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Tod und Schönheit sind flüchtig

Tod und Schönheit sind flüchtig Tod und Schönheit sind flüchtig

Erster Diskursabend des Welttheaters mit Lukas Bärfuss im Literaturhaus Zürich

Der erste Abend der vierteiligen Diskursreihe des Welttheater-Autors und Georg-Büchner-Preisträgers Lukas Bärfuss im Literaturhaus Zürich war dem Wiener Kulturwissenschaftler Thomas Macho gewidmet.

Thomas Machos Habilitationsschrift «Todesmetaphern» (1987) ist legendär und hat eine ganze Forscher- und Künstlergeneration beeinflusst. Weitere Schwerpunkte seiner Arbeit sind Grenzerfahrungen, Rituale, Feste, Rollen- und Vorbilder. Der Frage «Was ist schön?» widmete er einen Sammelband.

Beim «Grossen Welttheater» von Pedro Calderón suchen wir vergeblich eine Rolle für den Tod. Er ist einfach da, man geht von der Bühne ab. Und trotzdem sprachen Lukas Bärfuss und sein Gast aus Wien, Thomas Macho, Philosoph und Sigmund Freud-Preisträger, einen Abend lang vor vollem Haus und intellektuell hochstehend über die Schönheit und auch den Tod, der ohne Rolle eine Rolle spielt. Wir gehen alle auf ihn zu.

Schönheit allein reicht nicht mehr Thomas Macho sieht die Schönheit vor allem in der Musik, in der vollkommenen Übertragung von Stimmung, Absicht und Traum. Das bedeutet aber auch, dass die Schönheit flüchtig ist, obwohl sie der Wahrheit (verum), dem Guten (bonum) und dem Einen (unum) entspringt. Das sind die Voraussetzungen von Schönheit bis zu Friedrich Nietzsche, der dann dem Unum die Grundlage entzog. Schönheit allein reicht heute nicht mehr, denn sie bedeutet auch Konkurrenz und dadurch wird um die Schönheit auch gekämpft. Was daraus entstehen kann, erkennen wir im Alltag. Das geht so weit, dass Ian M. Banks in seinem Science-Fiction-Roman «The Player of Games» eine Anti-Diskriminierungspille verschreibt, um die Diskriminierungsbereitschaft und Vorurteile abzubauen. Diese muss man dauernd einnehmen. Quintessenz: Die Schönheit ist nicht zu erhalten, das Flüchtige ist ihr Fundament und gehört zu ihrem Wesen. Deshalb gibt es auch Künstler, die ihre Kunstwerke zerfallen lassen oder gar verbrennen wie Bernhard Luginbühl oder Anselm Kiefer.

Der Tod wirkt durch sein Wesen ebenfalls auf unser Leben. Er ist eigentlich der Ursprung des Denkens. Das löst auch Trost aus. Wir wissen nichts Endgültiges über das Leben nach dem Tod und sinnieren dann über die Möglichkeiten. In der Realität versuchen wir dem Tod durch Denkmäler, Grabstätten und Einbalsamierungen ein Schnippchen zu schlagen. Bis jetzt wurden wir da durch gemeinsame Rituale unterstützt. Diese werden heute immer individueller und doch auch in vielen Fällen massenorientiert wie beim Tod von Lady Di. Der Tod beinhaltet immer auch Trost, aber auch Trauer. Diese kann politisch genutzt werden und ist so empfindlich für falsche Töne.

Für viele ist es ein Segen, die Todesstunde nicht zu kennen. Einige aber möchten ihr Lebenswerk selbst abschliessen, ja abrunden. Deshalb verzeichnen wir auch viele Freitode unter Künstlern. Sie nehmen sich diese Freiheit.

Trennung vom Ewigen könnte die Welt retten Der Tod und die Schönheit ha-ben gemeinsam, dass sie die Veränderung in sich tragen. Beide sind flüchtig. Wir täten gut daran, Flüchtiges zu schätzen und wahrzunehmen. Nach Thomas Macho könnte die Trennung vom Ewigen die Welt retten und die alten und neuen Rituale die Gemeinschaft.

Es war ein intensiver Abend und man ging mit vollem Gepäck und neuen Gedanken aus dem Literaturhaus hinaus in die Welt, wo es quietscht und rattert, nicht nur von den Trams. Lukas Bärfuss und Thomas Macho haben den vollbesetzten Saal in ihren Bann gezogen und unser Nachdenken aktiviert.

Die nächsten Diskursabende des Welttheaters Einsiedeln mit Lukas Bärfuss im Literaturhaus Zürich: 7. März, 19.30 Uhr: Gespräch mit Christian Neuhäuser über Armut und Reichtum; 4. April, 19.30 Uhr: Gespräch mit Christiane Grefe über Bauer und Welt; 16. Mai, 19.30 Uhr: Gespräch mit Margrit Stamm über das Kind und die Weisheit/Urteilskraft.

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