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Quo vadis?

Quo vadis? Quo vadis?

ZWISCHENLUEGETEN 3

Wenn wir sie nicht hätten, wäre der Alltag für uns alle eindeutig schwieriger: Die Erfindung der Schuhe hat der Menschheit zum viel bequemeren Fort-Schreiten verholfen, was beispielsweise von Handschuhen nicht behauptet werden kann. Seit wir unsere Füsse mit Häuten von Haustieren schützen und schmücken, sind wir praktisch durchgehend blasen- und verletzungsfrei unterwegs. Gleichzeitig verweisen unsere Schuhe in Machart, Stil und Pflegezustand auf unseren Charakter und zeigen augenblicklich, worin wir uns gerade wohl fühlen und/oder was wir eigentlich gern sein möchten. Schuhe gehören zum Persönlichsten, was wir an uns tragen. Die Vorstellung, in – so-gar auch vorgewärmte – fremde Schuhe schlüpfen zu müssen, ist keine angenehme. Ich habe jedenfalls ein sehr kameradschaftliches Verhältnis zu allen meinen Schuhen und lasse ihnen im Gegenzug für ihre treuen Dienste gerne jene Sorgfalt zukommen, die sie dafür brauchen. Gründliche Schuhpflege ist eine sehr befriedigende Aufgabe, die ich seit je selber übernehme. Der Anblick eines zuvor lehmig verkrusteten,nach der pflegenden Reinigung wieder hochglänzenden Lederschuhs vermittelt mir ein sehr gutes Gefühl, das ich nicht missen und schon gar nicht an die Gattin delegieren möchte. Schuhpflege ist zudem kontemplativ und fördert den fragenden Gedankenfluss. Gäbe es ihn noch, würde ich den Briefkastenonkel im Radio Beromünster nämlich gern einmal fragen, wohin die Tausenden Tonnen Schuhcreme eigentlich verschwinden, welche unsere Zivilisation jährlich in die strapazierten Leder reibt. Klärli meint, der habe das vermutlich auch nicht gewusst.

* Ernst Friedli, 64, seit 31 Jahren verheiratet mit Klärli, geborene Schönbächler. Nichtraucher und Sachbearbeiter im Rathaus, steht unter Amtsgeheimnis. Macht sich in der Freizeit Gedanken zur Weltlage, und dies auch beim Schuheputzen.

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