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Entwaffnende Solidarität oder bewaffnete Neutralität?

Entwaffnende Solidarität oder bewaffnete Neutralität? Entwaffnende Solidarität oder bewaffnete Neutralität?

SEITENBLICK: MILITÄR UND MILIZ

Im Juni entscheidet der Nationalrat in der Sommersession über einen Antrag, 25 Schweizer Leopard-2-Kampfpanzer im Zuge der diesjährigen Armeebotschaft «ausser Dienst zu stellen». Diese könnten dann der deutschen Bundeswehr solidarisch jene Panzer ersetzen, die sie an die Ukraine abgegeben hat. Diese Idee beschäftigt Bundesbern seit Januar.

Der Panzerexporteur bittet seinen Kunden um Panzer

Berlin (das 2020 bei Ausbruch der Corona Pandemie für die Schweiz bestimmte Medizingüter zurückhielt) fragte 2023 in Bern an, ob die Schweiz eigene Leopard 2 an die ausgezehrte Bundeswehr abgeben könnte. Deutschland hatte einst Tausende Leopard 2 für die eigene Armee und Exportkunden gebaut. Davon sind in der Bundeswehr noch knapp 300 Stück übrig. Die Schweizer Armee hat von ihren einst 380 «Leos» noch 230. Davon sind 134 im aktiven Bestand, weitere 96 sind als eiserne Reserve für gefährliche Zeiten gut eingelagert. Wenn europaweit jeder einzelne Panzer begehrt ist, drohen doch gefährliche Zeiten?

Eine Nationalrätin engagierte sich 2022 sehr für ein höheres Armeebudget. Im Januar 2023 beantragte sie in einer Sitzung der Sicherheitspolitischen Kommission (SiK), Deutschland 30 Schweizer Panzer zu verkaufen. In der SiK erntete sie mit ihrem Vorstoss eine mehrheitliche Ablehnung, dafür im Wahljahr viel mediale Aufmerksamkeit als «Panzerfrau » – und empörte Zuschriften von Milizoffizieren.

Der Chef der Schweizer Armee sprach derweil auf mediale Anfrage von «etwa einem Dutzend» Leopard 2, für die zwar kein Eigenbedarf bestünde. Aus militärischer Sicht seien aber keine Panzer entbehrlich. Als dann eine offizielle deutsche Anfrage eintraf, kommunizierte das VBS im März, dass eine beschränkte Anzahl Schweizer Panzer verkauft werden könnte – sofern sie vom Parlament ausser Dienst gestellt würden.

Keine «Sicherheitswirkung» in der Schweiz

Folglich beantragte die «Panzerfrau» im April in der SiK die Ausserdienststellung von 25 Schweizer Leopard 2. Dieselbe SiK, die im Januar den Verkauf von Schweizer Panzern ablehnte, stimmte nun einem Antrag zu, der auf dasselbe hinausläuft.

Das Lager der Befürworter will sich mit diesem Panzerdeal solidarisch mit Euro-pa zeigen und glaubt damit die Ukraine in ihrem Verteidigungskampf indirekt zu unterstützen. In der Schweiz eingelagert würden diese Kampfpanzer sowieso keine «Sicherheitswirkung entfalten». Der Haken an dieser Logik ist, dass der Leopard 2 noch bis Ende der 2030er-Jahre das Rückgrat der Schweizer Bodentruppen bildet und die vorhandenen 230 Stück nicht einmal reichen, um alle drei Panzerverbände vollständig auszurüsten.

Ukraine vermisst Panzer, die sie jahrelang verkauft hat

Nicht nur Deutschland und die Schweiz haben nach dem Kalten Krieg ihre Panzerflotten massiv verkleinert. Auch die Ukraine verhökerte jahrelang eigene Panzer unbesorgt in alle Welt. Allein im Jahr 2013 gingen 69 Kampf- und Schützenpanzer in afrikanische Länder. Das war vor zehn Jahren. Als Russland im Jahr darauf die Krim und den Donbass angriff, war nur ein Bruchteil der ukrainischen Armee kampfbereit. Wollen wir darauf spekulieren, dass in zehn Jahren Schweizer Kampfpanzer in Deutschland für unser Land eine grössere «Sicherheitswirkung » entfalten als in unserer Milizarmee?

geboren 1986 in Einsiedeln, Matura an der Stiftsschule Einsiedeln 2005. Anschliessend Lizentiat/Doktorat an der Universität Zürich 2012/2016. Kälin ist Experte für Sicherheitspolitik und Militärgeschichte und im militärischen Rang als Fachoffizier (Hauptmann) tätig.

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