Pater Cyrill predigte in der Pfarrkirche Sachseln, dass Jesus Christus die Gläubigen nicht allein lasse, auch wenn diese das Gefühl hätten, die Welt sehe sie nicht. «Just in dieser Corona-Krise ist zum Ausdruck gekommen, dass die Welt ausbeutet, hetzt, rennt und terminiert », führte Pater Cyrill aus: Zwar habe die Corona-Pandemie möglich gemacht herunterzufahren, sich zu besinnen.
«Doch nach einer kurzen Reflexionsphase geraten wir in Gefahr, das alles wieder wird wie vor der Coronakrise», sagte der Festprediger: Bruder Klaus habe nicht nur Visionen gehabt, sondern auch nach innen geschaut. Er habe bereits in seiner Jugendzeit ständig mit sich gerungen, sei hin- und hergerissen gewesen und in schweren Depressionen und Einsamkeit versunken.
Wegen Corona in Not geraten
Schliesslich sei Bruder Klaus von all seinen öffentlichen Ämtern zurückgetreten und Einsiedler geworden. «Es ist ihm aber nie darum gegangen, sich egoistisch zu isolieren, sondern vielmehr darum, offenherzig aufeinander zuzugehen», konstatierte Pater Cyrill: «Der heilige Geist lässt uns nicht in Ruhe, bis wir den Frieden finden.» Im Anschluss an die Predigt trug Franziska Keller die Fürbitten in der Pfarrkirche Sachseln vor: Die Religionspädagogin der Pfarrei Einsiedeln bat um den Segen für Menschen, die in der Corona-Krise in finanzielle Not geraten sind, und für göttlichen Beistand für die Regierung, auf dass eine gute Politik gelingen möge. Ebenso bat Franziska Keller darum, dass die Menschen in der Lage sein können, aufeinander zuzugehen. Zudem bat die Religionspädagogin um den Segen für die Erstkommunionkinder, auf dass sie mit Zuversicht in die Zukunft gehen könnten. Zu guter Letzt gedachte Keller den Verstorbenen, auf dass ihnen das ewige Licht leuchte.
Während die Mehrheit der Wallfahrer nach der Eucharistiefeier mit Autos oder dem Postauto nach Flüeli-Ranft gefahren war, liessen sich ein paar Unentwegte nicht von der grossen Hitze abhalten, den Pilgerweg unter die Füsse zu nehmen.
Die Freiheit, reden zu dürfen
Nachdem im Jugendstilhotel Paxmontana das Mittagessen eingenommen wurde, blieb vor der feierlichen Andacht auf dem Feierplatz in Flüeli noch Zeit für einen Abstecher in den Ranft, um den beiden Kapellen und der Einsiedlerzelle von Bruder Klaus einen Besuch abzustatten. An der Andacht auf dem Festplatz stellte Pater Cyrill seine Rede unter das Motto der Parrhesia: Redefreiheit bedeute, freimütig, offen und in Vertrautheit sprechen zu können.
Die Parrhesia sei schliesslich auch in der Demokratie wichtig, auf dass ein jeder Bürger das Recht habe, seine eigene Meinung zu äussern ohne Angst vor einer Bestrafung. Die Parrhesia habe auch eine religiöse Konnotation, schilderte Pater Cyrill: Dank ihr sei es möglich, aufrecht stehend von Angesicht zu Angesicht mit Gott zu sprechen.
Nach der Aussetzung des Allerheiligsten, einem Gebet zum heiligen Bruder Klaus und dem Schluss-Segen war es höchste Zeit aufzubrechen: Bereits deuteten Gewitterwolken in der Ferne auf ein drohendes Unwetter hin. Und just beim Eintreffen der Pilger am Bahnhof Sachseln ergoss sich ein wahrer Hagelschauer aus den Wolken und prasselte mächtig nieder.
Am Ziel angekommen, erreichen die Pilger die Obere Ranftkapelle. An diese Kapelle angebaut ist die Einsiedlerzelle: Hier starb Bruder Klaus am 21. März 1487.
Fotos: Magnus Leibundgut
Nach dem Tod von Bruder Klaus wuchs der Pilgerstrom. Die Untere Ranftkapelle wurde 1501 gebaut und birgt reichen Freskenschmuck.
Der Weg ist das Ziel: Auf dem Pilgerweg nach Flüeli-Ranft unterwegs kommen Teilnehmer der Bezirkswallfahrt gehörig ins Schwitzen.
Ein letzter Blick zurück auf die Pfarrkirche in Sachseln und den Sarnersee, bevor die Pilger den steilen Weg nach Flüeli unter die Füsse nehmen.
Pater Cyrill Bürgi predigt in der Pfarrkirche Sachseln: « Jesus lässt die Gläubigen nicht allein. Der Geist wird euch an alles erinnern.»