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«Angststörungen und Depressionen haben zugenommen»

«Angststörungen und  Depressionen haben zugenommen» «Angststörungen und  Depressionen haben zugenommen»

An der Hauptstrasse 43 in Einsiedeln hat Petra Wehrli am Donnerstag eine Praxis für Psychotherapie eröffnet. Die 52-jährige Psychotherapeutin steht Red und Antwort über ihre Arbeit: «Die psychische Belastung der Bevölkerung hat zugenommen. Es suchen mehr Leute Hilfe als früher.»

Ein Grossteil der Schweizer Bevölkerung, insbesondere der jungen Erwachsenen, leidet psychisch. Das zeigt ein neuer Bericht des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums. Erstaunen Sie diese Zahlen? Nein. Grundsätzlich wissen wir, dass Menschen durch verschiedene Faktoren psychisch belastet sein können. Es geht um biologische, psychologische oder soziale Faktoren. Meist ist es eine Kombination dieser drei Bereiche. Zudem scheint die psychische Belastung der Bevölkerung im Vergleich zu vor der Pandemie etwas angestiegen zu sein.

Was ist passiert?

Neben vielfältigen Faktoren zeigt sich einerseits ein Trend in der Gesellschaft, offener und unbeschwerter über psychische Belastungen zu sprechen. Aus diesem Grunde suchen bestimmt mehr belastete Menschen fachliche Hilfe und es kann auch leichter Hilfe angeboten werden. Gerade junge Leute getrauen sich heute viel schneller als früher, über ihre Ängste zu sprechen und sich Unterstützung zu holen. Die Corona-Pandemie ist schuld an dieser Situation? So global kann man das wohl nicht sagen, aber die Pandemie war bestimmt einer von vielen Faktoren. Gerade Kinder und Jugendliche mussten eine intensive Alltagsveränderung erleben und durchstehen. Geschlossene Schulen, keine Freizeitangebote, eingeschränkte Kontakte: All diese Massnahmen haben den Jungen zu schaffen gemacht. Leider müssen sie heute oft lange auf psychotherapeutische Hilfe warten. Auch für Erwachsene oder ältere Menschen war es eine sehr belastende Zeit. Gerade ältere Leute zu Hause oder Senioren in den Altersheimen haben stark gelitten. Die Pandemie war möglicherweise ein Trigger für teils bereits bestehende Probleme, ist aber sicherlich nicht allein dafür verantwortlich. Je nach Resilienz oder vorhandenen Ressourcen jedes Einzelnen kann mit Belastungsfaktoren unterschiedlich umgegangen werden, und die Auswirkungen sind somit individuell sehr verschieden. Man kann eine solche Krise im besten Fall «recht gut» überstehen – oder aber man erlebt eine äusserst schwierige Zeit und hat mit sehr starken psychischen oder physischen Problemen zu kämpfen. Haben also all diese Massnahmen, die während der Corona-Pandemie ergriffen worden sind, mehr geschadet als genützt? Das ist eine sehr schwierige Frage, die ich nicht beantworten kann. In naher Zukunft werden wir bestimmt mehr darüber wis-sen und aussagen können. Junge Frauen weisen bei allen Indikatoren im Bericht eine markant höhere Belastung auf als junge Männer. Warum ist das so? Möglicherweise hat das damit zu tun, dass Frauen bei psychischen Belastungen tendenziell schneller darüber sprechen und sich Hilfe holen als Männer, denen es manchmal etwas schwerer fällt, über Gefühle und Empfindungen zu sprechen. Natürlich ist aber auch das individuell sehr verschieden. Zudem hat sich die gesellschaftliche Frauenrolle in den letzten Jahrzehnten neu ausgerichtet, was eine Veränderung in der Belastung mit sich bringen kann. Eine Rolle spielen vielleicht für junge Frau-en auch gewisse soziale Medien, die bestimmte Lebensweisen oder hochgesteckte Körperideale vermitteln und somit auch einen enormen Druck aufbauen, diesem nachzueifern, sich mit anderen zu vergleichen. Das Individuelle und Natürliche tritt lei-der oft in den Hintergrund. Man sagt, die Generation Z halte nichts aus – mit Folgen für den Arbeitsmarkt. So pauschal kann man das nicht sagen. Sicherlich hat die Gene-ration Z ein anderes Verhältnis zur Arbeit als etwa die Babyboomer, was aber auch als Chance im Sinne einer guten Work-Life-Balance zu betrachten ist. Meine Beobachtung in meiner Praxis zeigt zudem, dass junge Leute durchaus stark, sogar zäh sind und viel aushalten. Sie sind gewillt, viel zu leisten und ihr Leben bestmöglichst zu bestreiten, was mich oft enorm beeindruckt. Die psychiatrischen Institutionen sind am Anschlag, vor allem bei Kindern und Jugendlichen. Wieso ist das so?

Einerseits hat die psychische Belastung der Bevölkerung zugenommen. Es suchen mehr Leute Hilfe als früher, weil psychische Krankheiten wie Angststörungen und Depressionen zugenommen haben. Andererseits hat die Stigmatisierung von psychischen Krankheiten abgenommen: Die Leute sind viel eher bereit als früher, eine Psychotherapie in Angriff zu nehmen. Hinzu kommt eine stärkere Sensibilisierung im Umgang mit Kindern oder Jugendlichen in Bezug auf deren psychischen Befindens.

Welche Art von Psychotherapie wenden Sie an? Die Therapie basiert auf der Ausbildung des Klaus-Grawe-Instituts in Zürich mit kognitiv-behavioralem und interpersonalem Schwerpunkt. Dabei sind folgende fünf Wirkfaktoren für die Psychotherapie zentral: 1. Die therapeutische Beziehungsgestaltung, die die wichtigste Basis der Therapie darstellt und Empathie, Akzeptanz und Wertschätzung durch die Therapierenden bedeutet. 2. Die Ressourcenaktivierung, die positive Möglichkeiten aktiviert. 3. Die Problemaktivierung, die Probleme, die verändert werden sollen, unmittelbar erlebbar macht. 4. Die aktive Hilfe zur Problembewältigung, die Kompetenzen für positive Bewältigungserfahrungen entstehen lässt. 5. Die motivationale Klärung, die hilft, sich klar und bewusst zu werden, welche Ziele, Erwartungen und Werte dem eigenen Erleben und Verhalten zugrunde liegen. Meine Arbeitsweise beinhaltet wissenschaftlich fundierte, wirksame und praxisnahe Techniken und Ansätze. Dazu gehören klärende Gespräche, Reflektieren von Erlebtem, Erkennen von eigenen Bedürfnissen und Wünschen, Erlernen von neuen Strategien für die Erreichung von Zielen und für eine Verbesserung des Befindens.

Was bieten Sie an?

Ich biete Einzelsitzungen, Paarberatungen und Mehrpersonengespräche an. Die Themenbereiche umfassen schwierige Lebenssituationen, Krisen unterschiedlichster Art, Anpassungsstörungen, Überlastung, affektive Störungen (Depression, Manie, bipolare Störungen), Schlafstörungen, Stress, Leistungsdruck, Konzentrationsprobleme, berufliche Belastungen, Burnout, Angststörungen (Panikstörungen, soziale Phobien, Agoraphobie), Kommunikationsprobleme, Beziehungsfragen, Paarkonflikte und belastende Lebensereignisse (zum Beispiel Verlust nahestehender Personen, Trennung, Elternschaft, Pensionierung, Unfälle, Erkrankungen). Ich arbeite mit Erwachsenen jeden Alters sowie Jugendlichen ab 16 Jahren. Wie würden Sie Psychotherapie definieren? Psychotherapie bedeutet, sich mit den eigenen Wünschen, Bedürfnissen, Entbehrungen oder Belastungen auseinanderzusetzen, um daraus neue Erkenntnisse zu gewinnen. Eine Therapie hilft, das Befinden zu verbessern: Sie ist eine Möglichkeit, in belastenden Lebensphasen neue Perspektiven und Möglichkeiten zu erarbeiten, gewisse Verhaltensweisen zu ändern und weiterführende Entwicklungen zuzulassen, um so den eigenen Lebensweg positiv zu gestalten.

Wie sind Sie selber auf die Psychotherapie gestossen? Mein eigenes Leben hat mich viel Lebenserfahrung sammeln lassen. Dadurch habe ich gelernt, dass auch in belastenden Momenten Stärke aufgebaut werden kann und es sich lohnt «in Chancen zu denken». Dieses Wissen gibt mir heute die Möglichkeit, meinen Klientinnen und Klienten nahe zu sein, ihre Lebenssituationen, ihre Gefühle, Bedürfnisse, Gedanken und Verhaltensweisen nachvollziehen zu können und zu verstehen. Ich arbeite sehr gerne auf diese Weise mit den Menschen und unterstütze sie auf ihrem eigenen individuellen Weg. Was bedeutet Ihnen die Seele?

Es ist nicht einfach, eine Definition für die Seele zu finden und bestimmt hat sie für jeden einzelnen Menschen eine sehr individuelle und persönliche Bedeutung. Ich würde die Seele oder die Psyche eines Menschen vielleicht am ehesten als eine Gesamtheit seiner Gefühlswelt in seinem Inneren verorten, die das Wesen des Menschen ausmacht, in welchem auch Gefühle entstehen, Wünsche auftauchen. Sie beeinflusst unser Fühlen, Denken und Handeln.

Mehr Infoemationen sind zu finden unter www.psychotherapie4u.ch.

Fotos: zvg


An der Hauptstrasse 43 in Einsiedeln hat Petra Wehrli eine Praxis für Psychotherapie eröffnet.

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