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Die Klägerinnen konnten sich nicht mehr an den Zeitpunkt erinnern

Anklagegrundsatz verletzt: Das Schwyzer Strafgericht konnte einen Serben nicht wegen sexueller Nötigung verurteilen.

RUGGERO VERCELLONE

«Zu einem nicht mehr genauer feststellbaren Zeitpunkt, mutmasslich an einem warmen Tag im Zeitraum zwischen dem 1. Juli 2008 und November 2008 oder zwischen März 2009 und 20./22. September 2009», so steht es in der Anklageschrift, soll ein heute 38-jähriger Serbe ein damals 14- oder 15-jähriges Mädchen in Ausserschwyz sexuell genötigt haben.

Ebenso soll dieser Mann laut Anklageschrift «an einem Abend im Zeitraum zwischen 20. September 2008 und November 2008 oder zwischen März 2009 und November 2009» eine damals 13- oder 14-Jährige sexuell genötigt ha-ben.

Während einer Vorlesung im Jahr 2019 erinnerte sich die inzwischen zur Jus-Studentin gewordene junge Frau an die früheren Vorfälle und gelangte zur Erkenntnis, dass sie Anzeige erstatten müsse, um zu verhindern, dass der Mann weiter delinquiere.

Sie nahm mit dem ersten Opfer, das sie von damals kannte und von dem sie wusste, dass diese Gleiches erfahren hatte, Kontakt auf. Beide erstatteten hierauf eine Strafanzeige. Einen möglichen Zeitraum von drei Jahren angegeben Der Beschuldigte, den beide damals kannten, habe sie in seine Wohnung gelockt, habe ihnen Alkohol serviert, sie geküsst und im Intimbereich angefasst. Sie hätten sich gewehrt, bis er von ihnen abliess. Die Vorfälle wurden durch die beiden jungen Frauen detailreich und übereinstimmend dem Gericht geschildert.

Wann sich diese Vorfälle ereignet haben sollen, wussten beide aber nicht mehr. Es habe sich in den Jahren 2008 oder 2009, eventuell sogar im Jahr 2007 ereignet. Sicher seien sie damals aber minderjährig gewesen, sagten sie.

Der Schwyzer Staatsanwalt verlangte wegen mehrfacher sexueller Nötigung und wegen mehrfacher sexueller Handlung mit Kindern eine bedingte Freiheitsstrafe von 23 Monaten.

Eine der beiden Frauen beantragte nebst Schadenersatz eine Genugtuung von 3000 Franken. Sie leide immer noch unter dem Vorgefallenen.

Der Beschuldigte wollte vor dem Gericht zur Sache nichts mehr sagen. Er habe bereits bei den Einvernahmen alles gesagt. Damals hatte er unter anderem ausgesagt, eine der beiden geküsst zu haben. Von der zweiten sagte er aus, dass er diese gar nicht kenne.

Sein Verteidiger forderte einen Freispruch, höchstens eine bedingte Strafe wegen des zugegebenen Küssens. Je nachdem, wann sich das ereignet haben sollte, wären die Vorwürfe sogar verjährt.

Formalrechtliche Überlegungen im Fokus Obschon das Gericht dazu neigte, den Ausführungen der Frau-en bedeutend mehr Glauben zu schenken als den Angaben des Beschuldigten, liessen (nicht korrigierbare) formalrechtliche Überlegungen eine Verurteilung des Beschuldigten nicht zu.

Da es nicht möglich sei, den Tatzeitpunkt so einzugrenzen, dass es den bundesgerichtlichen Vorgaben entspreche, könne keine materielle Beurteilung vorgenommen werden. Das Verfahren sei wegen Nichteinhaltung des Anklagegrundsatzes beziehungsweise wegen Verjährung einzustellen.

Dem Beschuldigten wurden die Verfahrenskosten von über 31’000 Franken zu zwanzig Prozent auferlegt. Das lasse sich durch das Küssen der Minderjährigen mit der Unschuldsvermutung in Einklang bringen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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