«Viele Senioren sind erstaunlich gelassen im Umgang mit dem Coronavirus»
Monika Schwartländer vom Ärztezentrum Medico-Plus Einsiedeln klärt Demenz ab, beschäftigt sich mit Fragen zu Multimedikation im Alter und begleitet Menschen in Altersheimen. Dort trifft sie auf Senioren, die sich in dieser Zeit wegen des Coronavirus zu ihrem Schutz unter verschärften Massnahmen im Sinn der Social Distance befinden.
MAGNUS LEIBUNDGUT
Derzeit ist Monika Schwartländer erst recht viel beschäftigt und sehr herausgefordert: Die Coronawelle ist landesweit angelaufen und hinterlässt auch im Klosterdorf Spuren. Die 65-jährige Fachärztin für Innere Medizin und Geriatrie besucht Bewohnende in Alters- und Pflegeheimen. Und zusätzlich zur üblichen Begleitung und Behandlung der betagten Menschen ist auch bei entsprechenden Symptomen die Testung auf Covid-19 erforderlich.
«Wir Ärzte führen die Tests in den Heimen beim geringsten Verdacht durch, da sehr unterschiedliche Symptome an die durch den Coronavirus ausgelöste Lungenkrankheit erinnern», schildert Monika Schwartländer: «Die meisten Senioren sind gelassen im Umgang mit der Bedrohung durch den Sars-CoV-2-Virus. Angst ist kaum spürbar. Das ist doch einigermassen erstaunlich zu beobachten und hebt sich ab von der Gefühlslage, die draussen vor der Tür ansonsten festzustellen ist.» Angst vor den Schläuchen
Erstaunlich ist es auch deswegen, weil alte Menschen die grösste Risikogruppe darstellen: 15 Prozent der über 80-Jährigen überleben die Ansteckung nicht. Zusätzlich kommt es bei hochaltrigen Patienten oft zu einem schweren Verlauf der Krankheit. «Das heisst nun aber nicht, dass Senioren automatisch auf der Intensivstation landen müssen, wenn die Krankheit ausbricht », betont Schwartländer: «Viele ältere Menschen wollen gar nicht ins Spital und bevorzugen, lieber zu Hause oder im Heim möglichst gut begleitet zu werden.» Angst löst vor allem die Vorstellung aus, auf einer Intensivstation an Schläuchen angehängt zu sterben.
Die Mitarbeiterin des Ärztezentrums MedicoPlus in Einsiedeln stellt denn den Wunsch und den Willen der Bewohnenden in den Vordergrund, der von Ärzteteams und vom Altersheimpersonal respektiert wird: «Niemand wird gezwungen, ins Spital oder auf eine Intensivstation eingeliefert und dort intubiert zu werden, wenn er das nicht will.» Lieber im Heim sterben «Es wird oftmals der Wunsch deutlich, dass ältere Menschen zu Hause oder im Heim sterben möchten», stellt Schwartländer fest: «In diesem Fall kommt die Palliativpflege und -medizin zum Zuge. Es gibt gerade in Zusammenhang mit der Lungenkrankheit
Zur Person
ml. Monika Schwartländer ist am 17. Januar 1955 in Mainz geboren und in Deutschland aufgewachsen. Seit dem Jahr 2004 lebt sie in der Schweiz und hat eine Doppelstaatsbürgerschaft CH/D. Monika Schwartländer absolvierte nach einem Studium der Medizin eine Ausbildung zum Facharzt Innere Medizin, Schwerpunkt Geriatrie. Sie ist seit dem Sommer 2017 Ärztin für Altersmedizin im Ärztezentrum MedicoPlus in Einsiedeln. Zuvor war Monika Schwartländer Chefärztin Geriatrische Rehabilitation in der Rehaklinik Dussnang. Sie ist Mitglied in verschiedenen medizinischen Fachgesellschaften. Zu den Hobbys von Monika Schwartländer zählen Garten, Natur, Lesen und Fotografieren. Sie ist verheiratet und lebt in Hinwil.
Covid-19 gute Palliativmassnahmen. Bei Atemnot stehen Medikamente und viele begleitende Massnahmen zur Verfügung, die das Gefühl der mangelnden Sauerstoffaufnahme, Angst, Unruhe und Schmerzen lindern.» Naturgemäss sei es einfacher, wenn bereits vor einem allfälligen Spitaleintritt die Weichen gestellt würden. «Viele Senioren haben bereits eine Patientenverfügung, in der lebensverlängernde Massnahmen thematisiert werden», weiss die Geriatrie- Fachärztin: «Allerdings nützen viele Patientenverfügungen bei einem akuten Corona-Fall wenig, da sie in der Stresssituation des akuten Notfalls oft erst zum Zug kommen, wenn die Patienten schon auf der Intensivstation liegen und die Ärzte entscheiden müssen, ob beatmet werden soll oder nicht.» Es sei sinnvoller, bereits im Vorfeld in einem Dokument schriftlich festzuhalten, wie man bei einer Infektion behandelt werden möchte und zum Beispiel zum Ausdruck bringt, dass man gar nicht erst ins Spital will.
«Wie gerne leben Sie?»
Aus diesem Grund empfiehlt Schwartländer die Standortbestimmung im Rahmen der Patientenverfügung ACP-Kurzform (ACP für Advance Care Planning), die im Rahmen der Coronapandemie 2020 erstellt wurde. Dies ist eine Patientenverfügung «plus», eine Art erweiterte Patientenverfügung: «Das ist ein ideales Werkzeug für Patienten, mit dem sie die Erwartungen, die sie an ihre Behandlung haben, eindeutig und verständlich formulieren können », konstatiert Schwartländer: «Neben dem Behandlungsteam, das nun Leitplanken folgen kann, ist diese Patientenverfügung auch dem Hausarzt und den Angehörigen bekannt. Sie können so den mutmasslichen Willen der betroffenen Person vertreten, falls diese urteilsunfähig wird.» In dieser Verfügung muss sich der Patient Fragen stellen: «Wie gerne leben Sie? Was sind Sie bereit, an Belastungen auf sich zu nehmen, um Ihre Lebensziele zu erreichen? Wenn Sie an Lebensverlängerung denken, welche medizinischen Massnahmen dürfen wir einsetzen und welche Massnahmen möchten Sie auf keinen Fall? Wie beschreiben Sie den Zustand, in dem Sie sicher nicht mehr länger leben möchten?» Notfallanordnung im Fokus «Es ist sicher hilfreich, die Massnahmen zuerst mit einer Fachperson, zum Beispiel mit dem Hausarzt, zu besprechen», führt Schwartländer aus: «Die Patienten schreiben die gewünschten Massnahmen danach nieder. Zusätzlich gibt es noch die Möglichkeit einer ärztlichen Notfallanordnung, in der in wenigen Punkten die aktuellen Wünsche der betreffenden Person bezüglich Reanimation und Notfallmassnahmen angekreuzt werden können. Der Hausarzt unterschreibt das Papier. » So kann auch im Falle einer Urteilsunfähigkeit dem Willen des schwer Erkrankten entsprochen werden.
Monika Schwartländer ist Fachärztin für Innere Medizin und Geriatrie im Ärztezentrum MedicoPlus in Einsiedeln.
Foto: zvg