Einsiedeln braucht offene Türen
KOMMENTAR
Das vom Bundesrat ausgerufene Versammlungsverbot beeinträchtigt auch das spirituelle Leben – massiv sogar, wenn man den Wallfahrtsort Einsiedeln als Beispiel nimmt. Das war gerade über die Ostertage ersichtlich: Wo sich sonst Tausende von Pilgern und Touristen tummeln, herrschte beinahe gähnende Leere. Es war gespenstisch ruhig, selbst wenn diese Ruhe gut getan hat.
Doch wie deutlich war zu spüren, dass zum Glauben auch das Bekenntnis gehört – und sei es lediglich durch die physische Präsenz. Erst die unzähligen Gläubigen, auswärtige wie einheimische, versinnbildlichen die Bedeutung des Ortes Einsiedeln, des Klosters und der Benediktinergemeinschaft. So gesehen ist es mehr als ein Segen, dass die Kirchentüren nicht geschlossen sind: Es ist eine Notwendigkeit, selbst wenn die Priester die Menschen auffordern müssen, die Gottesdienste zu meiden. Doch (sicheren) Platz für eine besinnliche Minute gibt es immer, und zwar in sämtlichen Kirchen von Dorf und Land.
Ostern ohne öffentliche Feiern geht. Vielleicht einmal, zweimal. Doch vier Wochen Versammlungsverbot genügen, um zu sehen, wie stark sich gerade Gläubige nach Gemeinschaft sehnen. Aller Individualität und Privatisierung des Glaubens zum Trotz.
VICTOR KÄLIN