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Tattoo

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ZWISCHENLUEGETEN 3

Wir haben beide keines. Denn als wir jung waren, hatten das bei uns nur die Matrosen und einige der starken Männer, welche jeweils das Zirkuszelt oder die Chilbibahn aufbauten. Sie trugen auf ihren muskulösen Armen meis-tens einen verzierten Anker, ein pfeildurchbohrtes Herz oder ein Segelschiff. Ich weiss noch, dass uns einmal einer von ihnen zeigte, wie er das Grosssegel blähen konnte, wenn er seinen Bizeps anspannte. Wer damals ein Tattoo trug, bewegte sich hart an der Grenze des geordneten Alltags, wenn nicht bereits jenseits davon.

Dieser Eindruck hat sich dann verstärkt, als die sogenannten «Halbstarken» auftraten, welche ihre Kampfeslust nicht selten ebenfalls mit ganzstarken Körperzeichen untermalten. Und als die Halbstarken schwächer wurden, übernahmen die hubraumstarken «Höllenengel» das Tragen von immer grossflächigeren Hautbildern.

Unterdessen ist auch in unserer ordentlichen Gesellschaft eine riesige Tattoo-Industrie herangewachsen und hat, ohne Rücksicht auf Geschlecht, Würde und Stand, alles verziert, was von einer Haut überzogen ist. Neuerdings scheint auch dieser Trend sich langsam zu erschöpfen. Offenbar nimmt der Bedarf zu, sich sein(e) Tattoo(s) wieder entfernen zu lassen, was leider nicht so einfach und so günstig ist, wie solche anzubringen. Vermutlich werden demnächst Tattoo-Entfernungsinstitute aus dem Boden schiessen. Sollten die Krankenkassen solche Entfernungs-Kosten übernehmen, würde ich mir (mit entfernbarer Tinte) zwei Worte auf den Mittel- oder Zeigefinger schreiben: «So nicht!» * Ernst Friedli, 64, seit 31 Jahren verheiratet mit Klärli, geborene Schönbächler. Nichtraucher und Sachbearbeiter im Rathaus, steht unter Amtsgeheimnis. Macht sich in der Freizeit Gedanken zur Weltlage und verfügt über eine unbeschriebene Haut.

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