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«Ich weiss nicht, ob das der Einsiedler Anzeiger erfunden hat oder die NZZ»

«Ich weiss nicht, ob das der Einsiedler  Anzeiger erfunden hat oder die NZZ» «Ich weiss nicht, ob das der Einsiedler  Anzeiger erfunden hat oder die NZZ»

28 Jahre lang berichtete Klaus Korner für den EA aus dem Kantonsrat. Sein protokollarischer Stil ist legendär – und mittlerweile einzigartig.

VICTOR KÄLIN

Während sich alle anderen Journalisten auf das Wesentliche konzentrierten, schrieb Klaus Korner wie eine Sekretärin beim Diktat. Den Inhalt vorgegeben haben ihm die 100 Kantonsräte und die 7 Regierungsräte – während eines ganzen Arbeitstages.

Klaus Korner war der letzte Berichterstatter, der die Sessionen des Schwyzer Kantonsrates protokollarisch festgehalten hat. Wie es die «Neue Zürcher Zeitung » bis vor einigen Jahren aus dem Nationalrat und Ständerat ebenfalls gemacht hat. «Ich weiss gar nicht, ob der EA oder die NZZ diese Art der Berichterstattung erfunden hat», witzelt Korner. «Aber ich weiss, dass es der Einsiedler Anzeiger länger gemacht hat!» Doch nun geht nicht nur ein Jahr, sondern auch eine Ära zu Ende: Zum Jahreswechsel geht Klaus Korner in Pension. Mit 81 Jahren!

Routine und Vorbereitung

Seit 1984 und damit 38 Jahren ist Klaus Korner in wechselnden Funktionen für die Einsiedler Lokalzeitung tätig. Erst als Teilzeit-Redaktor und seit 1994 mit kurzen Unterbrüchen als Berichterstatter aus dem Kantonsrat. Die protokollarische Schreibweise sei nach einigen Stunden zwar «ermüdend», meint Korner, aber viel könne mit Routine wettgemacht werden. Die grösste Herausforderung seien jene Kantonsräte, «welche selbst nicht so genau wissen, was sie eigentlich sagen wollen». Dementsprechend kämen die guten Rhetoriker in seinen Texten «besser weg»: Ein logisch entwickelter Gedanke sei nun einmal leichter zu erfassen.

Dass er mit notabene 81 Jahren die Anstrengungen eines ganzen Sessionstages bewältigen kann, hängt auch mit der Vorbereitung zusammen: «Liest man die Fraktionsberichte, weiss man, was einen erwartet.» Abläufe und Geschäfte sind längst bekannt. Und es passiere ja kaum mehr etwas Überraschendes.

Korner bezeichnet sich als «politischen Mensch. Es interessiert mich, was auf der Welt passiert. Und auch im Kanton Schwyz». Zudem gefallen ihm Milieu und Ambiance im Rathaus zu Schwyz. Und Kantonsräte und Regierungsräte zu kennen, sei durchaus «angenehm». «Die grossen Themen fehlen»

Wenn er die vielen Jahre Revue passieren lässt, fällt ihm auf, dass «dem Schwyzer Parlament die grossen Themen abhanden gekommen sind». Seit der Einführung der Wirkungsorientierten Verwaltungsführung WOV hätten sich die Kompetenzen zu Regierung und Verwaltung verschoben. «Ich sage nicht, dass das per se schlecht ist», präzisiert Korner, «doch die DNA des Kantonsrates ist dünner geworden.» Nach seiner Einschätzung werde dies durch eine «Vorstossitis » kompensiert – eine merkliche Zunahme von politischen Anfragen. «Dabei könnten die Parlamentarier viele Antworten einfach googeln.» Den Bedeutungsverlust des Schwyzer Parlaments führt Korner auch auf die zunehmende interkantonale Zusammenarbeit zurück; die Debatten würden nicht mehr im Rat, sondern auf Stufe Konkordat geführt. Eine Entwicklung, die Klaus Korner übrigens auch in Bundesbern ausmacht.

«Vieles ist voraussehbar» Verhindert auch eine höhere Fraktionstreue eine offenere Diskussion? Aufgrund der Vorschauen der Parteien könne man das Abstimmungsresultat tatsächlich meistens voraussagen, bestätigt Korner. Und so ist der erfahrene Politbeobachter überzeugt: «Sässen 15 Meinungsmacher und Meinungsmacherinnen im Parlament, die Ergebnisse wären dieselben. » Mit einem Blick zurück macht er jedoch einen Abstrich: So wie die damalige CVP im Jahr 1993 mit ihren 48 Kantonsräten «nicht homogen war, wird aktuell auch die SVP mit 33 Vertretern laufend heterogener». Je grösser die Fraktion, so Korner, desto weniger steuerbar – und umgekehrt: «Die SP mit 17 Mandaten ist leichter zu führen.» Aus einer anderen Epoche Und so geht beim Einsiedler Anzeiger eine journalistische Epoche zu Ende, die mit einer elektrischen Schreibmaschine ohne Korrekturtaste, einem Festnetztelefon und einem Teletext-Gerät begann. Der heute längst antiquierte Fax stiess erst später zur Grundausstattung. Von Personalcomputern wusste man 1984 erst im Ansatz. Und es sollten noch zehn Jahre ins Land ziehen, bis sich das Internet durchsetzte.

Klaus Korner blickt zurück ohne Patina, dafür mit dem ihm eigenen Schalk. Und einer beneidenswerten Jugendlichkeit.

Klaus Korner lieferte die handgeschriebenen Manuskripte an die Redaktion, wo Priska Lacher diese abtippte. Foto: Lukas Schumacher

Seite um Seite live mitgeschrieben: Am Ende eines Sessionstages kamen durchschnittlich 15 bis 20 A4-Seiten zusammen.

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