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«Leider gibt es immer weniger Samariter»

Frieda Müller, Präsidentin des Schwyzer Samariterverbandes, nimmt Stellung zum Gedeihen der Vereine

Der Samariterverein Oberiberg hat sich aufgelöst, der Verein in Unteriberg steht auf Messers Schneide. Der Samariterverein in Rothenthurm ist aus dem Verband ausgetreten. Sterben die Samaritervereine langsam aus?

MAGNUS LEIBUNDGUT

Wie entwickelt sich die Zahl der Samariter und Vereine im Kanton Schwyz? Leider gibt es immer weniger Samariter. Es ist eine stetige Abnahme zu beobachten. Im Kanton Schwyz gibt es derzeit 18 Vereine mit knapp über 700 Samaritern.

Wieso verschwinden immer mehr Vereine von der Bildfläche?

Die Vereine sind von einer Überalterung und einem Mitgliederschwund betroffen. Zu wenig junge oder freiwillig engagierte Leute rücken in die Vereine nach. Viele wollen sich in der heutigen Zeit nicht mehr längerfristig engagieren. Manche Vereine haben Mühe, Leute für den Vorstand zu finden. Dieses Phänomen betrifft nicht nur die Samaritervereine.

Was können Samaritervereine gegen die Überalterung unternehmen?

Sie müssen aktive Werbung machen, um mehr Junge oder interessierte Personen anlocken zu können. Was wiederum viel Ressourcen und Personal benötigt und dies ist für einige Vereine eine Herausforderung. Es gibt auch gute Beispiele: Die Help-Jugendgruppe Einsiedeln gibt dem Verein einen Kick – weil von der Gruppe Junge in den Verein wechseln. Im vergangenen Jahr wurde in Altendorf eine Jugendgruppe gegründet. Insgesamt sind es jetzt sechs Gruppen im Kanton Schwyz. Wieso hat Freiwilligenarbeit einen immer schwereren Stand in unserer Gesellschaft? Das Vereinsleben an sich darbt in unserer Gesellschaft. Das Interesse, sich für Vereine zu engagieren, ist kleiner geworden. Das wirkt sich vor allem in Gemeinden mit eher städtischem Charakter aus, in denen sich viele Einwohner kaum mehr am Dorfleben beteiligen. Und, das Freizeitangebot ist riesig.

Erhalten Samaritervereine zu wenig Beiträge vom Kanton?

Im Vergleich etwa zu den Feuerwehren sind es bei den Samaritervereinen eher bescheidene Beträge. Auf jährlichen Antrag erhält der Kantonalverband einen Beitrag aus dem Lotteriefonds. Die Finanzierung erfolgt bei den Samaritern von unten nach oben: Mit ihren Beiträgen finanzieren die Vereine die Kantonalverbände und den Schweizerischen Samariterbund (SSB). Kritisiert wird, dass die Vereine dem SSB zu viel Geld bezahlen müssen und nicht zufriedenstellende Leistungen dafür erhalten. Festhalten möchte ich, dass unsere Kursleiterausbildungen top sind. Die Vorgaben für die Ausbildner sind übersichtlich, die Informationen seitens des Samariterbundes ausgewogen. Auch die Beratungen und Begleitungen der Vereine bewegen sich auf einem hohen Niveau. Haben die Vereine Mühe mit dem Professionalisierungsschub?

Das trifft schon eher den Kern des Problems. Die Anforderungen einerseits an die Vereinsführung, andererseits an die Mitglieder sind stetig gestiegen. Vorgaben seitens des Bundes, des Seco und des Interverbands für Rettungswesen (IVR) in Sachen Vereinheitlichung der Vereine nehmen zusätzlich zu. Vor etlichen Jahren haben ein Nothelferkurs, der Samariterkurs und die monatlichen Übungen für die Mitglieder ausgereicht. Heute braucht es die IVR Stufe 2 sowie den Kurs Grundlagen Sanitätsdienst als Basis, um Sanitätsdienst an öffentlichen Anlässen zu leisten. Dies ist sicher positiv, denn dies wertet auch die Arbeit der Samariter klar auf. Welche Rolle spielt der 100er-Club in der zunehmenden Professionalisierung?

Parallel zu den Anforderungen an alle Samariter steigen auch die Kosten für Aus- und Weiterbildungen und die Abgaben an den SSB. Um den Samaritervereinen eine gesunde Weiterentwicklung zu ermöglichen, reichen die heutigen Beiträge nicht aus. Das Samariterwesen ist deshalb auf eine treue Anhängerschaft angewiesen. Die Mitglieder im 100er-Club des Kantonalverbandes des Kantons Schwyz leisten einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Samaritervereine. Sie stellen sicher, dass bei einem Ereignis gut ausgebildete Fachkräfte zur Verfügung stehen.

Vermehrt bieten Fahrlehrer Nothelferkurse für die Schüler gratis an. Ganz gratis nicht: Aber die Samaritervereine können keinen Gutschein für eine Fahrstunde anpreisen. Dafür bieten wir abwechslungsreiche, praxisnahe Kurse nach neuestem Standard mit zertifizierten Kursleitenden an. Halten Sie Fusionen von Samaritervereinen denkbar? Durchaus. So haben die Vereine in Siebnen und Galgenen erfolgreich fusioniert. Ebenso haben sich der SV Schwyz, der SV Seewen und der SV Ibach im SV Schwyzer Samariter zusammengeschlossen.

Was sind die Folgen für eine Gemeinde, wenn es keinen Samariterverein mehr gibt? Das Fehlen macht sich für Vereine und Organisationen finanziell bemerkbar, wenn sie für eine Veranstaltung einen anderen Anbieter für den Sanitätsdienst engagieren müssen, der in der Regel um einiges teurer ist als ein Samariterverein. Nothilfekurse, BLS-AED-Kurse, Kurse Notfälle bei Kleinkindern, Kurse in Schulen und so weiter fallen weg, Krankenmobilienmagazine verschwinden. Blutspendeaktionen finden nicht mehr statt. Was unternimmt der Kantonalverband, um Samariter an Bord der Vereine zu holen? Verstärktes Marketing, öffentliche Auftritte, aktive Werbung, Mund-zu-Mund-Propaganda. Leider hat Corona auch unsere Pläne ziemlich durcheinandergewirbelt und bei den Vereinen Spuren hinterlassen.

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